Hesselbach, den 28. März 2020 – Auf der dritte Passage der Nibelungenringreihe steht der südöstlichste Zipfel Hessens im Zentrum, dort wo am Drei-Länder-Stein sich einmal jährlich die Bürgermeister der Grenzländerkreise aus Bayern, Baden-Württemberg und Hessen die Hand reichen. Ob es in 2020 zu einer Handreichung kommen wird ist aus aktuellem Anlaß höchst ungewiß.
Start der Rundtour ist diesmal Ottorfszell, den Wendepunkt der vorausgegangenen Nibelungenringpassage. Standardmäßig geht es wieder aufwärts in die Mittelgebirgsregion. Nachtaktives Schwarzwild hat frische Spuren in den Wald- und Wiesenregionen hinterlassen, kein Wunder, der Tisch ist klimabedingt reich gedeckt. Der Nibelungensteig führt hinauf zum Fahrenberg , um dann im weiteren Streckenverlauf im Kastaniental anzuknüpfen.
Augenfällig sind die zahlreichen Bildstöcke, die hier in der Region eingebracht wurden. Unwetter, Krankheiten, Viehseuchen, und Sühnen waren Beweggründe um sichtbare Zeichen der Frömmigkeit und Dankbarkeit zu setzen. Vor dem Anstieg in das Kastaniental kommt man am vermutlich ältesten Bildstock des Odenwaldes vorbei. Just gegenüber ist eine große Madonnenstatue an einem Feldrand angebracht. Ob 600 Jahre später einmal ein Bildstock an eine Weltseuche des 21. Jahrhunderts erinnert erscheint in unserem Zeitalter mehr als fraglich.
Zwischen den Kuppen des Fahrenbergs und des Mühlschwangs führt ein Taleinschnitt zum Weiler Breitenbach. Noch Anfang des 19. Jahrhunderts verteilten sich hier 120 Bewohner auf 12 Bauerngehöfte. Eine ausbrechende Hungersnot führte zur Flucht aus dem Tal, der letzte Bauer ließ seine Egge im Jahre 1836 fallen. Heute ist wieder ein Gehöft besiedelt. Ein Kleinod ist die hier im Tal befindliche Breitenbacher Kirche, von außen ein schlichter Sandsteinbau, im Innenbereich prunkvoll ausgestattet. Einmal jährlich, Ende Oktober, wird die Kirche aufgesperrt um einen würdigen Festgottesdienst zu Ehren des des Hl. Wendelins zu begehen.
Hinter Breitenbach geht es hinein in das Kastaniental. Die aufgehende Sonne illuminiert das grüne Tal in einer besonderen Art und Weise durch das der Breitenbach määndert in einer besonderen Art und Weise. Vortrefflich die Entscheidung den Nibelungensteig durch dieses herrliche Tal zu führen. Den Hesselbacherpfad folgend schraubt sich der Steig immer weiter hoch, bis die Tageshöhe von 549 Metern auf der Hohen Langhälde erreicht ist. Vor dem Höhenort Hesselbach schwenkt man ein und folgt von den Grenzsteinen zum Kulturdenkmal Dreiländerstein. Der hier befindliche Grenzstein markiert die Nahtstelle der Grenzen von Bayern, Baden-Württemberg und Hessen. Ab hier ist bis zum Hesselbacher Tor eine Grenzwanderung angesagt, der Nibelungensteig folgt dem Grenzverlauf, bevor er kurz vor einem römischen Wachturm (Limes läßt grüßen) nach Hesselbach, der südöstlichsten Bastion Hessens einschwenkt.
Man könnte wenn man wollte bei Hesselbach einschwenken und über alternative Strecken zurück zum Tagesstartpunkt wandern, was durchaus bequem wäre, da man sich auf einem Hochplateau befindet. Jedoch der Körnerhaushalt ist noch gut gefüllt und so geht steil hinab nach Schöllenbach. Der Weiler Schöllenbach ist ein landesrechtliches Novum, ein sogenannter geteilter Ort, bedingt durch historische Besitzverhältnisse. Rechter Hand der Kirche gibt es sechzehn Häuser, die als Badisch-Schöllenbach firmieren und linker Hand leben 240 Hessisch-Schöllenbacher, offensichtlich in friedlicher Koexistenz. In Schöllenbach verabschiede ich mich vom Nibelungensteig. Hier wird der Einstieg für die nächste Nibelungenringpassage sein. Zurück nach Hesselbach geht es logischerweise wieder aufwärts. Zunächst dem Euterbachtal in südöstlicher Richtung entlang um entlang der Höllklinge wieder in das hessische Hesselbach zurückzukehren.
Rauf nach Hesselbach, runter zum Schloß Waldleiningen. Wieder einmal mehr geht es über die Grenze. Diesmal wieder von Hessen nach Baden-Württemberg. Es mutet schon befremdlich an, wenn mitten im Wald ein Schloß im englischen Stil auftaucht, aber der sagenhafte Odenwald ist immer für Überraschungen gut. Anfang des 19. Jahrhunderts ließ hier ein Fürst, der mit dem englischen Königshaus verbandelt war, eine Sommerresidenz errichten. Heute ist in diesem außergewöhnlichen Umfeld eine psychosomatische Klinik untergebracht.
Der Rest – Wanderspaß pur durch den noch lichten Odenwald. Auf dem Weg nach Mörschenhardt wähle ich einen Brutalaufstieg, bestes Konditionstraining in harten Zeiten. So geht es buchstäblich stramm hinauf auf die “Höhe” um dann Richtung Mörschenhardt und weiterführend nach Preunschen einzuschwenken. Hinter Preunschen könnte man, wenn man wollte, zurück nach Ottorfszell den steil abwärtsführenden Nibelungensteig wählen. Ich entscheide mich für eine drei Kilometer geruhsame lange Aussschleichschleife, die zunächst Richtung Kirchzell führt, um dann nach insgesamt 40 Kilometern und exakt 1.111 Höhenmetern den Rucksack abzulegen.
Auch die dritte Passage des aus der Taufe gehobenen Nibelungenrings begeistert. Kulturelle Kleinode, ausgezeichnete Pfade, knackige Steigungen, stille Wälder – eine exzellente gangbare Alternative, nicht nur zu Coronazeiten. Nicht minder spannend wird die nächste Nibelungenringpassage ausfallen – dann steht Oberzent im Drehkreuz.
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