Fürth, 12. Oktober 2014
Schön, schöner, am schönsten. Es fällt leicht in Superlative zu schwelgen, wenn man einen der längsten Hauptwanderwege des OWK,s begeht. Zur besten Tageszeit, zwanzig Minuten vor Sonnenaufgang werden am Fürther Bahnhof die Wanderstiefel geschnürt. Bei allerbesten Wanderwetterkonstellationen (Nachttemperaturen 8 Grad, Tageshöchsstand von 20 Grad) sind für das Auge die denkbar besten wetterbegleitenden Szenarien zu erwarten. Das von Morgendunst eingehüllte Mittelgebirge, aufreißende Wolkenschichten unterlegt mit Sonnenszenarien die an Caspar Davis Friedrichs Gemälde “Wanderer über dem Nebelmeer” erinnern, frei nach dem Szenario: “Plötzlich durchbricht das Licht der aufgehenden Sonne den Nebel” – ein spannender Wandertag steht an.
Schnell ist der excellent markierte Pfad gefunden, um die Spur Richtung Tromm entlang des eingerichteten Kunstpfades aufzunehmen. Kurz hinter Fürth markieren erste Lichtfetzen am Firmament die Ankunft des Somnnenlichtes. Herrliche Lichtinszenierungen im Wechselspiel zwischen Nebelschwaden und Sonnenstrahlen belegen einmal mehr: “Der frühe Vogel fängt den Wurm”. Zügig geht es auf guten Wegen immer höher zur sechsthöchsten Erhebung des Odenwaldes, der 577 Meter hoch gelegenen Tromm (nähere Infos siehe unter “Expedition durch die Odenwaldhölle). Im Areal des Fahrenbacher Kopfes erste Anzeichen menschlicher Zivilisation. Hier haben Zeitgenossen einen angebrochenen Bierkasten gespickt mit vollen (!) Äbbelwoidosen und Bierflaschen niedergelegt. Der Wanderservice im Odenwald scheint zu greifen… Am Brandschneider Kreuz informiert eine Geoparktafel über das tragische Schicksal des Brandschneiders. Anno 1500: Zwei Käuzchen rufen, ein Wolf heult, einige Hexen versammeln sich an diesem Wegkreuz um ihre magischen Kreise zu ziehen. Da schleicht sich eine Gestalt heran, ein neugieriger Schneider. er versteckt sich unter einer Egge, da man nach dem Volksglauben darunter sicher ist vor bösen Geistern. Doch die Hexen entdecken ihn. Der Sage nach hätten ihn die Hexen auf ihren Hexenbesen wild zu Tode geritten. Glaubhafter erscheint die Version, dass das gute Schneiderlin einen derartigen Schreck bekommen hat, dass er den Herzblitztod an diesem Ort starb. Heute ist nur noch der Sockelstein des ehemaligen Kreuzes erhalten geblieben. Zwei Hammelbacher haben im Jahre 1975 das nun vorhandene Eisenkreuz errichtet.
Vorbei am Schardhof geht es auf dem Höhenweg Tromm. Nur der noch vorhandene Nebel verdeckt die an dieser Stelle herrlichen Aussichtsmöglichkeiten über die Rheinebene bis zur Pfalz. Vor dem Schardhof passiert man den vierseitigen Wegweiserstein. Die aufgebrachten Zeitgaben (Nach der Trom 1/2 Stunden etc) beziehen sich dabei auf die Geschwindigkeit eines Ochsengespanns. Ergo: Tempo reduzieren um in der Zeitachse zu bleiben…
Die Tromm, auch ein beliebtes Areal für Fußkranke bietet gute Einkehrmöglichkeiten bei bequemen Anfahrten. Ob Körperkunstatelier, Odenwaldinstitut, Goldschmiede oder Restaurationen, mittlerweile werden auf diesem Höhenzug eine Vielzahl von Freizeitgestaltungsmöglichkeiten angeboten. Entlang des Kunstpfades geht es weiter zum Irenenturm (siehe Bericht Exkursion Odenwaldhölle) der mittlerweile von den Nebelbänken freigegeben wurde. Unweit von hier befindet sich auch ein Grenzwall , wo drei historische Grenzgebiete zusammentreffen: Die Stelle wird markiert von einem Dreimärker ausweisend die Wappen der drei Besitzer: Die drei Sterne des Erbacher Grafen, das Mainzer Erzbischofsrad und die bayrische Raute für die Kurpfalz, die 1741 zu Bayern gehörte. Gut zu wissen dass wir im Kern alle Bajuwaren sind….
