Mespelbrunn, der 27. Juni 2015
„Spessart – ja der Spessart, vorher hob I nur die Autobahnraststätten an der A 3 kennt“ antwortet Bap Koller verschmitzt auf meine Frage, wie es ihm denn im Spessart gefällt. „Aber Wald gibt,s hier – Waaald – Eichen und Buchen mei wie scheee“ schiebt der fichtenwaldgeprägte Urbayer nach, der im Herbst mehr als 200 Kilometer Wanderwege im fränkischen Spessart erkundete, um als Eventmanager im Auftrag der Bayern Tourismus Marketing GmbH (by.TM) die siebte Ausgabe der 24 Stunden von Bayern erfolgreich auf die Piste zu bringen.
Franken sind schon etwas Besonderes. Ein Franke ist zunächst ein Franke mit einem fränkischen Vadder und einer fränkischen Mudder, einem fränkischen Großvadder und einer fränkischen Großmudder und dann erst einmal gar nichts. So gehört das Wort Bayern auch nicht zwingend zu dem Erste-100-Worte-Schatz eines Frankenkindes – was übrigens auch in umgekehrter Reihenfolge gilt, je südlicher man in das herrliche Bayern kommt, und dort wo vereinzelt das nördliche Franken mit der nördlichsten Bastion „Aschebersch (Hochdeutsch Aschaffenburg) als Wurmfortsatz des bayrischen Hoheitsgebietes angesehen wird. Ungeachtet des gewachsenen Geplänkels ansässiger Volksstämme hat sich die Bayern Tourismus GmbH bewusst für die Bewerbung der unterfränkische Region entschieden, um Bayern und den Rest der Welt zu beweisen welch tolle Wanderregion das Räuberland eigentlich ist. Doch zunächst von vorne.
Freitag 26.6. spätnachmittags am Wanderparkplatz in Mespelbrunn. Bap Koller nagelt noch die letzten Schilder fest -insgesamt sind 2.000 Markierungen angebracht worden. Aus dem In- und Ausland (man spricht von sechs Ländern) sind die ersten der insgesamt 444 Teilnehmer schon angereist und holen Ihre Startpakete ab. Der jüngste gemeldete Teilnehmer ist 16, der Älteste 78 Jahre alt, wobei das Durchschnittsalter bei 39 liegt. Die Sponsoren präsentieren ihre Leistungspakete, die Fränkische Region, der angrenzende Odenwald der auch zum Spessart überlappt, und Ausrichter vergangener 24h-von Bayern-Events erinnern daran, wie schön ihre Region ist. Parkplätze sind rar in der talengen Kommune, die bis 1938 Neudorf hieß und erst dann den Namen des hier ansässigen und weitbekannten Schlosses Mespelbrunn annahm. Aus dem Grunde hat man am Ortsrand Parkplatzzonen und einen Shuttleservice eingerichtet. Nach den vorausgegangenen drückend-schwülen Tagen zieht ein kurzer Schauer über das Wanderareal. Vorboten für den nächsten Tag? Die Vorhersage für den Samstag klingen nicht spektakulär. Schauer und Nachmittagsgewitter tagsüber, auflockernd am Abend, trocken in der Nacht und sonnige Aussichten am Sonntag.
Samstag 27.6. 7.30 Uhr Wandermarktplatz: Es pieselt nicht nur – es schüttet. Am Globetrotterstand gehen Regencaps wie geschnitten Brot. Nur zögerlich und nach Aufforderung verlassen die 444 Teilnehmer und 150 Medienvertreter / Sponsorenmitglieder die schützende Überdachung des Haus des Gastes, um sich am Startbogen aufbauen. Grundlegend verbreitet sich eine positive Grundstimmung unter den Teilnehmern. Wer freiwillig Geld dafür bezahlt, 24 Stunden lang nichts anderes zu tun als zu wandern, der schreckt auch nicht vor einem Regenguss zurück und erträgt auch mit gelassener Miene die herzliche und ausführliche Begrüßung durch den Veranstalter. Auch wenn es regnet, gerne lassen es die Oberbessenbacher Böllerschützen krachen, um die 24 Stunden von Bayern 2015 offiziell freizugeben. Bayrisch-zünftig – auch im Frankenland (!) werden die Protagonisten vom vornewegmarschierenden lokalen Musikverein Heimatklang Mespelbrunn herausgeblasen.
