Alsbach-Hähnlein, den 27. Oktober 2018 –
Der Odenwald. Im Herzen Deutschlands gelegen, für Geologen ein Mittelgebirgsareal mit Weltruf, „Sagenhaft“ im wahrsten Sinne des Wortes und für Wanderer ein absoluter Geheimtipp. Wer sich mit dem Odenwaldvirus infizieren möchte, dem sei diese Exkursion hochgradig empfohlen. Hier hat man beste Gelegenheit ein breites Spektrum der Erdgeschichte und die kulturelle Prägung dieses Landstriches mit den Wanderschuhen zu entdecken. Recherchiert Wandersfrau/-mann über das Odenwälder Felsenmeer in Wanderführern und Outdoorforen so werden einige Rundrouten im Spektrum zwischen neun und fünfzehn Kilometern angeboten, zumeist mit dem Anspruchsgrad „schwierig“ klassifiziert. Langstreckenwanderer, für die es ein Stückchen mehr in jeglicher Hinsicht sein darf, sei jedoch die hier vorgestellte Passage ausdrücklich empfohlen.
Gestartet wird an der Burgruine Schloß Alsbach, oberhalb der noch im südhessischen Landkreis Darmstadt-Dieburg gelegenen Kommune Alsbach-Hähnlein. Ein Wanderparkplatz steht direkt unterhalb der Burg zur Verfügung, wer mit öffentlichen Verkehrsmitteln anreist, kann von Alsbach aus direkt eine moderate Bergwertung hinauf zum Schloß einplanen.
Die ehemalige Trutzburg, die früher Burg Bickenbach genannt wurde, ist zu früher Morgenstunde noch nicht zugänglich. So kann man idealerweise eine Besichtigung des Areals nebst Einkehr in die hier befindliche Burgschänke als Schlußpunkt dieser Tour einplanen. Augenfällig bereits zum Start, die Vielzahl der markierten Premiumwanderwege, die hier an der Odenwälder Bergstraße vorzufinden sind. Burgenweg, Blütenweg, Nibelungensteig, Alemannenweg. Darüber hinaus eine Vielzahl lokaler Rundwanderwege die es erlauben diese Region in vielschichtiger Art und Weise kennenzulernen.
Gefolgt wird zunächst dem Alemannenweg, ein zertifizierter Qualitätswanderweg „Wanderbares Deutschland“. Als erstes Teilziel steht zunächst die größte Erhebung der südhessischen Bergstraße, der 517 Meter hohe Melibocus auf der Wanderagenda. Studiert man die Wanderkarte, so gibt es eine Vielzahl von Möglichkeiten die markante Anhöhe zu erklimmen. Zwischen Brutalanstieg und moderaten Schleifen ist alles möglich. Unter dem Motto „Carpe diem“ orientiere ich mich am Streckenverlauf des Alemannenweges um nach knapp einer Stunde auf der Besucherterrasse unterhalb des Aussichtsturms zu stehen. Weite Blicke Richtung Taunus, Hunsrück, Rheingraben, und an klaren Tagen bis zu den Vogesen und dem nördlichen Schwarzwald, sind hier möglich. Einst befand sich hier oben ein Funkfeuer für den Flugverkehr, später betrieben die Amerikaner hier oben eine Radio-Relais-Station und heutzutage nutzen Telekommunikationsprovider den benachbarten Sendemast.
Vom Melibokus könnte man, wenn man den mit „SJ2“ markierten Weg in östlicher Richtung folgt, nach knapp fünf Kilometer das Odenwälder Felsenmeer erreichen, jedoch gibt es eine attraktive Alternative, die man sich nicht entgehen lassen sollte.
So geht es südlich weiter auf dem Alemannenweg zum Auerbacher Schloß, für Viele die imposanteste und mächtigste Burganlage im Südhessischen. Die Grafschaft von Katzenelnbogen hatte im 13. Jahrhundert das erklärte Ziel eine uneinnehmbare Burganlage zur Sicherung des Wegezolls entlang der Bergsträßer Nord-Südachse zu errichten. Aber selbst im dreißigjährigen Krieg wurde die Burg nicht mehr militärisch genutzt. Den Rest besorgten 1674 die französischen Truppen, die die Burg verwüsteten und in den Zustand versetzten, der heutzutage besichtigt werden kann.
