Mainz, den 26. November 2016 –
Günstig war die Gelegenheit schon. Anlässlich der zweiten Mainzer CraftBeermesse hatte es sich regelrecht angeboten den historischen Spuren der Mainzer Braukunst zu folgen. Obschon vielfach die rheinlandpfälzische Landeshauptstadt eher mit Wein in Verbindung gebracht wird (Tenor des städtischen Touristservicecenters: “Eingebettet in das größte Weinanbaugebiet Deutschlands, Rheinhessen, ist Mainz die Weinhauptstadt Deutschlands.” ) lohnt es allemal sich intensiver mit der Mainzer Brauereikultur zu beschäftigen. So befanden sich Mitte des 19. Jahrhunderts noch mehr als 50 Brauereien in der altehrwürdigen Stadt am Rhein.
Empfohlen wird die Tour am Bahnhof “Römisches Theater” zu starten. Vom Bahnsteig geht es direkt vorbei an den Ruinen des Römischen Theaters, welches als größte römische Bühne nördlich der Alpen gilt. Vorbei an der stattlichen Mauer der Zitadelle, die seit 1160 auf dem Jakobsberg trohnt geht es durch das Haupttor des Kommandantenbaus, um auf der hinteren Seite zum imposanten Drususstein zu gelangen, ein Monument welches aus den ersten Jahren des römischen Mainz stammt.. Benannt und errichtet als römisches Scheingrab in Gedenken an den Feldherrn Drusus, der ein Stiefsohn Augustus war,und 50 Kastelle am Rhein baute.
Vorbei am 87er Denkmal und dem Zuckerberg kreuzt man zunächst den Eisgrubweg, der Kraft namens auf die reiche Mainzer Brauereigeschichte verweist, denn die Eisgrub befindet sich unterhalb der Zitadelle und wurde seit 1872 als Natureiskeller benutzt, um natürlich unter anderem Bier zu kühlen. Nach einer kurzen Stippvisite in der Stephanskirche zur Besichtigung der weltberühmten Chagall-Fenster ist der Kästrich erreicht, dort wo das Maschinenhaus der Brauerei “Schöfferhof Dreikönigshof” zu besichtigen ist. Hier wurde von 1889 bis in die 60er Jahre Bier gebraut. Die Frankfurter Bindung Bräu erwarb den Firmenmantel und vertreibt noch heute die Schöffenhofer Marke als Weizenbier, mit in Bierkennerkreisen teilweise fragwürdigen Hybridmischungen wie beispielseweise Grapefruit-Weizen.
Wenige Meter weiter erreicht man das Areal der ehemaligen Mainzer-Aktien-Bierbrauerei (MAB), 1859 gegründet, einst eine der größten deutschen Brauereien, die bis in die 80er Jahre ein lecker Bier braute. Heute erinnern nur noch vier Torbogen an das weitläufige Brauareal. – der Rest bebaut mit einer schicken Wohnanlage. Durchschreitet man die Torbogem hat man von hier auinen Premiumblick auf die zu Füße liegende Mainzer Innenstadt. Benutzt man auf der linken Seite den Parkhausaufzug und fährt bis zum 4. UG, dann erreicht man auf dem untersten Parkdeck auf der gegenüberliegenden Seite einen historischen Gang. Hier kann man am Ausgang zur Innenstadt ein Relikt alter Zeiten, den imposanten Backsteinbogen mit dem Brauereiemblem bewundern.
Wenige hundert Meter weiter erreicht man einen mächtigen Backsteinbau, das Proviantmagazin, dort wo einst von der Heeresbäckerei Getreide gebunkert wurde. Hier ist ein Abstecher dringend zu empfehlen, den im Lokal Proviantamt wird ein leckeres und frisch gezapftes Mainzer-Aktien-Bier (MAB) kredenzt, welches seit 2004 exklusiv nach alter Rezeptur gebraut wird.