Moderat aber stetig auf den nächsten fünf Kilometern ansteigend geht es hinein in den Spessartwald. Leidtragend natürlich die Betreuer der ersten Stationen, die mit viel Aufwand und Mühe sich vorbereitet haben und nunmehr den regenbedingt rasch durchziehend Hauptroß hinterherblicken. Aber schon der musikalische Gruß der Jagdhornbläser im verregneten Wald hat etwas mystisches. Vorbei an der Weihdelle, dort wo über den Lebensraum Wald informiert wird, ist nach einer Stunde Echterspfahl, ein markanter Punkt auf einem Spessarthöhenrücken erreicht. Der Name geht auf die Sage zurück, nach der drei Brüder der Familie Echter im benachbarten Odenwald als Raubritter tätig waren, sich immer wieder in den Spessart zurückzogen und sich aus Sicherheitsgründen an drei verschiedenen Orten ansiedelten. Ab und an trafen sie sich an diesem markanten Ort um neue Raubzüge auszuhecken und banden ihre Pferde an einem Pfahl fest, der mit drei Metallringen versehen war.
Zu kurz die zwischenzeitlich einsetzende Regenpause, auch die vierte Station am Holzlagerplatz Weibersbrunn steht im Wasser. Abgehärtet die dort präsentierten Moorschnucken, eine Spessartschafsrasse, die seit vier Jahren in der Region zur Beweidung eingesetzt wird. Weiter westwärts geht es zu eine der größten und langwierigsten Autobahnbaustellen der Bundesrepublik, der A3. Dass der Spessart durchzogen ist von Wegelagerern, Räubern und Gaunern belegt der Umstand, dass just an der neu angelegten Autobahnfußgängerbrücke eine Zollstation eingerichtet wurde. So wird die Wanderschar zunächst ausgebremst und im Rahmen einer menschlichen Personenvereinzelungsbarriere nur noch Lösung eines Passierscheins Richtung Weibersbrunn durchgelassen. Matsch und rote, sandsteinlastige Erde entlang der Bautrasse optimieren dabei das Erscheinungsbild der Wanderhosen. Da kann man zumindest zu Hause angeben, welche Torturen man auf sich genommen hat. Bald ist die nächste Verpflegungstation am Waldesrand bei Weibersbrunn erreicht. Gern genommen werden die süßen und herzhaften Spezereien aus dem fahrbaren Backofen. Warme Teigware mitten im Spessartwald belegt, dass auch unter Räubern die Devise gilt: „Fresse und saufe hält Leib und Seel zusamme“. Apropos Verpflegung. Der Verdacht liegt nahe, dass angesichts der Hülle und Fülle der eingerichteten Verpflegungsstationen die Gefahr gegeben ist, mehr Kalorien nach Hause zu bringen, als auf der Strecke zu lassen.
Einen Kilometer weiter werden die Wanderer mit Müsli und Kettensäge begrüßt. Unter den Kuhglockenspielklängen haben nicht ausgelastete Walker die Gelegenheit radelnd einen Baumstamm zu zersägen, als sinnvolle Option, seine Kalorien abzubauen. Schlag auf Schlag die nächsten Stationsspunkte. Am Breitsee bei Kilometer 12 ist Holzkunst mit der Kettensäge angesagt, das Arberland (24h-Veranstalter von 2010) ruft sich bei Kilometer 13 am Hafenlohrblick mit einem alkohollastigen Glücksrad zurück in Erinnerung, selbst hergestellte Kräuterfußbäder erfrischen die Teilnehmer bei Kilometer 14,5 und bei knapp 16 Kilometern ist die Spessarter Schlemmermeile in Rothenbuch aufgebaut. Mittlerweile ist das Regenband durchgezogen und immer mehr setzt sich die Sonne durch. Die für Nachmittag avisierte Gewitterfront hatte sich glücklicherweise im benachbarten Odenwald ausgetobt, dort wo man schwerste Gewitter und Hagelschläge zu verzeichnen hatte. Die lokalen Gastronomen haben auf der Schlemmermeile qualitativ hochwertige Kost aufgefahren und belegen damit, dass nicht umsonst Offenbacher Wochenendtouristen gerne in den Spessart reisen, wo man gut und preiswert einkehren kann. Einzig der Umstand, dass, obschon im Bierland Franken unterwegs, nur alkoholfreies Weißbier im Ausschank ist, sei an dieser Stelle als besondere Auffälligkeit darzustellen.