Ein kurzer Abzweig führt zum Irenenturm, der bis 2013 den Status als ältester begehbarer Aussichtsturm des Odenwaldes inne hatte. Dank Borkenkäfer, Fäulnis und einem leeren Säckel der Kommune Rimbach darf der Turm nicht mehr betreten werden. Zurück auf den Kunstpfad geht es oberhalb von Waldmichelbach, welches sich noch in den Nebelmantel eingehüllt hat, auf die Kreidacher Höhe. Nach zweieinhalb Stunden ist es nicht verboten im Cafe Sonneneck zu einem zweiten verstärkten Frühstück einzukehren. Wanderer, solltest Du vor 10.30 Uhr diese Restauration erreichen, so sei das Frühstücksbuffet ausdrücklich zu empfehlen. Wohlgestärkt geht es nach einer Leberwurst domierenden Atzung (beste Odenwälder Qualitätsware) auf dem Main-Stromberg-Weg weiter.
Die L 3210 querend geht es zur Galgenhöhe, vorbei am Waldschwimmbad hoch hinauf Richtung Kottenberg / Siedelsbrunn. Dank dem medizinisch belegten Energieschub mehrerer Leberwurstsemmeln sind rasch die Anhöhen von 530 Metern erreicht. Das die Luft hier oben gut ist, dokumentiert auch der Umstand, dass Siedelsbrunn seit 1967 ein staatlich anerkannter Luftkurort ist. Das ganze Areal, der Überwald mit seinen drei Gemeinden Waldmichelbach, Grasellenbach und Absteinach bildet die Grenze zwischen dem Vorderen- oder Kristallinen-Odenwald, zu dem noch der Trommrücken und die Höhen westlich von Ober-Absteinach gehören und dem Hinteren oder dem Buntsandstein-Odenwald.
Woher der Namer Überwald kommt ist wissenschaftlich nicht belegt. Eine Erklärung scheint sich durch die Lage zu ergeben: Schaut man vom Weschnitztal nach Osten, empfindet man den langgestreckten Gebirgsrücken der dicht bewaldeten Tromm als trennende Barriere und bezeichnet die Bevölkerung jenseits der Tromm als “Überwälder”, was nicht zu verwechseln ist mit “Hinterwäldler”! Fakt ist: der Überwald ist eines der schönsten und abwechslungsreichsten Wandergebiete im Odenwald.
Die nächsten knapp 20 Kilometer führen durch herrlichste Wanderpfade nach Neckarsteinach. Eine Vielzahl von Grenzsteinen und historischen Wegesteinenbelegen, dass es sich bei diesem Streckenabschnitt um einen alten Handels- und Hauptweg handelt. So geht es beispielsweise vorbei am “Zollstock” in der Siedelsbrunner Gemarkung. Zu sehen ist dort ein Markerungsstein der auf dem Kopf die Inschrift “Zollstock” trägt. An dem markanten Sieben-Wege Kreuzungspunkt trägt ein verwitterte Sandstein auf dem Kopf die Inschrift “Zollstock”, die Seitenflächen sind als Wegweiser beschriftet. Bezüglich der Inschrift gibt es mehrere Theorien: ( hier verlief von ‘Franconodal’ (Frankelweg, Unter-Schönmattenwag) führend, die im Lorscher Urkundenbuch beschriebene Grenze der Mark Heppenheim; die Zollgrenze war zeitweise die Grenze zwischen Kurmainz und Kurpfalz; in dem Stein soll einst der Schlagbaum geruht haben . In einer anderen Sage wird Folgendes berichtet: Wenn es frisch geregnet hat wird auf der einen Seite eine Schere sichtbar. Hier soll seinerseits eine Näherin erschlagen und als Sühne für diese Freveltat ein Bildstock errichtet worden sein. Von diesem Gedächtnismal ist aber nichts mehr erhalten, als der ein Meter breite Sockelstein mit dem geheimnisvollen Zeichen der Schere.