Frisch gestärkt geht es zu einer Kurzbesichtigung der Statue der St. Bilhildis, welche sich am gegenüberliegenden Erthaler Hof befindet. Dieses Motiv war Schutzmarke der Altmünster-Brauerei und zierte das Emblem der Mainzer Traditionsbrauerei. Vorbei am Schillerplatz und Gutenbergplatz führt der weitere Weg zum Sonnengäßchen in die Innenstadt. Hier bietet es sich an dem altehrwürdigen Brauhaus zur Sonne einen Besuch abzustatten. Seit 1568 wurde hier mehr als 400 Jahre lang gebraut. Heute ist der Brauereibetrieb eingestellt, jedoch ist ein schmackhaftes Kloster Andechser welches dort ausgeschenkt wird eine durchaus sinnvolle Alternative, die man in diesen heiligen Hallen genießen kann.
Aus grundsätzlichen geschichtlichen Erwägungen erfolgt ein Abstecher nach Mainz-Kastel, welches zwar seit 1945 aufgrund einer neuen Grenzziehung dem hessischen Wiesbaden zugeschlagen wurde. Jedoch allemal lohnenswert ist der Gang zum Otto-Suhr-Ring zur dort ansässigen Erlebnisbrauerei Mainz-Castel, dort wo seit 1990 ein fantastisches Bier gebraut wird. Bester Tettnanger Doldenhopfen entfaltet eine nachhaltige Wirkung in der Gaumenhöhle eines jeden ambitionierten Biergenießers.
Wohleingestimmt führt die weitere Passage zurück über den Rhein nach Mainz-Mombach zur dortigen Phoenixhalle. Bereits zum zweiten Mal wird hier eine CraftBeerMesse ausgerichtet. Craftbeer, für Viele ein nicht zu greifender Modetrend aus den Vereinigten Staaten für Andere eine beeindruckende Weiterentwicklung kreativer Braukunst. Fernab des Einheitsgeschmacks deutscher Fernsehbiere entwickeln immer mehr junge wilde Braumeister eine ungeheure Dynamik und bereichern den Biermarkt mit außergewöhnlichen Produkten. 50 Brauer bieten auf der Messe über 300 verschiedene Biersorten an. Ob IPA (Indian Pale Ale welches damals von den Engländern hochprozentig gebraut wurde, damit der Hopfentrunk unbeschadet die Schiffspassage in das ferne Indien überstand), im Calvadosfässern gelagerter Doppelbock, Bourbon Barrel Bock, Roggenbier, Gose-Varianten, Stout oder oder oder.., der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt. Interessante Gespräche mit den Brauern und den sachkundigen Messebesuchern rundet die sensorische Prüfung innovativer Brauerzeugnisse ab.
Was fehlt ist natürlich ein würdiger Abschluss. Und hier bietet sich nochmals ein Gang in den Eisgrubweg an, dort wo die derzeit einzige aktive Mainzer Brauerei, der Eisggrubbräu seit 1989 ansässig ist. Hier ist eine kleine aber feine Hausbrauerei angesiedelt, die jährlich 2.500 Hektor ausstößt. Urig die Atmosphäre in den Gewölbekellern, dort wo man inmitten der Brauanlage Platz nehmen kann. Eisgrubbräu in Mainz ist schlichtweg Kult. Von morgens bis abends bleibt kein Stuhl kalt. Ob Studenten die sich in Druckbetankung üben, ob Fußballfreunde die vor dem Stadienbesuch vorglühen, ob Mainzerlokalkolorit, welches zum “Schoppepetze” zum Eisgrub geht, ob versprengte Odenwälder Wanderer die noch einen Absacker zu sich nehmen – hier ist immer etwas los. Des Abends ist ein Abfangjäger vor den Gasträumen positioniert. Üblicherweise ist man wohlberaten zu reservieren, andernfalls quetscht man sich an der Theke dazwischen. Mit Hochdruck wird an der Theke gearbeitet, Ob der 5-Liter-Eisgrubturm zum Selbstzapfen, der Eisgrub-Meter “12 auf einen Streich”, oder die abgezapfte Siphonflasche für den Haustrank, der Bierhahn glüht ohne Unterlass. Ein würdiger Abschluss für eine außergewöhnliche Exkursion in einer lebens- und liebenswerten Stadt.
An dieser Stelle einen herzlichen Dank an den Mainzer Hans-Petzer Goertz, der auf seiner spannenden Seite http://www.mainzer-brauereien.de/ die Inspiration für einen Stadtrundgang mit Bierbezug gab. Für Freude der Bierkultur sei zudem in 2017 die im Juli zum 19. Mal stattfindende Mainzer Bierbörse am Rheinufer empfohlen.
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