So geht es, leicht unterhopft, bei standesgemäßem weiß-blauem Himmel vorbei an der Heidelückentür, dort wo ein Wanderschäfer sein Zelt aufgeschlagen hat, zur ersten Wegscheide. Traditionell bietet der Veranstalter eine Tages- und eine Nachtstrecke an, beide über jeweils 37 Kilometer. Für all diejenigen die nicht ausgelastet sind ist tagsüber eine 12,6 Kilometer lange Zusatzrunde als Fitnessstrecke eingebaut. So entscheidet sich der südhessische Powerwalkertrupp das Angebot anzunehmen, um die offiziell bezeichnete „Wildsaurunde“ anzugehen. Auf schönen Pfaden geht es via Lehmkaute, Geißberg und Niklaskreuz zum Eichsee um dort wiederum auf die Tagesstrecke, die unter dem Titel „Ritter-Räuber-Händler“ aufgelegt wurde, anzuknüpfen. Hier erwarten uns schon die Hexen aus dem Ilztal, die im letzten Jahr die 24-Stunden-Veranstaltung ausrichteten. „Nicht ohne ein Stamperl“ so die Devise der Ilztalmädels, die eine mächtig gute Stimmung verbreiten. Für die Bio-Fraktion wird ein Zaubersud aus nicht näher spezifizierbaren Kräutern angeboten.
Kurz danach trifft man auf die nächste Station, dem malerisch gelegenen Hafenlohrtal – ein herrliches Naturschurschutzareal, welches bis 2008 noch als Stausee geflutet werden sollte. Eingetaktet in Zwei-Kilometer-Abständen geht es vorbei an einer Schmiedevorführung, an einer Kaffee- und Kuchenstation, an Hundetrainern um dann am Franzosengrund auf die Frankenwald-Weiber zu treffen, deren Ruf mittlerweile bei jeder 24h-Bayern-Veranstaltung vorauseilt. Man hört schon vom weitem, wo sich die Mädels niedergelassen haben. Lärmend und krakeelend wird ein Wanderer nach dem anderen begrüßt, wobei insbesondere die männliche Fraktion ihr Fett abbekommt. Nach einem Frankenwaldstamperl und einem progressiven Schlagabtausch geht es weiter zum Essiggrund, dort wo den Gästen ein Römerimbiss angeboten wird. Mostbrötchen und römischer Wein, Mulsum sind Grund genug an dieser Station zu verweilen, obschon noch der letzte Schnaps vom Frankenwaldweiberstand im Gaumen nachhallt.. Ein kurzer Berghügel und schon ist die nächste Station an der Zeugplatte erreicht, dort wo ein einheimischer Eisproduzent, ein Premiumeis aus eigener Produktion mitten im Wald zelebriert. Nachtisch muss eben auch sein. Der Spessart – nicht nur für Wanderfreunde, sondern auch für kulinarisch ambitionierte Genießer sehr empfehlenswert. Auf dem Restprogramm der Tagesstrecke, noch unglaubliche vier Kilometer ohne dazwischenliegende Verpflegungsstation. Erste Bedenken machen sich breit, ob damit verbunden die Notration im Rucksack angegriffen werden müßte….
