Schweigen-Rechtenbach, den 17. März 2020 – Just ein Jahr nach meiner ersten Mandelpfadtour in der Pfalz lockte wiederum die Region zu einer Exkursion durch die jahreszeitbedingt mit rosaroten Blütenwolken eingehüllten Landschaft – und dafür gab es mehrere gute Gründe.
- Der Pfälzer Mandelpfad wurde aktuell aufgebohrt und um 20 Kilometer in nördlicher Richtung bis nach Bockenheim an der Weinstraße erweitert
- Gestartet wurde diesmal am südlichsten Zipfel des Mandelpfades um mit einem neuen Blickwinkel bekannte Pfade neu zu entdecken
- Blütezeit ist eine ausgezeichnete Wanderzeit im Generellen und Labsal für die geschundene Seele, gerade in Zeiten wie diesen
- Wandern als Frischluftaktivität auch in der schwierigen Corona-Pandemiephase stärkt das Immunsystem, erfrischt den Geist und revitalisiert den Körper
Im Exkursionsbericht des vergangenen Jahres wurde die Streckenführung bereits detailliert beschrieben. Da lagebedingt aus verständlichen Gründen diesmal die Infrastruktur deutlichst eingeschränkt war standen diesmal Stadtexkursionen und die Besichtigung kultureller Einrichtungen nicht im Fokus.
Offizieller Start- oder Endpunkt des mittlerweile 100 Kilometer langen Pfälzer Mandelpfades ist Schweigen-Rechtenbach, dort wo das imposante Deutsche Weintor das Erscheinungsbild der Gemeinde prägt. Rational wäre es sogar angezeigt aus logitischen Überlegungen heraus im drei Kilometer entfernten elsässischen Wissembourg zu starten, dort wo sich eine Bahnstation befindet. Jedoch wurde 24 Stunden zuvor die Grenze nach Frankreich dicht gemacht. So schnüre ich meine Wanderstiefel am noch im rosa Licht eingetauchten Deutschen Wandertor um die Fährte des ersten 40 Kilometer langen Abschnittes nach Gleisweiler, unweit von Edenkoben aufzunehmen.
Sanft hügelig die sich vom Pfälzer Mittelgebirge abflachende Landschaft. Unterhalb des Mundatwaldes und des 561 Meter Hohen Dest schlängelt sich die sonnenverwähnte Weingegend an der Auslaufkante des Pfälzer Waldes entlang. Die Ausschilderung des Mandelpfades ist ausgezeichnet – man könnte sich hier auch ohne Karte und GPS zurechtfinden – im Zweifelsfall gibt die Himmelsrichtung und die Landschaftstextur die Marschrichtung vor.
Im südlichen Zipfel des Mandelpfades Richtung Bad Bergzabern ist das Mandelbaumaufkommen geringer ausgeprägt. Zwischen Oberotterbach und Dörrenbach ist ein größeres Mandelhainaufkommen entlang der Deutschen Weinstraße zu besichtigen – der Blütenstand ist teilweise von Baum zu Baum jedoch noch sehr unterschiedlich. Nach zehn Kilometern ist Bad Bergzabern erreicht . Lagebedingt sind die Straßen menschenleer, man merkt dass im ländlichen Bereich die Bevölkerung disziplinierter als in den urbanen Zentren ist.
Mit einem Pfad verbindet man üblicherweise naturbelassene Wege. Sicherlich haben sich Marketingstrategen und Touristikexperten um einen griffigen Namen zur Vermarktung der Mandelbaumblüte bemüht. Begibt man sich auf den Mandelpfad so wird man zu 80% auf teerbedampften Untergrund unterwegs sein. Man merkt auch passagenweise der Streckenführung an, dass insbesondere die Belange der Fahrradfahrer mit Priorität berücksichtigt wurden, Wenn man jedoch die Augen öffnet kann man nach individuellen Vorstellungen die Passagen wandertechnisch für sich optimieren.
Hinter Pleisweiler erreicht man die Weiler Gleiszellen-Gleishorbach – zu normalen Zeiten ein touristischer Hotspot in der hiesigen Weinregion. Urige Weinstuben laden hier zum Verweilen an – ungewohnt daher auch der Anblick der menschenleeren Weinstubenmeile in Gleiszellen.
