Gersfeld 6. August 2017 –
Dort wo neben der Fulda dreißig weitere Bäche entspringen, dort wo die älteste Segelschule der Welt beheimatet ist, dort wo seit 2013 in einer ehemaligen Abhöranlage Trauungen durchgeführt werden, dort wo man bei guter Wetterlage unter anderem das Rothaaargebirge, das Fichtelgebirge, den Kellerwald oder den Taunus erblicken kann, genau dort kann man eintauchen in eine hervorragende Wanderinfrastruktur. Die Rede ist von der Wasserkuppe, ein vulkanischer Basaltkegel der Superlative im Zentrum der Hochrhön liegend, und mit 950 Meter die höchste hessische Erhebung.
Als Einstieg in die Wanderregion Rhön empfiehlt sich der 39 Kilometer lange Wasserkuppenrundweg. Höhenlagenbedingt ist das Areal rund um die Wasserkuppe natürlich zur heißen Jahreszeit besonders zu empfehlen – die Temperaturdifferenz zur heimischen Rhein-Main-Dunstglocken-Region beträgt im Schnitt zehn Grad. Gestartet wird im heilklimatischen Kurort Gersfeld was mehrere Vorteile bietet. Die Halbzeit der ausgedehnten Wanderpassage krönt man mit der Ankunft auf der Wasserkuppe, die Verteilung der Einkehrmöglichkeiten deckt sich mit den Primärbedürfnissen (Zweites Frühstück, Mittagsjause, Nachmittagskaffee) eines mitteleuropäischen Wanderers sofern man die Passage im Uhrzeigersinn begeht, und man hat mit der Sonne im Rücken tendenziell eine ausgezeichnete Lichtqualität für weitreichende Panoramasichten vor sich.
Schon der Start in Gersfeld beeindruckt. Wenige Meter vom Zentrum entfernt folgt man der guten Wegekennzeichnung des Rhönclubs, einem schwarzen „W“ auf weißem Spiegel – als Synonym für Wasserkuppenrundweg. Die weitreichende Anlage des hier einst ansässigen Landadels der Herren zu Ebersberg beeindruckt, zudem man sich nicht täuschen lassen sollte von der schlichten Fassade des Barockschlosses, da das Innere mehr als opulent ausgestaltet sein soll, was sich aber nicht überprüfen lässt, da das Anwesen im Privatbesitz ist. So geht es durch die gepflegte Anlage aufwärts durch die weitreichenden Agrarflächen der Rhön. Obschon das wetterbedingte morgendliche Kondensat die sanften Höhenzüge der Region in ein vorherbstlich anmutendes Nebelbett hüllt, lässt sich bereits am Ortsrand erahnen, welche weitreichenden Sichtachsen sich in diesem Landstrich eröffnen.
Gerade hier im Epizentrum der Rhön – die sogenannte Hohe Rhön, die sich im Dreiländereck Hessen-Thüringen-Bayern befindet, kann man wohlweisliche Parallelen zu den typischen Mittelgebirgen mit vulkanischem Ursprung entdecken. Sanfthügelige Landschaften, weitreichende Ausblicke, fruchtbare Böden, Wasserreichtum. Das Ganze durchzogen von Premium- und Qualitätsswanderwegen – fürwahr eine ausgezeichnete Wanderdestination.
So bewegt man sich auf ausgezeichneten Wegen in einem landschaftstypisch munteren Auf und Ab. Bald ist das erste Highlight der Passage, der Wachtküppel erreicht. Der Wachtküppel , ein ehemaliger 705 Meter hoher Vulkanschlot, fällt durch seine markant-exponierte Lage, gekrönt durch ein Kreuz bereits von weitem auf. Kompasstauglich ist der Hügel angesichts des hohen Magnetitanteils jedoch nicht. Bereits zu früher Morgenstunde ist der Gipfel von einer Ziegenschar besetzt, die sich hier sichtlich wohlfühlt. Angesichts des dichten Knöddelteppichs auf dem steinernen Untergrund kann man davon ausgehen, dass es sich hier um Dauerbewohner handelt. Obschon es noch diesig ist kann man die weitreichenden Ausblicksmöglichkeiten von hier oben ansatzweise erahnen.
