Rheinhessische Küstenwanderung

Weinheim, den 7. Oktober 2018 –

Küstenwanderung in Rheinhessen? Küstenwanderung in Rheinhessen! Die Rahmenbedingungen hierzu waren optimal. Der nicht endend wollende Sommer 2018, der in den sich im ersten Drittel des Oktobers mit sommerlichen 24 Grad festgebissen hat, und insgesamt vier  Küstenwege, die es zu erschließen galt.

„Wandern auf den Spuren von Austern und Haien. In der größten zusammenhängenden Weinregion Deutschlands, in Rheinhessen hat man die Gelegenheit eine Zeitreise in die erdgeschichtliche Vergangenheit dieses Landstriches zu unternehmen.  Rührigen Geologen des Landesamtes für Geologie und Bergbau in Mainz kamen auf den Gedanken die heute noch sichtbaren Spuren des subtropischen Meeres , welches vor mehr als 30 Millionen Jahren diese Region durchflutete, per Rad oder zu Fuß zu erschließen. Hier in dieser Region verlief die damalige Küstenlinie mit den unterschiedlichsten Küstenformen, zahlreichen Halbinseln, Buchten und einer Inselgruppe aus vulkanischem Untergrund.

So sah die Meereslandschaft vor 30 Millionen Jahre aus

Da es sich nicht wirklich lohnt, die zwischen 1,6 Kilometer und 11 Kilometer langen Rundkurse separat zu erschließen, bietet es sich für prädestinierte Langstreckenwanderer an, über passable Verbindungswege die weitreichenden Aussichten in diese bemerkenswerte Weinregion  garantieren, eine ausgedehnte Tagestour einzuplanen.

Vier Rundwege als Hotspots, die es zu verbinden gilt

Gestartet wird mit dem Rundweg „Weinheimer Bucht“ im Alzeyer Ortsteil Weinheim. Der Rundweg Weinheimer Bucht verläuft entlang der ehemaligen Küste der Bucht mit drei aufgrund des Fossilreichtums weltweit bedeutsamen Naturdenkmälern “Trift” (Versteinerter Meeresboden), “Zeilstück” (Austernpflaster) und “Neumühle” (Hai-Society). Nützliche Schautafeln beinhalten weitreichende  Informationen über Geologie, Tektonik, Klima, Natur, Weinbau und Geschichte des Areals. Ein einziges Manko: Offensichtlich haben Geologen und nicht Wanderexperten die Wegesstrecke ausgezeichnet. Teilweise fehlend, an manchen Stellen schlichtweg falsch angebracht, so die Qualität der Streckenkennzeichnung.

Die Naturdenkmalstellen des Küstenwegs
Zeitig zum Sonnenaufgang geht es auf die Piste
Hai Society…..
Unglaublich aber wahr: hier wurden Haifischzähne geborgen
Besser als jedes Dia: Blatt im Sonnendurchsatz
Herbstliches Ambiente: Braun in braun gehalten
Mächtige Windkraftboliden recken sich hinter den Weinhügeln hervor
Kultivierte Pflanzen, die den Indigofarbstoff liefern
Der herbstliche Malkasten – einfach prachtvoll
Zeilstück – die Fundstätte….
..wo versteinerte Austernbänke ausgehoben wurden
– das Ganze eingebettet in eine farbenfrohe Weinlandschaft
Und die Trauben – vorbestimmt für Spätlese und Eiswein sind mittlerweile brutal süß
Ab und zu ist auch eine ordentliche Beschilderung vorzufinden

Hinter dem Naturdenkmal Zeilstück führt eine zehn Kilometer lange Passage vorbei an Erbes-Büdesheim, durch Wendelsheim und Wonsheim um anschließend in den Rundweg Siefersheim-Wöllstein-Neu-Bamberg einzusteigen. Obschon der offizielle Flyer auch auf Verbindungswege zwischen den einzelnen Rundkursen hinweist, sind diese jedoch nicht wirklich existent. Vereinzelt findet man auf einem überregionalen Radweg einen punktuellen Hinweis. So ist man gut beraten diese Tour im Voraus durchzuplanen, bevor man auf die Piste geht.

Typisch regional verbauter weißer Sandstein und Muschelkalkstein –
Ungeheuerlich: hier kann keine 24-Stunden-Wanderung stattfinden
Augengymnastik für die Nah-Schärferegulierung
Vortreffliche Worte, angebracht am Wendelsheimer Rathaus
Landschaftspanorama mit meditativer Wirkung
Und in den Florsheimer Steinbrüchen wird heute noch abgebaut
Blick auf Wöllstein, dahinter steigt man im Weinareal in die zweite Küstenwegsrunde ein
Erinnerungsposten an alte Zeiten
Nur noch selten wird in Rheinhessen händisch gelesen,

Der zweite Rundweg Siefersheim – Wöllstein – Neu-Bamberg führt entlang und über die „vulkanischen“ Inseln des Hornbergs und Ölbergs, die bereits von weitem zu sehen sind.  In Siefersheim sind Sande eines ehemaligen Strandes (Strandbereich an der Hornberg-Insel) sowie ein Brandungskliff (Brandungszone und Insel) zu besichtigen. Die rhyolithischen Vulkangesteine sind in ehemaligen Steinbrüchen am Ölberg (Island in the Sun) und an der “Heerkretz” (Säulen der Insel) aufgeschlossen. In Neu-Bamberg kann man Austernbänke bewundern, auf denen Häuser des alten Dorfkerns errichtet wurden (fundamentale Austern). Zwischendurch hat man immer wieder Gelegenheit die eindrucksvollen Aussichtspunkte in die Landschaft zum Donnersberg, Hunsrück, Taunus, Odenwald, Pfälzerwald sowie zum Nordpfälzer Bergland zu bewundern.