Wegeführungsbedingt eröffnen sich hinter Klingenmünster neue interessante Blickachsen hinein in die Landauer Region. Gemäßigte sanfte Steigungen begleiten den Streckenverlauf zum Mandelberg, der sich in exponierter Lage oberhalb von Birkweiler/Siebeldingen befindet. Weitreichende Panoramasichten veranschaulichen, daß diese Region begnadete Voraussetzungen für exzellente Wandertouren hat.
Wie Perlen an der Schnur reihen sich die Weinstädtchen. Klingenmünster, Eschbach, Leinsweiler auf. Oberhalb von Eschbach erhebt sich die Madenburg. Einst hausten dort oben Ritter die der adeligen Turniergesellschaft “Gesellschaft mit dem Esel” angehörten. So wundert es nicht, dass seit 2004 in Eschenbach zahlreiche künstlerisch gestaltete Eselsfiguren aufgestellt wurden.
Mangels nicht vorhandener oder geschlossener Einkehrmöglichkeiten ist Rucksackverpflegung angezeigt. Ein Kaffee-to-go nach dreißig Kilometern tröstet darüber hinweg, dass man anlaßbezogen keine Gelegenheit hat die ausgezeichneten Pfälzer Einkehrmöglichkeiten zu genießen – so liegt der ausschließliche Genußfaktor eben bei Erschließung des Mandelpfades – so kann man auch seine Ansprüche reduzieren. Hinter Siebeldingen erreicht man einen der schönsten Abschnitte des Mandelpfades. Leider schubt sich ein Wolkenband zwischen Sonne und Mandelbäume, so daß die farbliche Opulenz der Mandelallee nur eingeschränkt zur Geltung kommt.
Nach 40 Kilometern und sehr moderaten 800 Höhenmetern ist das erste Tagesziel Gleisweiler erreicht. Nach offizieller Leseart sollte man von Schweigen-Rechtenbach bis hierher drei Etappen einplanen. Für Genußwanderer, die zu normalen Zeiten gerne einkehren und hie und da ein Schöppchen Pfälzer Wein verkösten möchten, sicherlich eine praktikable Lösung.
Am nächsten Morgen stehen 42 ebenso gut gangbare Mandelpfadskilometer auf der Agenda. Gut die Wetterprognosen für den Folgetag – zunächst ist strahlend blauer Himmel angesagt und man muß anerkennen, daß der Mandelpfad als typischer Schönwetterpfad erst bei Sonnenschein richtig zur Geltung kommt. Blauer Himmel untermalt mit zahllosen rosa Farbtupfern – Augenweide pur. Wer braucht hier die Mandelblüte auf Mallorca? Via Burrweiler geht es nach Weyer, vorbei unterhalb des imposanten Schlosses Villa Ludwigshöhe. Fast wie ein Fremdkörper mutet die im italienischen Stil von König Ludwig von Bayern errichtete Anlage an. Wer das Anwesen besichtigen möchte, muß sich bis 2022 gedulden – solange dauern die anstehenden Renovierungsarbeiten. Rhodt unter Rietburg mit seinem Dorfkern, der komplett unter Denkmalschutz steht, schließt sich an. In diesem dollen Dorf pflegt man standardmäßig den Gebrauch des Pfälzer Weinschoppens, einem halben Liter. Und für starke Leute am Glas wird der „Rhodter Piff“ kredenzt, ein Schoppen, der aus einem Ein-Liter-Glas getrunken wird.
Hinter Rhodt schließt sich das Mandelblütenzentrum Edenkoben an. Letztes Jahr konnte ich mich persönlich davon überzeugen, daß hier auf der Mandelmeile am Mandelblütenfest entlang der Villastraße kräftig und zünftig nach Pfälzer Art gefeiert wird. Tausende Besucher feiern hier jährlich die Mandelblüte, der Pfälzer Wein fließt in Strömen. Jedoch – seuchenbedingt hat sich in diesem Jahr ausgefeiert.
Hinter Edenkoben geht von Weinort zu Weinort. Namhafte Ansiedlungen wie St. Martin, Maikammer und Diedesfeld folgen bis nach Neustadt an der Weinstraße. Würde man hier sämtliche Weintränken frequentieren, man könnte sich hier ohne Probleme eine Woche in einem Dunstradius von fünf Kilometern aufhalten. In Neustadt an der Weinstraße selbst hält sich 48 Stunden vor der kompletten Restaurantsperre der Betrieb auf den Straßen in Grenzen. Diszipliniert die Gäste im Bereich der Außengastronomie. So mundet trotz allem bei angenehmen 20 Grad der regionaltypische Pfälzer Saumagen.