Zwischendrin gelegen, das 600 Jahre alte malerische Wasserschloß Mespelbrunn, dort wo seinerseits die Schnulze „Das Wirtshaus am Spessart“ gedreht wurde. Just in time wird das Schloß von der gegenüberliegenden Sonne regelrecht illuminiert –schlichtweg perfekt. Am Schloßhof ist als Station eine fliegende Steinmetzhütte aufgebaut, wo man sich aus erster Hand über die fränkische Sandsteinbearbeitung informieren kann. Nach den letzten vier verpflegungslosen Kilometern hat der Veranstalter, um jeglichen Anflug von drohender Unterernährung, Mangelerscheinung und Skortbutanfällen Vorschub zu leisten, sich nicht lumpen lassen und ein mehr als opulentes Räuberbuffet am Wandermarktplatz aufgebaut. Einzig unberücksichtigt die Unterhopfungsprophylaxe und das in Bayern (pardon Franken die Red.). Nach 11 Stunden, quasi zur Halbzeit sind 50 Kilometer erfolgreich absolviert. Das Zwischenfazit: ein Riesenengagement des Veranstalters und den Botschaftern vor Ort, den Standbetreuern. Gut gewählte gangbare Strecken mit einem sehr dichten und beeindruckenden Aktionsprogramm. Die Grundstimmung und die Physis ist nach wie vor gut bis sehr gut- der morgendliche Regengruß ein zwar nicht eingeplantes aber unmaßgebliches Intermezzo – was höchstens dazu verleiten könnte, in der Rückbetrachtung damit haussieren zu gehen unter welchen widrigen Umständen man diese Herausforderung gemeistert hat. Proaktiv nach vorne gedacht blenden wir die Kilometer und die bereits absolvierten Höhenmeter aus, um sich daran zu erinnern, dass ausschließlich der Faktor Zeit die maßgebliche Bemessungsgröße ist und der spannendste Teil einer 24-Stunden-Veranstaltung, die Nachtstrecke, noch vor uns liegt.
Nach einer einstündigen Rast geht es weiter auf die Nachtstrecke. Vorbei am Langen Grund, dort wo Wanderer einen Teil der Strecke mit einer Seilrutsche absolvieren können, geht es zur 433 Meter hoch gelegen Hohen Wart, einem beliebten Ausflugsziel im Spessart. Hier präsentiert sich unter anderem die längste Modemeile Deutschlands, Leitersbach, mit einer historischen Schneiderwerkstatt. Entlang des Spessartweges geht es weiter zum Odenwaldblick, dort wo man von der Neunkirchner Höhe bis zum Feldberg im Taunus in das benachbarte Hessenland blicken kann. Nebenan aufgebaut ein Mittelalterlager. Keinen Kilometer weiter entfernt ist der Aussichtsspunkt Volkersbrunn mit spektakulären Blicken in die Rhein-Mainebene und einem herrlichen Sonnenuntergang. Für uns leider eine Viertelstunde zu spät – jedoch man kann eben nicht auf allen Hochzeiten gleichzeitig tanzen. Weltklasse das vor Ort angereichte selbstgebackene Brot mit einem Schmalzaufstrich. Wenn man dazu ein ordentliches Weißbier hätte…. es wären paradiesische Zustände.
So geht es in die Nacht und in den dunklen Spessartwald hinein. Auf einem schönen Panoramaweg mit Blick auf Heimbuchental führt der Streckenabschnitt zum Heimathenhof Hotel, dort wo eine sensationell gute Wildschweinleberkässemmel auf den ausgehungerten Wanderer wartet. Das weitreichende Areal der Hotelanlage animiert viele Wanderer länger zu verweilen. Da unweit des Hotels ein Busshuttleservice eingerichtet ist, mag es nicht verwundern, wenn man den sattsamen Beschluß faßt, hier die Wanderung in angenehmer Atmosphäre ausklingen zu lassen. Wildsauleberkässemmelgestärkt geht es weiter zur Kreuzung Schwansee, dort wo sich ein regelrechtes Lumpenpack den Wanderern in den Weg stellt. Überfall durch die Spessarträuber. Es wird gelärmt, geschossen und überfallen. Wer kennt nicht die Spessarträuber, die bis ins 18. Jahrhundert ihr Unwesen getrieben haben. Die Menschen im waldreichen Spessart waren früher sehr arm und die Not war groß. Viele zogen vagabundierend umher, raubten und plünderten und zogen sich in die engen Schluchten und dichten Wälder zurück. Idealvoraussetzungen für die Gauner und Steilvorlage um im 21. Jahrhundert aus dem Räuberland eine heute erfolgreich plazierte Marke zu positionieren. Die postmoderne Räubergruppe besteht aus sechs Räubern und ist mit alten historischen Gewehren und Pistolen bewaffnet. Auch ein Strick zum Fesseln und Aufhängen der Wanderleute haben sie dabei. Nach dem Überfall und der Gefangenennahme wird üblicherweise jeder Gast von den Spessarträubern auf eine Bank gelegt, festgehalten und mit Fusel, einem bekannten 36-prozentigen Sauschnaps durch einen Trichter angefüllt. Nach dem Schwur, die Räuber niemals zu verraten und immer nach allen Regeln der Kunst zu unterstützen, werden die Gefangenen im Regelfall wieder freigelassen, sofern sie vertrauenswürdig genug erscheinen.