So geht es weiter, zunächst wiederum abwärts, um dann an einer Gegenflanke stetig aufwärts gehend durch einen kleinen Wald zur Ruine Ebersburg, Wahrzeichen der gleichnamigen Kommune, aufzusteigen. Die Anlage wurde mutmaßlich um 1100 errichtet. Erhalten ist heute noch eine Flanke der ehemaligen Burgmauer, sowie zwei Türme, wovon einer bestiegen werden kann. Von hier oben kann man ebenso weitreichende Blicke in das Fuldaer Land genießen.
Anschließend geht es steil abwärts nach Ebersberg und von dort aus in das wenige Kilometer entfernte Poppenhausen, das Einstiegstor zur Wasserkuppe. Zwischen der Kommune und dem höchsten hessischen Hügel liegen immerhin 500 Höhenmeter. In der 2.600 Einwohner zählenden Kommune befand sich einst eine 10.000 qm² Wasserburg, die größte in der Umgebung. Oberirdisch ausradiert, jedoch sind heute noch in den Kellern einiger Gebäude die Reste der Burg erhalten geblieben.
Auf gut gangbaren Wegen geht es zu Hessens größten natürlichen See, dem Guckaisee. Unterwegs auf der Passage wird man mit einem regen Flugbetrieb konfrontiert. Bereits am frühen Morgen gleiten lautlos eine Vielzahl von Paragleitern abwärts. Kein Wunder, denn mit den oberhalb des Guckaisees gelegenen Pferdskopf und der Wasserkuppe stehen exzellente Startrampen für die Luftflieger zur Verfügung. Man kann als staunender Wanderer durchaus nachvollziehen, wie herrlich es sein muss über die Höhenzüge des Rhöns zu gleiten.
Mit wandertechnischer Bodenhaftung ist bald der Guckaisee erreicht – ein gern besuchtes Naherholungsgebiet, wie auch die machtige Berghütte Guckaistube eindrucksvoll belegt. Jedoch zu früher Morgenstunde noch geschlossen, was per se durchaus von Vorteil ist, da zunächst eine deftige Passage nach oben ansteht. So sind zunächst 200 Höhenmeter sind auf einer 900 Meter langen Strecke hinauf zum Pferdskopf zu absolvieren.
Vulkanisches Gestein durchzieht die Bergpassage und garniert die Steilflanke in beeindruckender Art und Weise – am langen Ende ein Feeling wie im Hochgebirge. Bevor man den Gipfel erklimmt, lohnt ein Abstecher zu einem vorgelagerten Felsvorsprung, dem Karfreitagsstein. Gemäß Überlieferung dreht sich diese Gesteinformation dreimal um die eigene Achse wenn das Karfreitagsgeläut der unten liegenden Kirchen herauftönt. Aber auch ohne Drehmoment ist allemal der Panoramablick in das weitläufige Rhönareal beeindruckend.
Vorbei am markanten Kreuz ist rasch der Gipfel des Pferdskopf erreicht. Hier oben herrscht reger Betrieb. Aktive Gleitschirmflieger starten von hier oben, Fachexperten und staunende Laien flankieren die Rampe des Startplatzes. Vis a vis erhebt sich die Wasserkuppe. Geologisch betrachtet ist der Pferdskopf nichts anderes als der südwestliche Ausläufer des Wasserkuppenplateaus. So herrscht auch ein reger Passantenverkehr zwischen Wasserkuppe und Pferdskopf. Gigantisch natürlich die Tiefenblicke in das Umland. Auch wenn wetterlagenbedingt die Weitsichtmöglichkeiten an diesem Tag eingeschränkt sind, so kann man sich ausmalen, welche weitreichenden Perspektiven von hier oben möglich sind.
Pferdskopf – Wasserkuppe. Nach 15 Minuten ist das markante Wahrzeichen, mit dem mächtigen Radom erreicht. Der ehemalige militärische Horchposten ist als Wahrzeichen der Wasserkuppe verinnerlicht, steht heute unter Denkmalschutz und wird auch als Standesamtlocation verwendet.
Unterhalb der Anlagen des Deutschen Wetterdienstes befinden sich zahlreiche Einrichtungen für alle fliegenden Bedürfnisse. Seit 1910 Darmstädter Studenten erstmals die Wasserkuppe mit Segelfluggerät annektierten, hat sich hier in eine regelrechte Fliegergeneration entwickelt. Motorflieger, Segelflieger, Drachen- Gleitschirm- und Modellflugexperten geben sich hier die Hand. Gleitschirmfliegen an einem Wochenende lernen – kein Problem.
