Von der Todeslinie zur Lebenslinie

Fulda, 4. Oktober 2015

Point Alpha. Trefflicher hätte der Startpunkt des  21. Fuldaer IML Marsches  anlässlich der 25jährigen Wiedervereinigung Deutschlands nicht sein können.  Mehr als vier Jahrzehnte trennte der Eiserne Vorhang das geteilte Deutschland. Bis zum Herbst 1989 ließ die DDR-Führung die Grenze militärisch abschirmen. Jedoch, Grenzen trennen – Natur verbindet. Mittlerweile entwickelte sich der  Todesstreifen zu einem Grünen Band –  ein  Rückzugsgebiet für seltene Tier- und Pflanzenarten einerseits und Wanderziel andererseits.

Doch zurück zum Startpunkt. Seit 21 Jahren richten die Volkssportfreunde Fulda den deutschen IML-Marsch aus. IML steht für International Marching League Walking Association und ist ein Zusammenschluß von 27 Ländern, die jeweils jährlich zu einer internationale Langstrecken-Wanderveranstaltung einladen. Üblicherweise startet das jährliche Wanderweltevent im März in Israel und wird  im November in Indonesien beendet. Im deutschprachigen Bereich wird neben Fulda jährlich nach Bern und nach Seefeld(Leutasch) eingeladen.  An insgesamt drei Tagen begrüßten die Veranstalter  3.947 Teilnehmer, darunter Gäste aus Australien, Japan und Kanada. Bemerkenswert  die wanderfreudigen Niederländer, die  mit 413 Wanderern die größte Gruppe stellte.

Eine Besonderheit: Bei der Veranstaltung handelt es sich um einen Zivil-Militärischen Marsch. Angeboten werden unter anderem zwei verschiedene Marathonstrecken. Traditionsgemäß wird man samstags per Bus in das Fuldaer Land gefahren, um zurückzulaufen, sonntags ist eine Rundstrecke im Angebot. Nach den Auszeichnungsbedingungen erhalten alle Teilnehmer, die an beiden Tagen mindestens 21 Kilometer absolviert haben eine Medaille – für Wanderer, die älter als 70 Jahre sind genügen hierfür  2 x 11 km.

Am Schluß jeder nationalen Veranstaltungen erfolgen umfangreiche Auszeichnungen. Wer acht Veranstaltungen in der Pan-Pacific-Region oder in Europa absolviert hat darf sich als Pan Pacific Walker oder als European Walker auszeichnen lassen. Wer in den acht Gründungsländern mitmarschiert ist, wird mit dem Titel International Master Walker geehrt. Und Global Walker, darf sich jeder nennen der 75% oder 10 IML Touren in jeder Region (Pan und Europa) absolviert hat. So ist es eine Ehre als Odenwälder Powerwalker im Kreise weltweit aktiver Master- und Globalwalker mitlaufen zu dürfen.

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Auszeichnungsorgien
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Global- Masterwalker bitte hier melden
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Konvulat eines Ordenssammlers

Bereits um 5.30 Uhr ist reger Betrieb in der Fuldaer Black-Horse-Street, dort wo sich das Deutsch-Amerikanische Sportzentrum befindet, ein Überbleibsel der amerikanischen Truppenstationierung vor Ort. Eine Vielzahl des internationalen Publikums campierte auf Feldbetten in der Sporthalle um frühzeitig am Start zu sein. Zwischen 6.15 Uhr und 8 Uhr nehmen Busse den Pendelbetrieb auf, um die Masterwalker zum diesjährigen geschichtsträchtigen  Startort, Point Alpha zu bringen. Die heutige  Gedenkstätte, der historische US-Beobachtungsstützpunkt, erinnert an die Zeit als hier im sogenannten „Fulda Gap“ jederzeit der Beginn eines Dritten Weltkriegs erwartet wurde und Point Alpha einer der wichtigsten Vorposten der NATO war. Nur einen Steinwurf vom Camp entfernt markieren der DDR-Grenzturm und die Rekonstruktion der Sperranlagen die Unmenschlichkeit der Grenze, die vierzig Jahre lang Deutschland, Europa und die Welt teilte. Allemal eine separate Erkundung wert ist das Grenzmuseum und die in Stand gehalteten Mahnmale der Geschichte. Auf dem ehemaligen Todesstreifen ist eine Skulpturenserie in Anlehnung an den biblischen Kreuzweg als  Stationen des „Weges der Hoffnung“ geschaffen worden.

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Internationale Wadelstudien
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Internationales Nachtlager
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Gutes Beiprogramm
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5.45 Uhr – 30 Minuten vor dem Start füllt sich langsam die Halle
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6.15 Uhr – de ersten Busse rollen an
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Professionelle Schwarzfahrerkontrolle: Stabsfeldwebel als Ticketkontrolleur

Vor Sonnenaufgang erreichen die ersten Busse die Gedenkstätte. Zögerlich gibt der Morgendunst die charakteristischen Rhönkuppen in der Umgebung von Rasdorf frei. Schön zu sehen im Streckenverlauf das markante Hessische Kegelspiel, eine Anordnung kegelförmiger Vulkane im nordwestlichen, flachsten Teil der Rhön.  Weite Blicke in die Landschaft bei offenen Grenzen, schwer nachvollziehbar für einen Ortsunkundigen der Ausblick für mehr als 25 Jahren an gleicher Stelle.

