Knoden, den 08. April 2020 – Finale – sprachlich gesehen etwas abschließendes, im sportlichen Bereich ein Höhepunkt als Schlußakzent einer Reihe von vorausgegangenen Aktivitäten. Als würdiges Finale gestaltete sich die letzte Etappe der ringförmig ausgebauten Nibelungensteigexpedition. Sportlich ambitioniert und hochattraktiv bezüglich der Streckenführung.
Gestartet wird in Knoden, dem Wendepunkt der vorausgegangenen Expedition. Nicht umsonst prangt am Ortseingang des 100-Seelen-Weilers ein großer Stein mit eingemeiselter Aufschrift “Hüte dich für Knoden” Für mit dem Auto anreisende Wanderer ist Knoden schlichtweg nicht ausgelegt – Parkplätze sind Mangelware. So bleibt es in das benachbarte ein Kilometer entfernte Schannenbach zu fahren, um dort hinter dem Dorfgemeinschaftshaus das Auto abzustellen.
Von Knoden aus führt der Nibelungensteig zunächst rund um den 511 Meter hohen Knodener Kopf. Bereits hier stößt man auf Granitsteinformationen – ein Vorgeschmack zum gewaltigen Felsenmeer, welches nach acht Kilometern erreicht wird. In weitreichenden Schleifen führt der Steig hinab nach Reichenbach, dort wo sich dank Granitreichtum eine florierende Steinmetzindustrie angesiedelt hat.
Da nach amtlichen Veröffentlichungen das Informationszentrum des Felsenmeers am Nibelungensteig geschlossen hat, wähle ich von Reichenbach den Direktauftstieg über einen lokalen Wanderweg. Ansonsten empfiehlt sich durchaus ein Gang zum Infozentrum, um sich aus erster Hand über die Geschichte des Felsenmeers zu informieren. Die ehemalige “Werkstadt der Römer” ist immer wieder beeindruckend. Mehr als dreihundert von römischen Steinmetzen bearbeitete Steine sind hier mittlerweile dokumentiert und katalogisiert, der Rest liegt einfach so herum. Gut angelegte Pfade, die mit zahlreichen Rastmöglichkeiten bestückt wurden, ermöglichen eine gefahrlose Besichtigung des imposanten Areals. Oberhalb des Felsenmeers steht auf dem Felsberg seit 120 Jahren der Ohlyturm, ein ehemaliger Besichtigungsturm, der jedoch seit Jahren wegen Baufälligkeit geschlossen ist.
Heute heißt es Höhenmetern sammeln. Runter geht es vom 514 Meter hohen Felsberg, durch das Balhausener Tal um auf der Gegenflanke den höchsten Hügel der Bergstraße, den 517 Meter hohen Melibokus zu erklimmen. Jedoch von östlicher Seite ist der Aufstieg durchaus moderat. Wer in Zwingenberg zum Melibokus einsteigt läßt eindeutig mehr Schweißtropfen auf den Wegen. Schon 1772 ließ ein Darmstädter Landgraf hier oben einen Aussichtsturm errichten, der allerdings im zweiten Weltkrieg von deutschen Soldaten weggesprengt wurde, damit die Amerikaner keinen komfortablen Beobachtungsposten haben einrichten können. Bei eintsprechender Wetterlage hat man von hier oben aus beste Fernsichten über den Odenwald, die Rheinebene, hinüber in den Pfälzer Wald bis hin zu den Vogesen. Von nun an folgt man dem Kammverlauf der Bergstraße, für Viele auch die Odenwälder Toskana. Es war Kaiser Joseph II. der nach seiner Krönung in Frankfurt bei einer Fahrt entlang der Bergstraße begeistert ausrief: „Hier fängt Deutschland an, Italien zu werden!“ Auf der Höhe der Alten Zwingenberger Burg verlasse ich den Nibelungensteig, der offiziell im unten gelegen Zwingenberg endet. Auf besten Pfaden geht es entlang des Bergsträßer Blütenweges zum Auerbacher Schloß. Die zusätzlichen 50 Aufstiegshöhenmeter zur Burg schenke ich mir an diesem Tag, da die Burg und die dort eingebrachte Gaststätte krisenbedingt geschlossen hat.
Vom Auerbacher Schloß führt ein Stichweg hinab zum Mühlgrund um auf der anderen Seite in das Auerbacher Fürstenlager einzuschwenken, der 1790 von Darmstädter Landgrafen errichteten Sommerresidenz. Einige wenige Spaziergänger verteilen sich auf dem weitläufigen Areal. Das Fürstenlager querend geht es hinauf zur Ludwigslinde um weiterführend die Fährte zu einem der schönsten Aussichtspunkte der Bergstraße, dem Kirchberghäusl am Kirchberg aufzunehmen. Der Weg führt weiter durch durch den Herrenwingert und begleitet ein Stück den Bergsträßer Burgenweg. Mit 440 Hektar zählt dabei die Hessische Bergstraße zu den kleinsten Weinanbaugebieten Deutschlands, wobei im Anbau der Riesling dominiert. Dort wo üblicherweise bei solch einer Wetterlage von Weitem schon Gläsergekläpper durch die Weinberge zu hören ist, herrscht krisenbedingt eine ungewohnte, fast schon gespenstische Ruhe. So kann man in aller Stille die Blicke hinab nach Bensheim und die Höhenzüge der Bergstraße bis nach Heidelberg schweifen lassen.
Vom Kirchberghäusl geht es steil hinab nach Bensheim, eine spannende Stadt, die es Wert unter regulären Umständen intensiv erkundet zu werden. Jedoch in Zeiten wie diesen stehen keine Stadtexkursionen auf dem Programm. So geht es zügig Richtung Süden um in der Weinlage Streichling auf den Höhenweg zum Schönberger Kreuz einzuschwenken.
Vom Schönberger Kreuz folgt man dem Knodener Höhenweg, der immer wieder Panoramasichten bietet. Nach vier Kilometern schwenkt man in die südliche Umlaufbahn des Knodener Kopfes ein, um nach insgesamt 42 Kilometern und 1.400 Höhenmetern eine beeindruckende Nibelungringpassage in Schannenbach zu beenden.
Das Nibelungenringprojekt – aus der Not eine Tugend machend. In Zeiten von notwendigen Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen war mehr denn je Kreativität gefragt, wenn es darum geht im möglichen Rahmen den Wandersport zu frönen. Die Konventionen waren klar. Sportliche Aktivitäten Einzelner sind nach wie vor gestattet, Einkehrmöglichkeiten sind gestrichen, Stadtbesichtigungen sind zu unterlassen und öffentliche Verkehrsmittel sind zu meiden.
Grundlage für diese Wanderserie war der Nibelungensteig, ein zertifizierter Premiumwanderweg, 125 Kilometer lang, unterlegt mit anspruchsvollen 4.000 Höhenmetern. Aufgedröselt und erweitert in sieben anknüpfenden Rundwanderwege mit insgesamt 288 Kilometern und mehr als 8.200 Höhenmetern. Spannende abwechslungs- aussichts- und erlebnisreiche Passagen durch eine bemerkenswerte Mittelgebirgsregion im Herzen Deutschlands, vom unterfränkischen Freudenberg bis zur Bergstraße im Odenwald. Wer als ambitionierter Langstreckenwanderer ein Wander- Bootcamp für weitere Herausforderungen benötigt – hier ist er genau richtig!
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