Oben auf der Schildmauer der Burganlage kann man einen der markantesten Bäume Deutschlands besichtigen. Eine 300 Jahre alter Kiefer, die aufgrund der kargen Lebensbedingungen auf der Burgmauer wie ein zu groß geratener Bonsai wirkt. Ansonsten finden im Schlosshof in den Sommermonaten Freilichtspiele statt und Tagestouristen kehren gerne in das hier angesiedelte Restaurant ein, welches sich auf mittelalterliche Erlebnisgastronomie spezialisiert hat.
Vom Auerbacher Schloß geht es hinab zum nächsten Highlight des Tages, zum Fürstenlager. Spektakulär der Name, beeindruckend das Areal. Mitte des 18. Jahrhunderts entdeckte man hier einen Mineralbrunnen, und ein Kurbetrieb begann sich hier zu entwickeln. Rasch war das Interesse der Landgrafen und Großherzöge von Hessen-Darmstadt geweckt und ein gewisser Landgraf Ludwig entschied hier ein Sommersitz für den Landadel zu errichten. Prinzen- und Damenbau, Fremden- und Kavaliersbau, Wachen und Remisen wurden errichtet, das Ganze eingebettet in einen 46 Hektar großen Park, der mit exotischen Pflanzen und Bäumen bestückt wurde. 1852 schenkte das englische Königshaus dem Landgrafen einen Mammutbaum, der hier eingepflanzt wurde. Man vermutet, dass es sich um den Ältesten dieser Art in Europa handelt. Schnell machte in der breiten Bevölkerung die Bezeichnung „Fürstenlager“ die Runde, da die Blaublütigen gerne auf den Rasenflächen des Parks herumlungerten. Heute steht das Areal unter dem Kuratel des Landes Hessen und wird mit den entsprechenden finanziellen Mitteln gehegt und gepflegt.
Ob die Fürsten seinerseits die Passage zum sieben Kilometer entfernten Felsenmeer auf sich genommen haben ist ungewiss bis unwahrscheinlich. Im 21. Jahrhundert können jedoch Wanderer der Wegekennzeichnung des Alemannenweges folgen um auf guten Wegen eines der interessantesten Werkstätten der Römer zu erkunden. Viele Sagen und Geschichten ranken sich um das Odenwälder Felsenmeer. Vielleicht die Schönste besagt, dass im Lautertal zwei Riesen hockten. Der „Felshocker“ auf dem Felsberg und der „Steinbeißer“ auf dem gegenüberliegenden Hohenstein. Irgendwann gerieten beide in Streit und bewarfen sich mit den herumliegenden Steinen. Da der Steinbeißer über mehr Wurfmaterial verfügte begrub er den Felshocker unter den Steinen. Noch heute können Wanderer das Stöhnen vom Riesen hören,wenn sie zu fest auf dem Felsberg auftreten.
Gesicherter dagegen die geologische Version. Vor 340 Millionen Jahre befand sich der Odenwald noch am Äquator. Dank Kontinentaldrift, Verschmelzungs- und Abkühlungsphasen der gepressten Schichten, Anstieg des Meeresspiegels, Zurückweichen der Frostgrenze am Ende der Eiszeit , der Absenkung des Rheingrabens 290 Millionen Jahre später, und der nach geologischem Terminus bezeichneten „Wollsackverwitterung“ bildeten sich die heute vorzufindenden Gesteinsformationen aus.