Weiter geht es zum nächsten geschichtsträchtigen Ort, den zwei Kilometer entfernten Adlerstein. Der Dreimärker, der die Interimsherrschaft von Karl Theodor von der Pfalz über das ‚Heilige Reich Deutscher Nation‘ dokumentiert, gehört zu den wertvollsten Grenzsteinen im Odenwald. Das Original befindet sich seit 1971 im Waldmichelbacher Museum. Auf der einen Seite des Steines befindet sich der Doppeladler des alten Reiches (daher auch der Name „Adlerstein“). Auf dem Kopf des Grenzsteines steht ‚Ge-lait-stein‘, ein Hinweis dafür, dass dieser Grenzstein auch Grenze des Geleitschutzes für Kaufleute war, also den Endpunkt des kurpfälzischen Geleites bezeichnete, um den Reisenden darauf aufmerksam zu machen, daß er sich nunmehr um anderweitiges Geleit zu bemühen habe. Wie herrlich ist es doch im 21. Jahrhundert ohne Geleitschutz durch die Wälder ziehen zu können.
Weiter geht es zum Parkplatz Eichköpfl. Die Straße querend geht es geradeaus auf dem “Oberen Kreutzeichenweg” wieder aufwärts. Auf einem Höherücken zwischen dem Steinachtal und dem Ulfenbachtal geht es auf traumhaft schönen Pfaden zur Wegspinne an der Wolfsgrube. Dieser Weg ist einer der schönsten Waldpfade des Odenwaldes überhaupt. Ein subkontinentaler Ginster-Eichen-Buchenwald, Farne, dichte Wildsträucher, ein Eldorade für Hundertschaften von Wildschweinen, wie die Oberflächenverwüstungen auf den Grüdstreifen entlang des Wanderwegs dokumentieren. Unzählige Wegsteine belegen die historische Bedeutung dieser Wegstrecke. Hinter der Wolfsgrube lichtet sich der Wald und gibt Blicke auf die gegenüberliegenden Neckaranhöhen frei. Hier kreuzt sich auch der Weg zum Neckarsteig, wie Hinweisschilder und Markierungen belegen.
Vor dem Abstieg nach Neckarsteinach empfiehlt sich unbedingt eine Einkehr in die Mannheimer Hütte, die von der OWK-Ortsgruppe Mannheim betrieben wird. Eine herrliche Außenterasse mit Blicken auf die gegenüberliegende Seite des Neckartals zwingt jeden normal denkenden Wanderer regelrecht sich hier niederzulassen um bei einem frischen Weißbier über die Herrlichkeit des Odenwaldes nachzudenken. Dem umsichtigen OWK-Ortsgruppenvorsitzenden Claus Kirsch ist es zu verdanken, das die Hütte in dieser Form weiter betrieben wird. Ein Prosit auf Claus!
Nach herrlichen 40 Kilometern und über 1.000 Höhenmetern ist das Tagesziel, Neckarsteinach erreicht. Mit einer Transferzeit von 1:26 Stunden geht es für 9.30 Euro per Bahn und zweimaligen Umstieg via Heidelberg und Umstieg in Weinheim zurück nach Fürth. Bequemer und günstiger geht es nur zu Fuß…
In der Gesamtbetrachtung eine außergewöhnliche und erlebnisreiche Wanderung. Bemerkenswert, dass man in drei Tagen auf herrlichsten Pfaden vom Main zum Neacker pilgern kann. Einzig zu beachten dass bedingt durch die geringe Besiedlingsdichte auf dieser Etappe eine hin-und ausreichende Rucksackverpflegung mitgenommen wird. Fortsetzung Richtung Stromberg folgt alsbald.
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