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Point Alpha Gedenkstätte
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Mittlerweile ein tolles Wanderareal

Die ersten vier Kilometer führen entlang des Grünen Bandes am ehemaligen Todesstreifen vorbei am benannten Skulpturenweg. Internationale Marschverbände, zivile Walker aus allen Herren Länder, friedlich vereint die herrliche Landschaft genießen – das Leben kann einfach und herrlich ein. Interessant die Sprachvielfalt der man unterwegs begegnet. So gaben zunächst drei Highspeedwanderer ein Rätsel auf – phonetisch eine Kombination aus Schwedisch, Finnisch und Niederländisch – per Nachfrage auflösend: breiter flämischer Dialekt. Besonders zu bemerken, der Pathmaker des Trios läuft ausschließlich in Sandalen mit einem Schnitt von 7,5 Stundenkilometern! Stolz berichtete er, dass er letztes Jahr 400 Kilometer den South-Coast nur mit Sandalen allerdings ohne Socken gelaufen ist. Ein Offizier der Reserve hingegen beklagt das Stiefelmaterial und denkt gern an seine aktive Zeit zurück, wo das Material augenscheinlich besser war. So gibt er zu bedenken, dass viele Berufssoldaten mittlerweile privat ordentliches Schuhwerk kaufen um gut zu Fuß zu sein. Scheinbar fehlt es schon an den Basics, was durchaus bedenklich stimmt.

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Point Alpha Rundgang
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Gut aufbereitete Informationen am Grenzlehrpfad
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Relikte des kalten Krieges
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Frieden auf russisch
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Skulpturenweg
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Entlang des Todesstreifens
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Mystische Stimmung im Morgenlicht
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Weite Blicke in die Rhön
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Wachturmstatus: “Ausgedient”
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Internationale Walker in der Morgensonne
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Weite Blicke in das Land auch für die aus dem Fernen angereisten Haspelmoorer Fraktion
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Kontroll- und Verpflegungsstelle bei Haselstein
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Schloßberg mit Burgruine Haselstein

Von Rasdorf geht es nach Haselstein und von dort weiter nach Mackenzell. Die Wetterbedingungen schlichtweg hervorragend. In der Spitze liefert der Komet über uns Temperaturen von 23 Grad ab. So nimmt man gerne schattige Momente hinter Dammersbach auf, um zwischen Roßkuppe und Eichberg vorbei am Haunestausee bei Marbach zu einer Raststaion einzukehren. Via Dietershahn wird die A7 unterschritten um in die 21 Kilometer-Schleife nach Fulda einzuschwenken. Quer durch den Bischofssitz Fulda wird der Schloßgarten gequert um vorbei am Stadtschloß Richtung Dom gehend zum Deutsch-Amerikanischen Sportzentrum zurückzukehren.

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Eins, zwei, drei im Sauseschritt…
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Blick auf die Konrad-Zuse-Stadt Mackenzell
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Reinliches Volk: Samstags wird geschrubbt in Mackenzell
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Auch die laufende Truppe rastet gern
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Scheunenimpression in der Rhön
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Weite Blicke auf sanfthügelige Vulkankegel
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Altweibersommerimpression
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Flämische Masterwalker mit Marathonsandalenspezialist (M)
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In der Rhön… da ist es schön…
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St. Anna-Kirche zu Dietershahn
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Wohldossierte Mittagsjause bei Kilometer 37
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Fuldaer Stadtschloß im Schloßgarten
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Der Dom zu Fulda
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Erhaben trohnt Kloster Frauenberg über Fulda

Im Gegensatz zu manch einer IVV-Veranstaltung achten die Ausrichter penibel auf eine adäquate Kilometeranzahl. Nach dem Motto: “darf,s ein bisschen mehr sein” bleibt der Tagesstreckenzähler bei 45 Kilometern stehen. Angesichts der herrlichen landschaftlichen Ausblicke, waren die damit verbunden 846 Höhenmeter nicht wirklich spürbar.  Zweifelsohne sind IML-Trails etwas Besonderes in der Langstrecken-Wanderszene. Am nächsten Wochende wird die internationale Wanderschar in Barcelona begrüßt, wobei jedoch hier nur maximal 30 Kilometer Strecken angeboten werden. Long-Distance-Walker müssen sich daher um eine weitere Woche gedulden, wenn in Arlington Virgina USA zum 44 Kilometer langen US-Saturday-Freedom-Walk geladen wird. Und wem das nicht reicht:  am 25. Oktober stehen in Won-Ju Korea 50 Kilometer an… Keep on walking…

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Internationales Meeting am Ziel
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Und am Ziel die Urkunde…..
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Gut besetzte Halle bereits um 14.45 Uhr
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Es geht nichts über eine gepflegte Wanderrast am Ziel
Unbenannt
45 stramme Kilometer durch die Rhön

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