Ab dem zweiten Jahrhundert, so vermutet man, machten sich hier die Römer breit um professionell Steine vor Ort zu bearbeiten. Noch heute findet man dreihundert unfertige oder beschädigte Werkstücke aus der römischen Steinmetzwerkstatt vor. Eingesetzt wurde eiserne Keile und Sägen die mit Quarzsand und Wasser unterstützt den Stein gefügig machten. Altarstein, Riesensäule, Riesenpyramide, Steinsarg – viele Exponate sind hier vorzufinden und geben Rückschlüsse auf das hohe handwerkliche Geschick der Römer. Das hier bearbeitete Material wurde nachweislich für Bauten beispielweise in Köln und in Trier verwendet. Eines der größten Rätsel bleibt nach wie vor die Frage, wie das tonnenschwere Material vom Felsberg zu den entsprechenden Errichtungsstätten transportiert wurde.
Außergewöhnlich das Felsenmeerareal, welches jährlich von mehr als 100.000 Besucher aufgesucht wird, exotisch das oberhalb des Steinfeldes angesiedelte Restaurant, ein afrikanisches Lokal mit einem einem breiten Spektrum kosmopolitischer Kochkunst, vom hessischen „Handkäs mit Musik“ bis zu Dodo. Nicht nur in geologischer Hinsicht ist der Odenwald vielschichtig.
Vom Felsberg geht es hinab zur Kuralpe, dort wo ein großes Tagungshotel und Ausflugslokal angesiedelt ist. Von dort aus folgt man dem Wanderweg „SJ2“ SJ- für Seeheim-Jugendheim stehend, um das nächste Etappenziel den Heiligenberg oberhalb der Kommune zu erreichen. Fünf Kilometer die Entfernung, – 1.800 Jahre die Zeitspanne zwischen Römer die Steine bearbeiteten und russische, englische und hessische Adelsdynastien die von Schloß Heiligenberg aus zeitweise europäische Geschichte schrieben. Zar Alexander hielt sich hier zur Sommerfrische auf, Vertreter vom spanischen und vom englischen Hof verkehrten hier mit dem ansässigen Adel aus dem Hause Battenberg/Mountbatten. Heute kann man sich hier zu Feierlichkeiten einmieten. Eine stilvolles Cafe bereichert zudem das Areal. Wiederum den Alemannenweg folgend geht es zunächst abwärts um entlang der Balkonkante des Odenwaldes, der Bergstraße, zurück zum ursprünglichen Startort, dem Schloss Alsbach aufzusteigen.
Nach 34 Kilometern und guten 1.115 Höhenmetern ist die 1235 errichtete ehemalige Trutzburg erreicht. Der 19 Meter hohe Bergfried dient heute als Aussichtsturm, wobei natürlich der Ausblick vom 250 Meter höher gelegenen benachbarten Melibocus zweifelsohne besser ist. In der im Burgareal befindlichen Schänke kann man mit einem krönenden Wanderbier aus einem zünftigen Tonkrug diese mehr als beeindruckende Passage in wahrsten Sinne des Wortes sacken lassen.
Die Felsenmeerrunde – ein absolutes Wanderhighlight. Nicht umsonst ist die hier vorgestellte Hauptstrecke Bestandteil einer spektakulären 36-Stunden-Wanderung, die der Odenwaldklub Heubach im Mai 2019 anbieten wird. Weitere Informationen können dem Wanderkalender auf diesem Blog entnommen werden.
Die “Best of Odenwald – Die Felsenmeerrunde” ist eine fantastische Tour. Wir sind die Tour im Februar 2019 nachgewandert und sind begeistert von der Streckenführung, die alle Highlights in der Gegend abdeckt. Durch den Schnee auf dem Melibocus und dem Felsberg eine anspruchsvolle Wanderung. Als Start und Ziel haben wir die Kuralpe gewählt. Das Essen dort ist sehr zu empfehlen. Außerdem ein Glühwein-Stop auf dem Melibocus. Eine tolle Wanderung!
Respekt Julia für die absolvierte Tour – ich kann mir lebhaft vorstellen, wie reizvoll die Passage bei winterlichen Konditionen ist, zudem der Startort Kuralpe auch sehr gut gewählt ist, da man zum Abschluss nochmals schön einkehren kann.