Bayern/Hessen , den 16. September 2022 – Aus der Wanderbrille betrachtet sind Grenzgänge immer spannend. So ist man durchaus mit einer gewissen Neugierde auf Entdeckungsreise, um historische Spuren aufzuspüren, Gemeinsamkeiten aber auch Unterschiede hüben und drüben des Grenzverlaufes zu entdecken. Wenn zudem noch kulturelle grenzüberschreitende Bande gepflegt werden ist das Wandererlebnis perfekt.
Immerhin 262 Kilometer lang ist die Binnengrenze zwischen Bayern und Hessen wobei die vielleicht markanteste Zollstation der beiden Länder im grünen Grenzbereich des Odenwaldes versteckt ist. Gestartet wird in Eulbach, einem Ortsteil von Michelstadt, dort wo vor mehr als zweihundert Jahren ein gewisser Graf Franz I. von Erbach zu Erbach ein Jagdschloss nebst Schlosspark errichten ließ. Während man im gegenüberliegenden Eulbacher Park gegen Eintrittsgebühr einige Wisente Wildschweine und Hirsche beobachten darf, kann man, wenn man der Graf-Eberhard-Allee folgt und das Wildgatter passiert, kostenfrei und ungehindert den gräflichen Jagdbestand bestaunen.
An der Kreisstraße 45 klinkt man sich ein in den siebzehn Kilometer langen Hubenweg der rund um das Hubendorf Michelstadt-Würzberg führt. Schon die Römer erkannten die strategische Lage auf diesem Höhenplateau und errichteten hier ein Kastell nebst Römerbad. Wald- und Feldzonen wechseln sich ab und am südlichsten Punkt dieser Tour unweit der bayrisch/hessischen Landesgrenze kann man den Standort der ehemaligen römischen Badeanstalt, die sogar über ein Schwitzbad verfügte, besichtigen.
Entlang der Landesgrenze führt der Hubenweg in Schleifen durch das Grenzgebiet, wobei offiziell der Hubenweg auf hessischem Areal verläuft. Vor dem Weiler Mangelsbach gilt es jedoch den Rundwanderweg zu verlassen, um einen Stichweg gen Boxbrunn zu folgen, dort wo ein aufwändig gestalteter Grenzübertritt realisiert wurde. Dank einer landesübergreifenden Allianz vom hessischen Würzberg und vom bayrischen Boxbrunn errichtete man in 2015 eine markante Zollstation mit traditioneller Beflaggung und entsprechender Ausgestaltung der “Zollhäuschen”. Durstige Wanderer und Radler können zudem dank eines Erdkühlers auf der bayrischen Seite nachtanken, wenn es sein muss auch mit einem apfelhaltigen Getränk.
Just einen Kilometer nach Grenzübertritt erreicht man den Weiler Boxbrunn. Wer hier am Wochenende unterwegs ist, kann hier bereits ab 11:00 Uhr im Bayrischen Hof zur Rast einkehren. Bereits im 19. Jahrhundert übernachteten hier Besenbinder, Wegemacher, Maurer, Tüncher, Orgelspieler und – bauer, Steinklopfer, Zimmerleute und Bierbrauer, wie die Aufzeichnungen des Wirtshauses belegen. Von Boxbrunn führt ein schöner Waldweg durch die Amorbacher Gemarkung hinüber zum Englischen Garten in Eulbach, der als ältester archäologischer Park Deutschlands gilt. Der altertumsbegeisterte Erbacher Graf Franz I. ließ römische Bauteile in den Park integrieren, die bei diversen Fundstellen in der näheren Umgebung ausgegraben wurden. Rekonstruierte Mauerstücke, Kastelltore, Inschriftensteine und Säulen und eine künstliche Ruine wurden in das 400 Hektar große Areal integriert, das seinerseits im Stil eines englischen Gartens angelegt wurde. Jedoch das englische Flair will sich nicht wirklich einstellen – der Park wirkt ungepflegt, im Gegensatz zum gegenüberliegenden Jagdschloss welches sich nach einer Brandsanierung im Jahre 2018 in einem adretten Zustand befindet.
Der 25 Kilometer lange bayrisch/hessische Grenzgang – eine abwechslungsreich und kulturell gehaltvolle Passage mit einer außergewöhnlichen Grenzstation – ein Wandererlebnis der besonderen Art.
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