Brensbach, den 17.12.2016 –
Im schönsten Abschnitt des Gersprenztals bei Reichelsheim hat der Odenwaldklub einen zwanzig Kilometer langen Qualitätsweg „Gersprenztalrunde Wanderbarer Odenwald“ ausgewiesen, der mit der heutigen Passage auf dreißig Kilometer ausgedehnt wird, damit es sich lohnt die Wanderstiefel zu schnüren.
Gestartet wird in Brensbach, dessen Namensgebung gemäß Legende darauf zurückzuführen ist, dass der namensgebende Bach im Sternenglanz den Eindruck vermittelte, dass er brenne. Zunächst führt die Passage südlich nach Nieder-Kainsbach und nach Stierbach, beides Ortsbezirke der Gemeinde Brensbach.
Auf dem Weg hinauf zum Schnellertsberg kann man nebelbedingt nur erahnen, welch Panoramasichten man hier an klaren Tagen genießen kann. Das Ziel am Berg ist die sagenumwobene Burgruine Schnellerts. Hier hauste einst der Schnellertsgeist, der mit seinem „Wilden Heer“ immer dann geräuschvoll aber unsichtbar zwischen der gegenüberliegenden Burg Rodenstein und der Burg Schnellerts pendelte, wenn dem Reich Gefahr drohte. Gemutmaßt wird, dass die Burganlage im 13. Jahrhundert errichtet wurde. Heute sind nur noch restaurierte Fragmente in dem hier geschaffenen Freizeitareal zu besichtigen.
In Erweiterung der Gersprenztalrunde wird eine Schleife Richtung Böllensteiner Höhe gezogen. Bei guten Wetterbedingungen hat man auf der Anhöhe herrliche Weitblickmöglichkeiten. Nach einigen Kilometern ist die Richtstätte oberhalb von Ober-Kainsbach erreicht. In dem hier damals eigenständigen Zent wurde nach offiziellen Dokumenten seit mindestens 1577 der Galgenstrick geschwungen. Nachdem 1623 der Galgen zusammenbrach wurden für die Neuerstellung zusammen mit dem Reichelsheimer Galgen immerhin 14 Gulden investiert. Beim zugehörigen Richtfest hat man jedoch für Essen und Trinken 99 Gulden! und 7 Albus ausgegeben, ein weiterer Beleg dafür, dass im Odenwald „Essen und Trinken“ schon immer eine herausragende Bedeutung hatte. Dort wo einst die Skelette der Gehängten baumelten, können heute Wanderer ihre müden Knochen an einer Rasthütte mit Blick auf Ober-Kainsbach ausstrecken.
Kurz vor der Spreng geht es westwärts Richtung Morsberg. Ein Schild des Geoparks weist auf einen Einschnitt „Zum Geheimnis der weißen Steine von Ober-Kainsbach“ hin. Der Umweg lohnt, denn hier kann man, untypisch für die rote Sandsteinregion, einen stillgelegten Bruch entdecken, der aus weißem Sandstein besteht. Der hier befindliche Stein ist vollständig ausgebleicht und das Eisenoxid, welches für die Rotfärbung verantwortlich zeichnet, ausgetragen. Dieser Sandstein wurde unter anderem an umliegenden Bahnhöfen und der evangelischen Kirche von Reichelsheim verbaut. Zurück geht es Richtung Vierstöck, einer historischen Wegescheide, dessen Namensgebung von einem ehemaligen Wegekreuz (Vier Stöcke) stammt.
Das hier ansässige und überregional sehr geschätzte Waldlokal, welches zu einer Zeit errichtet wurde als bis zu 300 Bergleute in dem Areal beschäftigt waren, ist seit Frühjahr 2016 für immer geschlossen. So geht es ohne Atzung weiter entlang der gleichnamigen Tongrube Vierstöck. Hier wurde Kaolin abgebaut, ein Grundstoff der für die Porzellanherstellung und Farben- und Lackherstellung verwendet wurde. Geologisch Interessierte können hier entlang eines 13 Kilometer langen Geopark-Lehrpfades, gespickt mit 17 Informationstafeln, die Reichelsheimer Bergbaulandschaft ergründen.
Nach weiteren zehn Wanderminuten erreicht man die Reste des Beerfurther Schlösschens, wenn man es entdeckt, da das Areal ein- und zugewachsen ist. Gemutmaßt wird, dass das Schlößchen als Vorläufer der Reichelsheimer Burg Reichenberg um 1200 errichtet wurde, als erste Bastion der Erbacher Grafen in diesem Distrikt. Gesichert ist jedoch die Erkenntnis, dass Mitte des 18. Jahrhunderts Odenwälder aus den umliegenden Gemeinden das außerordentlich schön behauene Steinmaterial abtrugen, um damit ein Schulhaus und weitere Gebäude zu errichten.
Hinab geht es nach Beerfurth mit Blick auf das Schloß Reichenberg. Der Ortsname steht für eine Furt, durch die Schweine getrieben wurden. Noch heute gibt es traditionelle Betriebe wie beispielsweise die „Odenwälder Gäulchesmacher“, eine Drechselstube und eine Lebkuchenbackstube. Scheinbar abgestimmt die Öffnungszeiten der hiesigen Gastronomie. Vier Gaststätten, samstags zur besten Mittagszeit allesamt geschlossen. So geht es hinauf zum Hasenbuckel, welcher gegenüber dem Schloß Reichenberg liegt. Auch in diesem Areal hätte man bei klarer Wetterlage eine ausgezeichnete Rundumsicht auf die sanfthügeligen Höhenzüge des Vorderen und Mittleren Odenwaldes.
Weiter geht es auf einer schönen Passage hinab nach Fränkisch-Crumbach. Historisch belegt ist der Ortsnamenursprung Crumbach. Seit die Ritter von Rodenstein, die Mitglieder der Fränkischen Ritterschaft waren, im 15. Jahrhundert den Besitz übernahmen, ist die Siedlung auch namentlich mit einem fränkischen Querverweis belegt.In der Ortsmitte ist das Backsteingebäude der ehemaligen Oppenheimer Zigarrenfabrik zu sehen, die in Spitzenzeiten (30er Jahre) 300 Mitarbeiter beschäftigte. Quasi um die Ecke stößt man auf die Kirche St. Laurentius, die jedoch verschlossen ist, was bei evangelischen Kirchen mittlerweile ein unseliger Standard ist. Hier könnte man die Epitaphien der Herren von Rodenstein besichtigen, wenn offen wäre.
Besonders interessant ist das im Außenbereich der Kirche angebrachte Rodensteiner-Sandsteinrelief. 1937 aus gebrannten Tonplatten angebracht, kann man hier das Odenwälder Brauchtum vortrefflich studieren. In der Mitte des Großreliefs jagt der Rodensteiner der Sage entsprechend mit flatterndem Mantel auf seinem Pferd über die Höhenzüge des Odenwaldes als Methapher für den Geisterzug des Rodensteiners der zwischen den Burgen Schnellerts und Rodenstein hin und her jagte. Die vier Randplatten des Reliefs veranschaulichen das Brauchtum der vier Jahreszeiten.
Weiter geht es der Gersprenz Richtung Wersau folgend vorbei an der Ruine Dornmühle, die älteste von einst von vier Mühlen im Crumbacher Areal. Wechselhaft die sechshundertjährige Geschichte der Mühle, die 1962 abbrannte. Nach 31 Kilometern ist Brensbach wieder erreicht. Mit 750 Höhenmetern ist diese erweiterte Gersprenztalrunde sehr angenehm zu laufen und kulturell und aussichtsmäßig hochgradig zu empfehlen.
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