Gelnhausen, den 14. März 2015
Drei Etappen, zwei Tage, so das Wochenendprogramm Mitte März. Auch wenn das Frühlingsintermezzo der vergangenen Woche vorbei ist, für ein Pilgerweg ist nahezu jeder meteologische Zustand annehmbar. Gestartet wird in Gelnhausen, um vom dortigen talseitig gelegenen Bahnhof die einzigen nennenswerten Steigungen der Tagesetappe bis nach Bruchköbel zu erklimmen. Quer durch die sehenswerte historische Unter- und Oberstadt geht es durch das Obere Holztor vorbei am schmuck anzusehenden Bergschlösschen hinein in den Büdinger Wald. Am Rande des prächtigen Buchenwaldes sind noch Restspuren eines ehemals hier blühenden Weinanbaus erkennbar. Auf schönen Waldwegen geht es stetig aber moderat bergan durch den Gelnhäuser Stadtwald.
Nach knapp fünf Kilometern öffnet sich die Landschaft. Hinter der Kommune Roth hat man bei klarer Sicht die Chance bereits hier die Skyline von Frankfurt in Fokus zu nehmen. Vorbei an einem Jakobswegshommagegraffito in einer Bundesstraßenunterführung geht es nach Niedergründau. Entlang einer alten Friedhofsmauer führt der Weg zur sehr markanten Bergkirche, deren Fundamente bereits 1150 gesetzt wurden. Ein besonderes Schmuckstück ist die Ratzmann-Orgel. Ratzmann ist eine bekannte aus Thüringen stammende Orgelbauerfamilie die seit 1792 mehr als 170 Kirchenorgeln bauten. Die Gesamtanlage nebst historischem Küster- und Brunnenhaus ist tadellos in Schuß gehalten.
Gastronomisch gesehen erinnert jedoch das Angebot in Niedergründau und im benachbarten Rothenbergen eher an eine Sahelzone. Glücklicherweise bietet jedoch ein Multifunktionscafe die Möglichkeit ein zweites Frühstück einzunehmen. Vorbei an einer ungewöhnlich gebauten zehnwandigen katholischen Kirche, erbaut in den 60er Jahren, führt der Weg durch Niedergründau hinauf zum Galgenberg. Von hier aus hat man einen herrlichen Rundumblick auf die Ausläufer des Vogelsberges und das grüne Band der Spessartwälder. Hinter einem kurzen Waldstück ist in der Gemarkung Langenselbold die strategisch gut gelegene Ronneburg zu sehen. Deutlich sichtbar nun die Hochhäuser von Frankfurt. Folgt man den Originalpfad des Jakobsweges durch Langenselbold, wird man Wochenenden gnadenlos an geschlossenen Restaurationen vorbeigeführt. Dank eines Tipps einer Anwohnerin wurden wer freundlich im La Bella Positano begrüßt. Ein außergewöhnlich gutes italienische Restaurant. Im Tagesangebot die wahrscheinlich weltbeste Bärlauchpizza allemal eine dicke Empfehlung für hungrige Pilger. Wäre ich hier zu Hause, das wäre mein Lieblingsitaliener!
Olfaktorisch durch Bärlauch beflügelt geht es das Langenselbolder Dreieick unterquerend weiter nach Langendiebach . In diesem Areal wird die ehemalige Landwehr, der Limes überquert. Auf ruhigen Pfaden geht es weiter zur Tagesendstation nach Bruchköbel. Die 20.000 Einwohner zählende Kommune streckt sich mächtig im westlichen Teil des Main-Kinzig-Kreises. Die historische Jaobuskirche signalisiert vom weiten wo sich die historische Altstadt befindet. Nach 35 Kilometern ist das Tagesziel erreicht.
Am Folgetag schließt sich der Auslauf zum Tourenendziel, des Jakobsweges Fulda-Main an. Geruhsame über sehenswerte 30 Kilometer ohne erwähnenswerte Steigungen stehen auf der heutigen Wanderagenda. Aus verkehrslogistischen Gründen wird am Bahnhof Hanau-Wilhelmsbad gestartet. Die in Hanaus Kesselstadt gelegene ehemalige Kuranlage ist wahrlich eine Augenweide. Der Sage nach fanden hier gen 1709 zwei Kräuterhexen eine Mineralquelle. 60 Jahre später lies hier der Hanauer Graf eine Park- und Badeanlage errichten, wohlweislich finanziert durch die Entsendung Hanauer Soldaten an den das britische Königshaus. 1815 versiegte jedoch die Quelle und man karrte Heilwasser aus dem benachbarten Bad Nauheim an. Mitte des 19. Jahrhundert wurde der Kurbetrieb eingestellt. Dank Denkmalschutz wurde das gesamte Areal als Naherholungsgebiet entwickelt. Standesgemäß hat sich neben an die kleinballschlagende Golferzunft niedergelassen.
