Diemelsee, den 17. Juli 2020 – “Wer “A” sagt, muß auch “B” sagen” sagt man im Allgemeinen. Wer den Uplandsteig erkundet hat, sollte konsequenterweise auch den benachbarten Diemelsteig unter die Schuhsohle nehmen. So folgt nach vierzehn Tagen konsequenterweise die nächste Tour im östlichen Sauerland, auf dem 63 Kilometer langen Diemelsteig, der ebenso als Qualitätswanderweg zertifiziert ist. Die Touristenmanager der Region empfehlen verständlicherweise den Steig in vier gemütlichen Tagespassagen, gerne auch mit Gepäcktransport, anzugehen. Für geübte Langstreckenwanderer genügen zwei entspannte Passagen, um dieses Naturjuwel des Sauerlandes zu entdecken. Die freien Kapazitäten der Beherbungsbetriebe geben dabei den Startort am Rundwanderweg vor. Infrastrukturell bietet es sich dabei an entweder in Adorf oder in Heringhausen eine Übernachtungsgelegenheit zu suchen.
Ich starte am frühen Morgen an der Schnittkante vom Uplandsteig und Diemelsteig, in Hemmighausen, um im Uhrzeigersinn wandernd die erste Passage in Adorf abzuschließen. Die Impressionen des Uplandsteiges noch im Kopfe habend, stellt sich eine gewisse Vertrautheit mit der Region ein. Langsam schraubt sich der Steig zwischen Oelkesberg und Dietrichsberg hinauf zur Schutzhütte am Niegelscheid. Dort könnte man, wenn man könnte, bereits den Diemelsee erblicken. Jedoch dank Regen am Vortag legt sich eine herbstlich anmutende Dunstglocke über die sanfthügelige Landschaft und hüllt den kleinsten der fünf Sauerlandseen ein. So geht es weiterführend aufwärts zu den Dommelhöfen, dort wo sich Uplandsteig und Diemelsteig wieder trennen. Sehr zu empfehlen ist es, obschon nicht direkt auf der Strecke gelegen, hinauf zum 738 Meter hohen Dommel zu wandern. Weitreichende Blicke in das Waldecker Upland, zumindest in westliche Richtung, sind vom dortigen Dommelturm möglich. Hochgewachsenes Nadelgehölz beschränkt hingegen die Weitblicke in östlicher und südlicher Richtung, so dass auf lange Sicht gesehen entweder die Motorsäge geschwungen werden sollte oder der Aussichtsturm aufzustocken ist.
Vom Dommel geht es abwärts durch einen Mischwald. An markanten Aussichtspunkten kann man einmal mehr Platz nehmen, und die Blicke über Stormbruch und die dahinter liegenden östlichen Höhenzüge schweifen lassen. Stetig abwärts gehend quert man die Itter, ein Zufluß des Diemelsees. Der knapp 20 Kilometer lange Fluß markiert zudem über weite Strecken die Landesgrenze von NRW und Hessen. Bei Kotthausen, am Ende des Diemelsees, führt der Steig hinauf und begleitet auf den nächsten Kilometern den Diemelsee-Itterarm. Durchaus etwas blumig ausgeschmückt ist die offizielle Wegebeschreibung, die hier von “wunderschönen Blicken” über den Itterarm spricht. Wer durch Rhein- oder Moselwanderungen geprägt ist, wird hier seine Ansprüche etwas zurückfahren dürfen. Jedoch der spektakulärste Abschnitt dieser Passage folgt unmittelbar. Zuvor bietet es sich zunächst an, am Fährhaus zu einer Kaffepause einzukehren und dort Blicke über die Seenlandschaft schweifen zu lassen. Vorbei am Schiffsanleger wandert man weiter zur Staumauer des Diemelsees. Wer fußkrank ist, quert oberhalb die Staumauer, interessanter ist es jedoch dem Originalpfad des Diemelsteiges zu folgen, um vorbei am Kraftwerk durch die untere Etage der Staumauer zu laufen.
Zwei Möglichkeiten gibt es, um nach Heringhausen zu gelangen. Tagesgäste und Radfahrer bevorzugen die bequeme Variante, und folgen dem Verlauf der Landestraße 912. Allemal lohnenswerter ist jedoch der Aufstieg zum Hausberg des Diemelsees, den Eisenberg. Ab Staumauer geht es stetig aber moderat 253 Höhenmeter aufwärts. Der Lohn des Aufstieges: weitreichende Ausblicke über die Seenlandschaft und das hessische Upland. Sicherlich, wer auf der Flucht ist, kann hier oben weiterwandern zum markanten Aussichtspunkt St. Muffert und weiterführend Richtung Adorf. Jedoch es gibt gute Gründe dem drei Kilometer entfernten Heringhausen einen Besuch abzustatten. Schiffsanlegestelle, Strandbad , Einkehrmöglichkeiten und eine gut sortierte Touristeninfo der Ferienregion Diemelsee.
