Wispertal, den 14. Aporil 2018 –
Es gibt sie noch, die versteckten Wanderparadiese in unserem Lande – und diese sind oftmals näher als man glaubt. Die Rede ist vom Wispertal im Wispertaunus gelegen, der wiederum Bestandteil des Taunus ist – großräumig betrachtet im westlichen Zipfel zwischen Lahn und Rhein gelegen. Namensgeber des Tals ist die Wisper, von der Quelle bis zur Mündung immerhin 29 Kilometer lang. Schon seit geraumer Zeit beschäftigt man sich damit die Region für den Wandertourismus zu entwickeln und insgesamt 190 Kilometer Wanderwege in Premiumqualität zu erschließen, wobei zusätzlich unter dem Projektnamen “Wispertaunus-Steig” ein Trail über die Marathondistanz von der Quelle bis zur Mündung entwickelt werden soll.
Grund genug für eine Scout-Tour um diese spannende Region näher kennenzulernen. Gestartet wird in Kemel, einem Ortsteil der Kommune Heidenrod . Empfehlenswert ist es sein Fahrzeug an einem unbefestigten Parkplatz unweit der Bushaltestelle „In der Haid“ abzustellen. Von hier aus erreicht man nach wenigen hundert Metern in westlicher Richtung den offiziellen Startpunkt , die Wisperquelle. Ab hier geht es bergab – und zwar elf Kilometer lang, der mäandernden Wisper folgend, wobei es empfehlenswert ist die nördliche Seite der Wisper zu folgen. Hier wird dem Auge einfach mehr geboten.
Eng, sehr eng und steil ist in diesem Areal das Rheingaugebirge ausgebildet, was dazu führt, dass hier erst zwei Stunden nach Sonnenaufgang die Sonnenstrahlen auf die Wisper treffen, zumindest in dieser Jahreszeit. Nach einigen Kilometern erreicht man den 100 Seelen zählenden Weiler Wisper, der immerhin über eine Gastwirtschaft verfügt, auch wenn diese zur frühen Morgenstunde noch nicht geöffnet ist.
Vorbei an einer idyllisch gelegenen Friedhofskapelle ist bald der Wispersee erreicht, ein in den 70er Jahren angelegter künstlicher See. Von hier aus folgt man der Wisper auf der westlichen Flußseite um nach insgesamt elf Kilometern ab Quelle gerechnet den Wanderparkplatz Wispertal zu erreichen, dort wo sich der Fischbach mit der Wisper vereint.
Einfach, da immer dem Verlauf der Wisper folgend, die Streckenführung bis dahin. Parallel der L 3033 folgend geht es nun weiter westwärts. Punktuell tauchen ältere Beschilderungen „Wispertalweg Bad-Nauheim-Lorch auf. Unterhalb des Scherbensberg folgt man den Schleifen Richtung Geroldstein, um dann in nördlicher Richtung einschwenkend über den Falkenhof hinauf Richtung Dickschied zu wandern.Auf dem 445 Meter hoch gelegenen Atzmann hat man Gelegenheit die reich bewaldeten Anhöhen des Wispertals zu überblicken. Schwere Dunstschwaden, Überbleibsel der vorausgehenden Regennacht, haben sich teilweise in den engen Taleinschnitten festgebissen.
Fernab der Wisper geht es auf selbst gewählten verschlungenen teilweise felsdurchsetzten Pfaden den Herzbach und in der Folge die hessisch-rheinland-pfälzische Grenze querend nach Espenschied. Der Luftkurort Espenschied – touristisch als Sonnenterasse des Wispertals vermarktet, ist auch wandertechnisch ein zentraler Punkt des Wispertaunus. Hier befindet sich der 15 Kilometer lange Wispertalsteig, ein zertifizierter Qualitätsweg, der unter dem Motto „In Stille wanderbar“ das ausdrückt, was man hier tatsächlich erleben darf: Ruhe und Stille in Perfektion.