Der Räuberbande in Frieden entkommend geht es weiter, vorbei an einem philosophischen Waldbewohner und einem Klangteppich aus Waldgeräuschen zu den Jagdhornbläsern am Bildstock Künzbach. Ein bemerkenswertes Klangerlebnis, was die Nachtwanderer hier erwartet. Schwer beeindruckt von den vielschichtigen Eindrücken der letzten Kilometern geht es hinab nach Hobbach. Dort in der Kirche Mariä Heimsuchung, die für die Wanderveranstaltung ihre Pforte öffnete, lohnt eine Einkehr für einen Moment der Besinnung und innere Einkehr. Eine wohltuende Phase der Stille unterlegt mit vorgetragenen Fürbitten im Kontext des Wanderns. Vorbei an der Festhalle Hobbach, dort wo just an diesem Tag das heimische Wiesengrundfest gefeiert wird, geht es auf einem Dammweg, den Wiesenweg nach „Kloa Paris“ namens Eschau. Selbst zur nachtschlafenden Zeit ist die Ernährung des Wandervolkes auch dort sichergestellt. Jeder Wanderer wird mit einem Salzgebäck, einem „Kloa Pariser“ begrüßt, um den schweißbedingten Salzverlust zu kompensieren. Kraftfutter für den kommenden Anstieg zur Geishöhe. Mithin der schönste Streckenabschnitt auf der Gesamtstrecke, der Alte Schulweg, steht an. Seit der Besiedlung der 520 Meter hoch gelegenen Geishöhe vor fast 300 Jahren gingen die Kinder die zur Schule mussten, den drei Kilometer langen und 300 Höhenmeter betragenden felsigen Weg bei jedem Wetter und zu jeder Jahreszeit auf- und abwärts. Der Pfad war nicht von Schneefall geräumt, der schmale Steg über den Dammbach hatte kein Geländer. Erst als 1968 Kinder streikten, übernahm die Gemeinde den Transport der Schulkinder. Heute wo ausgewachsene Schulkinder mit dem SUV bis zur Schulpforte gefahren werden, schlichtweg unvorstellbar. Auch wenn es dunkel ist, herrlich die Steinplatten und Steinobelisken entlang des Erlebnis-Wanderweges.
Obschon viele Mitwanderer auf diesem Streckenabschnitt die letzten Körner gelassen haben und dankbar sind, dass oben eine Bushaltestelle eingerichtet wurde, ist alleine dieser Abschnitt eine regelrechte Einladung dieses Gebiet im Hellen einmal eingehender zu ergründen. Ein Kilometer vor der Geishöhe werden die Nachtschwärmer vom Dammbacher Chor mit einer außergewöhnlichen und sehr bemerkenswerten Sangesleistung begrüßt. Nach einer kurzen Wasserrast geht es unter den Klängen des Chores zum Schlußanstieg hinauf auf die Geishöhe. Hier hat der Spessartbund den Ludwig-Keller-Turm geöffnet. Trotz die vom Veranstalter beworbenen traumhaften Nachtblicke auf die beleuchtete Skyline von Frankfurt fehlt, wie bei den Meisten, der Elan die sechzig Stufen zu erklimmen. Verlockender die angebotene heiße Suppe als Kraftspender für die noch kommenden Kilometer.