Einstieg in die ehemalige Homberg-Insel
Noch heute ist hier vulkanisches Gestein zu finden
Auch nett – die Bänkelches-Route: Schoppen in den Rucksack und von Bänkelsche zu Bänkelsche ziehen…..
Rheinhessen pur: Von den Austernbänken zum Brandungskliff oder dem Sandstrand……
Blick auf den Ajaxturm
Dieser lässt sich aber nur mit Kletterausrüstung besteigen…..
Auch die herbstliche Pflanzenwelt kann im Detail beeindrucken
Rhyolithboliden am Wegesrand
Blick auf die Ruine der Altenbaumburg
Naturdekoration im Eingangsbereich
Neu-Bamberg -errichtet auf Austernbänken…
Fachwerk errichtet auf dem regionaltypischen Stein
Nein – dies ist nicht auf dem Urwaldsteig am Edersee…..
Ein Dilemma für Early-Bird-Wanderer: Der Weinhahn wird erst spätnachmittags aufgedreht
Ein Highlight auf der Strecke…
Das weitläufige Areal des Ölbergs – oberhalb mit einem Klettersteig ausgestattet
Alleine hier könnte man sich länger austoben
Wiederum ein markanter Punkt entlang der Weinberge
Weinberge im Farbenrausch

Am östlichen Ausstiegspunkt dieser Rundtour, am Sandstrand schwenkt man zum vier Kilometer entfernten „Strandpfad der Sinne“ ein, ein  kurzer aber hervorragend gestalteter 1,6 Kilometer lange Themenweg. Die Einkehrmöglichkeiten waren bis dahin (Kilometer 32) rar gesät, die BMW-Infrastruktur (Bäcker, Metzger, Wirte) sehr übersichtlich, so dass man sich auf dieser Passage auf eine Heil- und Fastenwanderung einstellen sollte. An der Kirchenruine der Beller Kirche sperrte jedoch glücklicherweise bei Ankunft ein  Winzer seine Bretterbude auf. So konnte man zunächst einmal einen hervorragenden Riesling aus dem heimischen Anbau genießen. Im anschließend letzten Viertel häuften sich jedoch  die Gelegenheiten zu einer Einkehr an in einer der vielen Winzerstuben, die üblicherweise nachmittags ihre Tore öffnen.

Herrlich hügelige Streckenführung
Das muß man nicht übersetzen……..
Hübsches Farbensemble
Willkommen am Strand…..
Fehlt nur noch das Wasser – und das seit 30 Millionen Jahre
Nach 32 Kilometer die erste Einkehrstation an der Beller Kirche

Der „Strandpfad der Sinne“ in Eckelsheim verläuft am Rand der Steigerberg-Insel über Meeressand-Ablagerungen entlang der ehemaligen Küstenlinie. Er ist ein eigenständiger und aufwändig gestalteter Themenweg. Vielfältige Stein- und Kräuterinstallationen sowie ein Barfußpfad machen dabei die Erdgeschichte mit allen Sinnen erlebbar.

Eine ganz besondere Station
Das Strandbad der Sinne – aufwändig gestaltet
..unter Bezugnahme auf die einzelnen Naturdenkmalsstationen
Geologen können hier locker das Erstsemester absolvieren

Von Eckelsheim führt eine fünf Kilometer lange Passage zum Rundweg Flonheim entlang der ehemaligen Nordwestküste der Vorholz-Halbinsel von den Andesitsteinbrüchen des Aulheimer Tals (Hot Rocks) über einen Aussichtspunkt im Südosten und vorbei am berühmten  Flonheimer Trullo zu den zahlreichen Steinbrüchen, in denen jahrhundertelang Flonheimer Sandstein abgebaut wurde. Der hier abgebaute Sandstein wurde unter anderem auch für den Bau des Kölner Doms verwendet. Die Sandsteine der Vorholz-Halbinsel entstanden zur Zeit des Rotliegend vor ca. 290 Millionen Jahren in einem von Seen und Flüssen geprägten Umfeld. Vulkanische Ausbrüche führten dabei zur Ablagerung der Andesite.

Man kann sich einfach nicht satt sehen….
Ein alter Bekannter: der berühmte Flonheimer Trullo
Mächtiges Gerät: Ein Vollernter, wie er in den Weinbergen eingesetzt wird
Gemächlicher nimmt es dagegen dieser Rollerfahrer
Eine edle Trunkesstätte – die Weinkirche

Die Schlußetappe dieser4 ausgedehnten Tour führt via Erbes Büdenheim zu einem der spektakulärsten Naturdenkmäler der gesamten Tour, dem Trift. Imposant der hier freigelegte versteinerte Meeresboden. Schier unglaublich ist es für einen geologischen Laien, dass man noch heute signifikante Spuren der damaligen Meeresgeschöpfe erkennen kann. Eine Blasmulde in U- Form an der Wand ist entstanden von einem Rochen auf Nahrungssuche. Knotenartige Strukturen sind zu sehen, deren verfüllte Gänge von Krebsen und Würmern, die am Meeresboden gegraben haben stammen. Haifischzähne und Seekuhknochen wurden hier gesichert.

Die letzte Station bei Weinheim: der versteinerte Meeresboden – der Trift
Der Kreis hat sich geschlossen

Nach 47 Kilometern und 1.000 Höhenmetern ist eine außergewöhnliche, hochinteressante und seeluftfreie Küstenwanderung zu Ende. Sinnigerweise bietet sich die farbenfrohe Herbstzeitpassage für diese nicht alltägliche Tour an. Einmal mehr verdeutlicht solch eine Wanderung, welche Möglichkeiten bestehen das heimatliche Umfeld unter einem ganz anderen Fokus zu entdecken.

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