So bietet es sich an auf dem Weg zur Mündung der Wisper in Lorch den Wispertalsteig partiell zu integrieren. Schenken kann man sich den sicherlich aus Zertifizierungsgründen angelegte Bypass über Oma,s Ruh. Sinnvoller ist es über die Borngasse einem Nebenlauf der Wisper zu folgen, um nach wenigen Kilometern die Laukenmühle im ehemaligen Freistaat Flaschenhals gelegen, zu erreichen. Hier kann man vortrefflich einkehren. Weit über die Grenzen der Region ist diese gastfreundliche Stätte bekannt für Wisperforelle und Rheingauriesling – und um 10.30 Uhr bekommt auch ein Frühstarter ein Tässchen Kaffee kredenzt.
Gegenüber der Ruine Lauksburg folgt man zunächst dem weiteren Wegeverlauf des Premiumweges Wispertalsteig. Auf wenig begangenen und oftmals nicht ausgeschilderten Pfaden geht es über die Mehrhölzer Höhe Richtung Pathfester Hof, um dann wiederum in südlicher Richtung einzuschwenken Richtung Kammerburg. Herausfordernd sind in diesem Areal die Auf- und Abstiege – nicht zwingend geeignet für einen geruhsamen Sonntagsspaziergang. Diese Passage sollte man unter der Rubrik „Der Weg ist das Ziel“ verbuchen, denn das eigentliche Ziel das Gasthaus „Zur Kammerburg“ unterhalb der gleichnamigen Ruine erweist sich als totes Ziel. Die Gastwirtschaft aufgegeben, statt der Kochtöpfe qualmt der Teerkessel des hier beschäftigten Straßenbauunternehmens, die die Landstraße hier wieder in Schuß bringt. So zerstäubt sich die Hoffnung auf ein erfrischendes Wanderweißbier und es geht in langgezogenen Schleifen nordwestlich stetig aufwärts Richtung Ransel.
Oben angekommen kann man zahlreiche Windräder, die auf der gegenüberliegenden Rheinseite auf den Anhöhen des Hunsrücks stehen, als Landmarke gut erkennen. Traditionell war in dieser Region der Schieferbergbau beheimatet. So geht es vorbei an der ehemaligen Grube Hundsberg steil hinab nach Sauerthal, eine Gemeinde die bereits zur Verbandsgemeinde Loreley gehört. Der schmale Weiler schlängelt sich durch das tiefe Tal. Auf Höhe der Pfarrkirche hat man die Option die hoch gelegene Sauerburg zu erklimmen – wenn man möchte.
Als Alternative folgt man einer Wanderwegshaupttrasse und hat bald die spärlichen Reste der ehemaligen Burg Kleine Waldeck erreicht. Auch hier bietet sich wiederum eine Alternative an. Entweder zieht man weiter, vorbei am Schießstand Lorch um über die Ruine Nollig, die oberhalb von Lorch trohnt, wandernd die spektakulären Blicke auf das UNESCO-Weltkulturerbetal zu genießen, oder man wandert oberhalb des Tiefenbaches vorbei an Ranselberg auf Höhe des Gewerbeparks Wispertal auf die Wisper zu, um dann Richtung Lorch einzuschwenken.
Im Hinblick auf den aktuellen Kilometerstand und das enge Zeitfenster für die öffentlichen Verkehrsmittel wird Variante 2 bevorzugt. Nach insgesamt 46 abwechslungsreichen Kilometern, knackigen 1.200 Höhenmetern und nicht minder anstrengenden 1.670 Abstiegsmetern ist der Rhein, dort wo die Wisper entwässert, erreicht. Die Rückfahrt schon speziell. Mindestens zweimal umsteigen und im Minimum zwei Stunden Transferzeit sind zusätzlich einzuplanen. Eben der gewollte Preis für ein Stück Freiheit und Abgeschiedenheit.
In der Gesamtbetrachtung eine außergewöhnliche Wanderung, konditionell eine Herausforderung, unterlegt mit einer spannenden Wanderwegtextur, Abgeschiedenheit pur (auf der gesamten Strecke kam es mit Ausnahme von circa zehn Rehen und der Bedienung in der Laukenmühle zu keinem weiteren Kontakt –kein Wanderer, kein Radfahrer, kein Reiter), reich an Wasser und spannenden Mittelgebirgszügen. Man darf gespannt sein über die weitere Entwicklung der Wanderwegsinfrastruktur in dieser wunderbar wanderbaren Region.
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