Worms, den 6. Januar 2019 –
Es gibt Touren die sich bestens für die lausige Wanderzeit eignen – hierzu zählt unter anderem der Odenwälder Rheinauenweg. Zunächst verwirrend der eigentliche Streckenverlauf des vor 18 Jahren vom Odenwaldklub ausgewiesenen Hauptwanderweges. In den aktuellen Bestandskarten ist noch der ursprüngliche Streckenverlauf über 80 Kilometer von Seckenheim nach Karlsruhe ausgewiesen, in Onlineforen ist die neu konzipierte Route von Worms nach Karlsruhe über 120 Kilometer hinterlegt, und nach aktuellesten Informationen der OWK-Geschäftsstelle verläuft die neu konzipierte Strecke von Mainz nach Karlsruhe über insgesamt 189 Kilometer.
So wird zum Jahresstart zunächst die Südtangente von Worms Richtung Karlsruhe unter die Sohle genommen. Gestartet wird zeitig, noch zu dunkler Stunde, in der Nibelungenstadt Worms. Der Frühstart lohnt sich, denn zum Start steht die Querung der Nibelungenbrücke mit dem beleuchteten Nibelungenturm, dem Wahrzeichen der Stadt Worms, an.
Über der Flußmitte des Rheins quert man die Pfälzer Grenze um das hessische Gebiet zu betreten. Bis 1920 wurde hier noch Brückenzoll erhoben. Auf der hessischen Seite setzt der Streckenverlauf Richtung Süden ein, um in das Lampertheimer Altrheinareal einzutauchen. Hier findet man eines der größten hessischen Naturschutzgebiete vor. In Sommermonaten toben sich hier aggressive Stechmücken aus – ein Preis der gewollten Naturbelassenheit dieser Region.
Hinter dem BASF-Werk Lampertheim empfiehlt es sich, den sehr gute markierten Wanderweg, der mit einem blauen “R” auf weißem Spiegel markiert ist, zu verlassen. Anstelle der drögen Wegfolge entlang der Chemiestraße durch das Lampertheimer Industriegebiet quert man die L 3110 um entlang des Lampertheimer Altrheingebietes zu wandern. So geht es vorbei an zahlreichen Bootshäusern, wo Motorboote und sonstige Schaluppen überwintern. Einige Gaststättenbetriebe bereichern dabei das gesamte Areal, welches eine wohlige Atmosphäre ausstrahlt. Wenn man wollte, könnte man von hier aus in die Halbinsel des Lampertheimer Altrheins eintauchen.
So geht es weiter auf dem neuen Hochwasserdamm, parallel zum Wirtschaftsweg, der den treffenden Namen “Der Hohe Weg zum Rhein” trägt. Hinter dem Naturschutzgebiet quert man die nächste Grenze. Von Hessen geht es nach Baden Württemberg. “Wandern auf dem Deich” ist für die nächsten Kilometer angesagt. Regelmässig auftauchende Pegelmaßanzeigen dokumentieren eindrucksvoll welche Hochwasserstände in den vergangenen Jahrzehnten zu verzeichnen waren. Mittlerweile leben mehr als 600.000 Menschen im Einzugsbereich des Hessischen Rieds. So wurde in den letzten 40 Jahren mehr als 240 Millionen Euro für den Hochwasserschutz investiert, um nach den anerkannten Regeln der Technik einem mehr als einhundertjährlichen Hochwasserereignis zu trotzen. Das statistische Wahrscheinlichkeiten jedoch schneller durchbrochen werden als man glaubt, belegen die Wetterkapriolen der vergangenen Jahre.
Allemal bietet die Januarwanderung einen Einblick in die großen Ausweich- und Polderflächen. Dampfendes Wasser an einem unterhalb des Deichs verlaufenden Ringkanals verdeutlicht die bestehenden Temperaturunterschiede zwischen industriestandortbedingter Wassseraufwärmung des Rheins und einstelligen Außentemperaturen. Bald ist die Riedspitze bei Sandhofen erreicht, dort wo man die mächtige Altrheinbrücke vor Augen hat. Die gewaltige Buntsandsteinbrücke verbindet Sandhausen mit der Friesenheimer Insel, von wo aus der Ludwigshafener Chemiegigant BASF die Rohstoffversorgung des hinter der Insel liegenden Hauptwerkes sicherstellt. Markant lodert die weithin sichtbare Fackel des Steamcrackers und markiert das Herzstück der Produktionsanlage des Chemiegiganten.
Sicherlich, zwangsweise ist die Streckenführung durch das Industrieareal nicht wirklich attraktiv, jedoch zu Jahreszeiten wie diesen erträglich. An der Osterweide quert man die mächtige Anlage eines Kleingärtnervereins, um anschließend dem Neckar zu folgen, der einige hundert Meter weiter nördlich in den Rhein entwässert.
Eingekesselt zwischen Rhein und Neckar schwenkt man ein Richtung Mannheimer Innenstadt. Die offizielle Streckenführung führt jedoch vorbei am Zentrum der mehr als 300.00 Einwohner zählenden ehemaligen Residenzstadt. So gilt es das bemerkenswerte Mannheim bundesweit auch als Quadratstadt bekannt, demnächst auf einer ausgedehnten Stadtexkursion intensiver zu erkunden.
Das Mannheimer Schloß links liegend lassend, geht es durch die jahreszeitbedingten kargen Anlagen des Friedrichsparks, den Mannheimer Ausläufer der Konrad-Adenauer-Brücke querend, welche als Hauptachse Mannheim mit Ludwigshafen verbindet, weiterführend zur Mannheimer Rheinpromenade. Erstaunlich wie gut frequentiert zu dieser Jahreszeit das hier einsetzende Naherholungsareal ist. Als Pendant zum gegenüberliegenden Ludwigshafener Rheinpark geht es von der Rheinpromenade entlang des Stephanieufers zum weitläufigen Gebiet des Waldparks nit vorgelagter Reißinsel. Besonders spannend ist dabei das Ufer des Bellenkrappens und des Altrheinarms “Schlauch”. Ein faszinierendes Gebiet, welches auch an einem tristen Januartag seine Wirkung nicht verfehlt.
Bezeichnend für diesen Trail, daß nach diesem Naturidyll der abrupte Wechsel in die Welt der Großindustrieanlagen stattfindet. Der kurze Tag neigt sich zu Ende, der einsetzende Nieselregen setzt das düstere Szenario des Großkraftwerks Mannheim besonders in Szene. Parallel zur Bahntrasse führt die Passage durch Casterfeld nach Rheinau, dort wo nach 42 Kilometern und herausfordernden 98 Höhenmetern eine bemerkenswerte Rheinauentour zu Ende geht. Man darf gespannt sein auf die Folgepassage nach Germersheim.
Dieser Trail ist einmal mehr ein Plädoyer sich für ausgedehnte Tagestouren zu begeistern. Bei Streckenlängen von 30 Kilometern und mehr hat man gute Gelegenheit sein Spektrum bewußt zu erweitern. Frei nach dem Credo dieses Blogs, Kultur- und Naturräume zu erschließen und die Sicht der Dinge auf das vorhandene Umfeld zu schärfen. Ein guter Vorsatz für ein neues spannendes Wanderjahr.
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