Hinter Neustadt ist vor Neustadt. Verläßt man die über 22.000 Einwohner zählende kreisfreie Stadt folgen weitere Epizentren der pfälzischen Wein- und Mandelkultur. Gimmeldingen, dort wo das legendäre Mandelblütenfest gefeiert wird, Deidesheim, dort wo ein Bundeskanzler mit Gorbi Saumagen verköstigte, und der finale Zielort dieses Wandertages, Bad Dürkheim, dort wo am größten Weinfest der Welt mehr als 650.000 Besucher in neun Tagen Wein in Strömen durch die Kehle rinnen lassen. Pfälzer Lebensart – hier schlägt das Herz dieser Kulturlandschaft.
War bis 2019 der Mandelpfad in Bad Dürkheim zu Ende, so hatte man aktuell die Passage um 24 Kilometer erweitert und den Trail bis nach Bockenheim an der Weinstraße verlängert. Baute sich auf den ersten 80 Kilometern der Pfälzer Wald bis zu einer Höhe von 600 Meter auf, verflacht sich im letzten Abschnitt die Passage zusehends ohne aber ihren Reiz zu verlieren. Der gegenüberliegende Odenwald rückt näher. Mannheim, Ludwigshafen und das dahinter liegende Heidelberg in greifbarer Nähe. Mandelbaumtechnisch ist dieser Abschnitt offensichtlich noch im Entwicklungsstadium, was eine Vielzahl frisch eingepflanzter Mandelbaumpassagen belegt. Die Wegstrecke führt auch über den höchsten Punkt des Mandelspfades der in Herxheim am Berg liegt. Die verbandsfreie Stadt Grünstadt selbst wird großzügig umrundet, was auch angesichts der aktuellen Lage durchaus zweckdienlich ist. So endet die Halbtagespassage nach 23 Kilometern in Bockenheim an der Weinstraße. Für die Rückfahrt zum Ausgangsort Schweigen-Rechtenbach sind mit vier- bis fünfmaligen Umstieg gute drei Stunden zu veranschlagen, da im Gegensatz zur Wanderwegs- und Straßenstruktur keine durchgehende schienengebundene Trassenführung vorhanden ist. In coronafreien Zeiten ist dies absolut unproblematisch – jedoch ist das Fahrgastaufkommen sehr gering und die Verkehrsmittelnutzer sehr diszipliniert.
Der Pfälzer Mandelpfad. In der Neuausrichtung insgesamt mit wunderbaren 105 Kilometern und sehr moderaten 1.700 Höhenmetern belegt. Offiziell sind sieben Etappen ausgwiesen – für Langstreckenwanderer genügen im Schlendermodus am langen Ende zweieinhalb Tage. Aus der subjektiven Brille betrachtet ist die Nord-Südpassage vorzuziehen, auch wenn man in diesem Falle gegen die Sonnenrichtung läuft. Bleibt zu wünschen, daß in 2021 das Wandern zu normalen Bedingungen auf dem herrlichen Mandelpfad mit allen kulturellen Begleiterscheinungen wieder möglich ist.
Aus aktuellem Anlaß sei angemerkt daß der Wandersport, gerade in Zeiten wie diesen eine ausgezeichnete Form der Betätigung ist, wenn man einige Spielregeln beachtet. Wandern ist hervorragend um das Immunsystem zu stärken und das Hirn zu lüften. Glücklicherweise ist, wie auch diese Exkursion bestätigt hat, die Blüte in der Natur immun gegen Corona. Packt den Rucksack inclusive Verpflegung ohne Einkehrmöglichkeiten zu beanspruchen, wählt nach Möglichkeit Rundkurse um die Rückfahrt mit ÖVM zu minimieren und meidet Kohortenbildung auf der Wanderpiste. Und wer gar nichts zu tun hat kann einen gelben Sack mitnehmen und Plastikunrat entlang der Piste einzusammeln! Dass sich Wandern im Coronazeitalter nicht beißt hat auch der Wander-Social-Media-Experte Markus Balkow von schöne-aussicht.de in einem Vlogbericht unter Beweis gestellt. Euch Allen eine gute Zeit!
Danke für die schönen Fotos und den interessanten Text !
Aber gerne Paul. Es gibt noch ein Leben da draußen – laßt es uns mit Umsicht entdecken!