Von Heringhausen geht es zurück und aufwärts zu den ersten Anhöhen des Eisenbergs, dort wo das Aussichtsfenster des Diemelsees, die Sankt Muffert Klippe den schönsten Blick auf den Diemelsee ermöglicht. Weiter geht es in östlicher Richtung durch eine weitläufige Agrarlandschaft. Mächtige Windparkanlagen signalieren bereits von Weitem wo das Tagesziel, Adorf, liegt. Man könnte, wenn man wollte, an mehrfachen Stellen die Passage nach Adorf abkürzen. Jedoch gilt hier einmal mehr die triviale Wanderweisheit: “Der Weg ist das Ziel”. Die Wegeplaner haben bewußt aussichtsreiche Schleifen über exponierte Stellen gewählt – so wäre es wirklich schade, wenn man sich diesen Wegeverlauf entgehen lassen würde. Vor Adorf wird nochmals eine Schleife in nördlicher Richtung gezogen, um einerseits das Besucherbergwerk der Grube Christiane auf der Passage zu integrieren und andererseits das Naturdenkmal Martenberg mit den gleichnamigen Klippen einzubeziehen. Nach insgesamt 39 Kilometern und knapp 1.100 Höhenmetern endet eine aussichts- und genußreiche Tagestetappe in Adorf.
Am nächstem Morgen geht es in südlicher Richtung, dem Flüsschen Bicke folgend entlang schöner Naturpfade Richtung Wirmighausen. Weitreichende Schleifen ziehen sich weiterführend Richtung Flechtendorf. Studiert man die Karte so verwendet durchaus die Wegeführung. Jedoch einmal mehr zeigt sich, daß die Route wohlweislich durchdacht ist. Exemplarisch hierbei ist die Wegeführung auf den Lenkenberg. Sowohl der Weg, als auch die damit verbundenen Aussichten veranschaulichen einmal mehr die wunderbaren Panoramen, die sich vor dem Auge des Betrachters entfalten. Pragmatisch gesehen, sollte man sich wohlweislich an jeder Sitzgelegenheit niederlassen und die opulenten Aussichten genießen – und es gibt viele Sitzmöglichkeiten entlang des Steiges. Flechtdorf wird wohlweislich zunächst umrundet, um bereits von oben den Blick auf die markante zweitürmige Basilika aufnehmen zu können. Bereits im 12. Jahrhundert wurde hier eine mächtige Klosteranlage errichtet. Lange war das Benediktinerkloster ein bedeutender Wallfahrtsort. Der letzte Mönch starb 1598, die Grafen von Waldeck vereinnahmten das Areal, widmeten es als Armenhaus und später als Hospital um.
Abwechslungsreiche Pfade durch Wald- und Wiesenflure führen auf den nächsten Kilometern durch eine abwechslungsreiche Landschaft. Auch hier haben sich die Wegeplaner etwas einfallen lassen. Entlang eines längeren Waldabschnittes hat man einen “Weg der Stille” eingerichtet. Zahlreiche Wegetafeln mit ausgewählten Sinnessprüchen zum Thema Wandern in der Natur begleiten dabei die Diemelsteigbesucher. Immerhin sind zehn Kilometer von Flechtdorf bis nach Schweinsbühl einzuplanen. Unseligerweise hat in diesem Tag die einzige Gaststätte in Schweinsbühl geschlossen, so ist man grundsätzlich, wie bei allen anderen Wanderungen übrigens auch, gut beraten Plan B, sprich Rucksackverpflegung, zu ziehen. Auch hinter Schweinsbühl könnte man in Versuchung kommen, den Weg nach Deisfeld in Form einer Talwanderung abzukürzen. Auch hiervon wird abgeraten. Der Aufstieg hinauf zum Winterscheid ist mehr als empfehlenswert, denn hier oben erwartet dem Ankömmlung weitreichende Blicke über die Höhenzüge die sowohl den Diemelsteig als auch den Uplandsteig flankieren. Der Rest – die Kür. Vom Winterscheid geht es abwärts in den Weiler Deisfeld und von dort folgt man dem Verlauf der Diemel, die sich hier als Bächlein zur Quelle Richtung Usseln durchschlängelt. Nach insgesamt 70 Kilometern und 1.800 Höhenmetern ist der ursprüngliche Ausgangsort des Diemelsteigs, Hemmighausen wieder erreicht.
Der Diemelsteig – als zertifizierter Qualitätswanderweg Wanderbares Deutschland, durchaus ein Kontrastprogramm zum benachbarten Qualitätswanderweg. Während der Uplandsteig ausgeprägt dynamisch und wuchtig wirkt, hinterlässt der Diemelsteig einen sanfteren naturbelassenen Eindruck. Im Kern ist es die Symbiose beider Steige, die in einer einzigartigen Landschaft den besonderen Reiz dieser Wanderregion ausmacht. Und Entdeckungsspotentiale gibt es noch zur Genüge. Ob Rothaarsteig, Sauerland-Höhenflug, Sauerland-Waldroute, Medebacher Bergweg oder die Winterberger Hochtour, die Sauerländer Wanderdörfer wollen entdeckt werden – alles nur eine Frage der Zeit….
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