Ein Wanderer des Odenwaldes kehrt jedoch bevorzugt in die hier befindliche Schankstube ein, um als Gipfelbier ein standesgemäßes Hopfengetränk vom benachbarten heiligen Berg der Franken, dem Kloster Kreuzberg, zu genießen. Kernig süffig das Bier – nach einigen Schöppchen dieses Trankes könnte man hier auch ohne Fluggerät abheben.
Wohl gestärkt geht es nun abwärts zum nächsten Wanderhighlight. Zunächst erreicht man nach einem knappen Kilometer die Quelle der Fulda die hier oben entspringt, um nach 220 Kilometern in der Weser zu entwässern. Die umliegende Flora belegt eindrucksvoll, wie wasserreich diese Region hier ist. Übrigens ist das Wasserkuppenareal auch das feuchteste Niederschlagsgebiet in Hessen.
Ist man im Odenwald schon verwöhnt von den erdgeschichtlichen Gesteinsformationen wie beispielsweise das Felsenmeer so kann man auch in der Rhön geologische Besonderheiten bestaunen. Ob Fuchsstein oder Teufelsstein, ob basaltbrockendurchzogene Waldabschnitte, ausgezeichnete und spektakuläre Wanderabschnitte kann man auf den nächsten Kilometern regelrecht genießen.
Bald ist das nächste Highlight des Tages, das Rote Moor, eines von insgesamt vier Hochmooren, die in der Rhön gelegen sind, erreicht. Hier wurde von 1809 insgesamt 175 Jahre lang Torf abgebaut. Auf einem drei Kilometer langen Rundweg, davon 1,2 Kilometer als rollstuhlgerechter Bohlenpfad ausgelegt, kann man durch den eindrucksvollen Karpatenbirkenwald wandern. An Wochenenden herrscht hier reger Betrieb. Durchaus einzigartig ist dieses Areal im Biosphärenreservat der Rhön. Direkt am Roten Moor liegt auch ein NABU-Haus mit angeschlossener Gaststätte. Sehr zu empfehlen ist hier die Einkehr zu einer Mittagsrast.
Lange hallen noch die Eindrücke der Moorlandschaft nach –jedoch die Passage ist noch nicht zu Ende. Zunächst geht es durch eine waldreiche Passage abwärts zum Schwedenwall, eine Landwehr aus dem 30jährigen Krieg. Nur noch ansatzweise kann man mit Hilfe von Informationstafeln den Verlauf des ehemaligen Walls nachvollziehen.
Wenn man glaubt, dass es ab Wasserkuppe nur noch abwärts geht, so hat man sich gewaltig getäuscht. Standesgemäß geht es in der Rhön auf und ab. Vom Schwedenwall an geht es weiter aufwärts zur nächsten Kuppe, dem 888 Meter hoch gelegenen Himmeldunkberg. Hier ist auch der hessisch/bayrische Grenzverlauf zu finden, wie die hier oben befindlichen Grenzsteine belegen. Der Name des Berges ist äußerst ungewöhnlich, letztendlich handelt es sich um karthographische Fehlübersetzungen der ursprünglichen Namensgebung „Hugimuot“. Ungeachtet dessen, von hier aus kann man auf den gegenüberliegenden Kreuzberg blicken, bevor es weiter in nördlicher Richtung zum Simmelsberg, dem letzten Höhenplateau der heutigen Passage geht.
Ein letzter Tiefenblick auf das untenliegende Rodenbach und Gersfeld, bevor eine sehr steile Felspassage abwärts in das Gersfelder Land führt. Nach knapp 44 Kilometern und 1.355 Höhenmetern ist der Ausgangspunkt dieser faszinierenden Rundtour wieder erreicht.
Der Wasserkuppenrundweg, die geeignete Einstiegsdroge für die wunderbare Wanderwelt in der Rhön. Selbstverständlich kann man auch der Empfehlung des Rhöner Touristenverbandes befolgen und diese Passage in zwei Abschnitte, unterbrochen mit einer Übernachtung auf der Wasserkuppe, aufteilen. Aus der Brille eines Langstreckenwanderers betrachtet liegt jedoch die nächste Herausforderung just nebenan, der 45 Kilometer lange Buchoniarundweg, ebenso bestückt mit zahlreichen Wanderhighlights – erwander- und erlebbar an einem ausgedehnten Wandertag.
Wirklich eine Klasse Tour mit vielen Highlights und Aussichtspunkten. Die 39km haben es dank einiger kräftiger Anstiege in sich. Die Tour ist sehr empfehlenswert! Vielen Dank für die tolle Wander-Idee auf dieser Homepage.