Auf der Geishöhe gegen 2.15 Uhr. Das südhessische Powerwalkerquartett splittet sich auf. Zwei Wanderfreunde entscheiden sich die restliche Strecke – 12 Kilometer- geruhsamer anzugehen. Für all diejenigen, die den Hals nicht vollbekommen haben, die auf der Geishöhe die zweite Luft spüren, und die wandertechnisch schon im Automodus laufen, hat der Veranstalter die Frühtaustrecke mit 10 Zusatzkilometern eingebaut. Der Bauch sagt ja – der Verstand nein – ab und zu sollte man seiner Intuition folgen. Gemeinsam mit der Münsterer Powerwalkerin Doris, die erstmals an einer 24-Stunden-Wanderung teilnimmt, entscheide ich mich für das Projekt: “wennschon – dennschon”. Da der Zeitkanal noch stimmt, 22 Kilometer machbar erscheinen, und die Nacht in toto kurz ist, geht es weiter. Zunächst permament abwärts als herausfordernde Knochen- und Kniemassage. Nach drei weiteren Kilometern ist ein regelrechter Massage- und Wellnesstempel mitten im Wald eingerichtet. Ein herrliches Ambiente und die unverhohlene Botschaft „Hier ist das eigentliche Ziel schon erreicht“. Sehr verlockend einen warmen Platz an den Feuerstellen, der Wartezone für den aufwändig gestalteten Massagebereich im Wald einzunehmen. Wir avisieren stattdessen unsere nachrückenden Wanderfreunde, verbunden mit der Bitte Selbige einfühlsam und achtsam zu behandeln und ziehen weiter abwärts, Maria Sternplatz kreuzend, hoch zur Gegenflanke, dort wo nach weiteren vier Kilometern der Abzweig zur Frühtaustrecke ausgeschildert ist. Ein Hallo-mach-mich-wach-Kaffee am dortigen Globetrotterstationspunkt gibt dabei noch einmal zusätzlichen Auftrieb.
Langsam sind erste Lichtstreifen am östlichen Himmel erkennbar, wobei der dichte Spessartwald nach wie vor den Lampeneinsatz erfordert. Grund zum Heulen gibt es nicht, obschon der Veranstalter die Frühtaustrecke unter dem Leitmotto „Wo der Wolf heulte“ ausgeschildert hat. Der Hinweg unspektakulär auf breiten Wirtschaftswegen ohne Aussichtsmöglichkeiten – interessanter hingegen der Abschnitt nach der Spitzkehre, dort wo man zwei Kilometer später in eine langgezogene Furt einsetzt, die durch frischeste Wildsschweinspuren belegt, dass wir nicht die Einzigen sind, die auf diesen Abwegen unterwegs sind. An der Waldeslichtung eröffnen sich neue Perspektiven. Die von der Gegenseite aufsteigende Sonne, die vom Boden aufsteigende Restfeuchte und die dampfenden Waldseenebel belegen einmal mehr, dass es sich durchaus lohnt zu diesen Zeiten in der Natur unterwegs zu sein.
Gerne genommen wird der Tee am Waldsee, verbunden mit der Perspektive, dass ein Kilometer weiter am Musikpavillon in Heimbuchenthal Kaffee und Brötchen als erstes Frühstück auf uns warten. So geht es dann weiter entlang des Kurparksees, vorbei am Adventuregolfplatz, dort wo zu früher Morgenstunde eine Heavy-Metal-Band die letzten müden Geister weckt, zum Wanderheim. Hier ist für den Endspurt ein Sektempfang vorbereitet. Nach wie vor gut in der Zeit, bietet sich ein Schwätzchen mit den dort versammelten Einheimischen an, die nach der langen Nacht ihr wohlverdientes Früh-Frühschoppenbierchen ziehen. Exakt nach 23 Stunden und 33 Minuten ist der Wanderparkplatz erreicht. Die Halle mittlerweile gefüllt, das Frühstücksbuffet gut frequentiert und mit Spannung wird der Abgesang, inklusive Verlosung und Bekanntgabe des nächstjährigen Veranstaltungsortes erwartet.