So geht es über die A661 nach Mittelbuchen zurück auf den Jakobsweges, und auf einem Verbindungsweg hinein nach Wachenbuchen. An der ansässigen Kirche kann man bemerkenswerte alte Grabplatten studieren. Weiter geht hinauf zur Hohen Straße der man sechs Kilometer bis nach Bergen-Enkheim folgt. Mithin die schönsten Aussichten kann man auf dieser alten Handelsstraße genießen. Rundumblicke satt. Taunus und Wetterau zur Linken , Spessart und Odenwald zur Rechten, ostwärts das markante Kraftwerk Staudinger , straight ahead die markante Frankfurter Skyline – etwas abgesetzt davon der schnittige Solitär der Europäischen Zentralbank. Auh Radler können sich auf dieser Strecke austoben. Hier verläuft die insgesamt 190 Kilometer lange Regionalparkroute RheinMain – eines der nächsten Wanderprojekte übrigens.
Nach einer Stunde ist, die Kleine Loh durchschreitend, Bergen-Enkheim erreicht. Rund um den Altstadtkern haben sich hier mächtig prächtige Wohnareale ausgebreitet, mit weitreichenden Blicken auf Downtown Frankfurt und die Rhein-Neckar-Ebene. Den Wallfahrtsweg folgend geht es hinab durch das Naturschutzgebiet Seckbacher Ried. Unzählig viele Kleingartenvereine als beliebter Fluchtort der geplagten Großstadtbewohner sind in diesem Areal angesiedelt. Vorbei am Bornheimer Hang, dort wo die Kicker des FSV Frankfurts den Ball hinterher jagen, geht es durch den Ostpark zum spektakulärsten Hochbau der Frankfurter Innenstadt, der Europäischen Zentralbank. Bereits drei Tage vor der offiziellen Eröffnungsfeuer rüsten sich Polizeiverbände, da sich neben freidlichen Demonstranten auch Krawallos angekündigt haben. Aufwändig wird ein weitreichender Stacheldrahtring um das Gesamtareal gezogen. Entlang des Osthafens, dort wo Penthauswohnungen wie die Pilze aus dem Boden geschossen sind (aktueller Quadratmeterspitzenpreis bis zu 15.000 EUR) geht es entlang des Mains zum Endziel der Gesamttour der St. Leonhardskirche am Eisernen Steg. Hier jedoch ein Deja vu zum Tourenstart in Fulda. Einst am Fuldauer Dom frühmorgens vor verschlossenen Türen stehend dokumentiert ein Schild “Kirche wegen Bauarbeiten bis Ende 2014 geschlossen”. Scheinbar ist der Bauzeitenplan nicht angepasst worden. So ist die Grabeskirche des Heiligen Leonhard, die als eine der wichtigsten Pilgerstationen am Jakubsweg nach Santiago gilt, nach wie vor nicht zugänglich.
So bleibt wohl oder übel nicht anderes übrig, als dort einzukehren wo die Gebetsbücher Henkel haben. Sehr zu empfehlen ist über die Mainseite vis-a- vis des Eisernen Steges, die urige Wirtschaft Gasthaus zum Eisernen Steg. Sympatisch der Chef des Hauses, Herr Nagel, der Aschaffenburger Schlappeseppel im Auschank hat und herzhaft über das Offenbacher Zonenrandgebiet lästert. Bodenständige Frankurter Küche, ein internationales Publikum und eine gemütliche Atmosphäre. Ein wohlverdienter Abschluß nach insgesamt 65 gelaufenen Kilometern in zwei Tagen. Ausdrücklich und besonders zu empfehlen ist der von Joachim Schulmerich veröffentlichte umfassende Wanderführer “Der Jakobsweg von der Fulda an den Main”, veröffentlicht im Cocon-Verlag.
Für all diejenigen die zehn Tage Lebenszeit übrigen haben ist eine Ring-Pilgerwanderung sehr zu empfehlen. Start in Mainz – entlang der Bonifatiusroute nach Fulda und von dort parallel westlich laufend zurück nach Frankfurt via Jakobsweg. All in 300 Kilometer – gangbar zu jeder Jahreszeit – Anregungen zu den Einzeletappen – hier in diesem Blog niedergelegt.
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