Eine fulminante und beeindruckende 24-Stundenwanderung ist zu Ende gegangen. 95 Kilometer mit 2.300 Höhenmetern, so keineswegs eingeplant, aber dennoch in guter Schlußverfassung und positiver Grundstimmung erfolgreich absolviert. Eher aufgedreht als angeschlagen. Zwar schmerzfrei aber mit müden Beinen behaftet. Sich hinzusetzen und sitzenzubleiben entwickelt sich zur Herausforderung – da nützen auch isometrische Beinübungen unter der Tischkante nicht viel. Dennoch ein dickes Kompliment – das war Räuberland unplugged, Spessart satt und Franken pur. Außergewöhnlich und beeindruckend, mit welchem Engagement und Herzensfreunde sich die Verbände, Kommunen Vereine und Organisationen engagiert haben, eingebettet und hospitiert durch den professionellen Schutzschirm des Tourismusverbandes Bayern. Die Standbetreuer haben einen Riesenjob gemacht – hier hat man sich wirklich wohlgefühlt. Und viele Beteiligte waren mehr als 24 Stunden im Einsatz – ein Aspekt den man auch nicht vergessen sollte. Für einige ungewohnt das zurückhaltende Auftreten des mitprägenden Gestalters, Bap Koller der ansonsten für die Einstimmung und für den Abgesang verantwortlich zeichnete – aber klar nachvollziehbar, da sich hier der Touristikverband Räuberland zusammen mit der Bayern Tourismus Marketing GmbH als hauptverantwortliche Gestalter präsentieren – und das in einer sehr gelungenen Art und Weise auch getan hat. Allemal wird der vormals unbekannte und unterschätzte fränkische Spessart bei den Teilnehmern in sehr angenehmer Erinnerung bleiben und hat bereits im Verlauf der Veranstaltung ein Merkposten für das kommende Jahr gesetzt, nämlich zum 24. Juli 2016, wenn eingeladen wird, zu den 12 Stunden im Räuberland. Ein Monat zuvor, nämlich am 25. Juni 2016 kann man sich für diese Veranstaltung bereits warmlaufen, dann heißt es nämlich „Grüß Gott und willkommen zu den 24 Stunden von Bayern 2016 in Mittenwald am Karwendelgebirge.“
Hallo Martin,
es ist wieder ein ganz toller Bericht mit passenden Bildern. Es hat richtig Spaß gemacht, war eine tolle Veranstaltung und sehr gut organisiert.Die 24 Stunden von Bayern haben Suchtpotential. Danke nochmal, dass ich die 24 Stunden mit Dir laufen durfte.
Hallo aus der Pfalz,
ein superschöner Bericht mit vielen Bilder – die 24 Stunden sind toll reflektiert, ich bin immer noch geflasht von der Atmosphäre, der tollen Organisation, den vielen positiven Eindrücken. Ein Highlight in meiner Wandersaison.
Herzliche Grüße an alle die dabei waren und vielleicht bis irgendwann wieder…
Super Bilder, super Bericht ich hab die Moorschnucken Station am Holzplatz betreut, durch euren live Blog hab ich einen Einblick bekommen was auf der Tages Strecke geboten wurde. Die Nachts war ich mit Freunden auf der Strecke unterwegs. Vielen Dank mit Grüßen aus Mespelbrunn Ernst.
Hallo Ernst,
stellvertretend für alle Betreuer und Aktiven an den Stationspunkten: Ihr habt einen Superjob gemacht. Dank und Gruß zurück. Martin
Hallo Martin,
Langer, aber sehr gutter Blogpost. Habe mir sehr gerne die Zeit genommen, deinen Bericht durchzulesen. Welcher Teil hat dir persönlich denn am Besten gefallen und kannst du für zukünftige Wanderungen weiterempfehlen? Danke dir!
Hallo Marianne,
Aus meiner Sicht ist insbesondere die Nachtroute besonders attraktiv und lohnenswert auch beim Hellen entdeckt zu werden. Normalerweise hat man im dicht bewaldeten Spessart wenig Gelegenheit weitreichende Aussichten zu genießen. Die angebotene Nachtstrecke inklusive den spektakulären historischen Schulweg und den Höhenpfaden ist unter diesem Aspekt besonders zu empfehlen.
Beste Grüße
Martin
Beste Grüße
Martin
Vielen Dank für die schönen Bilder. Sie ergeben mit dem Bericht einen guten Ergänzung zu unseren eigenen Erlebnissen und Aufzeichnungen.
Grüße aus OWL
Frank
Hallo Martin,
super Bericht, tolle Bilder, ich finde auch, wir waren ein cooles Laufteam. Es hat Spaß gemacht den Bericht (den ich heute nach einem Tipp von Michael erst entdeckt habe) zu lesen und die Tour nochmal Revue passieren zu lassen. Ich freue mich schon auf die nächste gemeinsame Tour am 22.4. durch das Umstädter Land. Beste Grüße vom 4 Mann des “Odenwälder Powerwalkerquartetts”. Jochen
Hallo Jochen,
Danke für die Blumen, das war schon eine Supertour. Und unser Heimspiel am 22.4 wird auch genial – haben wir schließlich auch selbst organisiert. Bis dahin eine gute Zeit
Martin