
Schweinfurt, den 25. Februar 2021 – Kann man so einfach einundsechzig Mainkilometer unterschlagen? Würde man dem Streckenverlauf des Steigerwaldklubs folgen, der zwischen Würzburg und Eltmann für die Streckenkennzeichnung des Mainwanderweges verantwortlich zeichnet, dann auf jeden Fall. So hat man den nördlichen Mainbogen der bis nach Schweinfurt und Haßfurt reicht schlichtweg ausgeblendet. Ist die Region unattraktiv? Gilt es etwas zu verbergen? Fragen über Fragen, die es zu beantworten gilt.

Wenn schon Main stromaufwärts von der Mündung zur Quelle, dann mit allen Konsequenzen. So geht es im bewährten Schema startend von Wipfeld per Fähre über den Main um links des Flusses nordwärts Richtung Schweinfurt zu wandern. Vorbei am Kloster St. Ludwig geht es hinauf zu den letzten Ausläufern des Volkacher Weinanbaugebietes Richtung Lindach. Während gen Osten der Fixstern namens Sonne hochschubt, schälen sich mit Blick gen Norden die Reaktortürme des Kernkraftwerks Grafenrheinfeld aus dem morgendlichen Nebel. Auf dem landwirtschaftlich ausgeprägten Hochplateau hat man unter dem Signet “Schweinfurter Wanderlust” neunzehn Rundwanderwege einschließlich eines sechsundreißig Kilometer langen Mainbogenweges konzipiert. Über gut wanderbare Feld- und Wiesenwege ist nach neun Kilometern Heidenfeld erreicht. Bereits von Weitem kann man das mächtige Klostergebäude des Kloster Heidenfeld ausmachen. Der mächtige Konventsbau hat die Anmut eines Schlosses. Jedoch ist es bereits beschlossen, dass das Kloster im Herbst diesen Jahres aufgelöst wird. Der Nachwuchs fehlt. Unklar ist bislang, was mit dem mächtigen Klostergebäude geschehen wird.







Durch Heidenfeld geht es hinüber nach Röthlein, um im Anschluß in die Seenlandschaft des Kapitelwaldes einzutauchen. Es empfiehlt sich nicht den Haupttrampel- bzw. radpfad der quer durch das Waldgebiet führt zu nutzen, sondern rechter Hand den naturbelassenen Pfad zu begehen, der teilweise integrativer Bestandteil eines knapp zwanzig Kilometer langen Auenwaldweges ist. Unmittelbar dahinter schließt sich nach der Waldzone der Schweinfurter Baggersee an, ein blitzsauberes und weitläufiges Freizeitareal, angedockt im unteren Schenkel des A70-Kreuzes. Spätestens hier, im Vorhof des Schweinfurter Industriegebietes, merkt man, dass die Stadt mit einer außergewöhnlichen Industriegeschichte belegt ist. Schweinfurt ist heute noch die Welthauptstadt des Kugellagers. Ob Fichtel und Sachs oder FAG Kugelfischer – die Firmengründer, es waren allsamt clevere Schweinfurter Buben.








Einziger Wermutstropfen, wenn man vom Süden kommend zu Fuß nach Schweinfurt wandert, man muss durch das weitläufige Industriegebiet – aber irgendwo will das Geld ja verdient sein und spätestens hier wird man daran erinnert, dass lediglich noch Augsburg und München der Stadt Schweinfurt in punkto bayrischer Industriegechichte das Wasser reichen können. Wer in der Innenstadt Schweinfurts pittoreske Gebäude und Plätze erwartet, ist fehl am Platz. Am vierstärksten Wirtschaftsstandort Deutschlands (nach Wolfsburg, Ingolstadt und München) muss man groß denken. Opulent die Straßenzüge und Plätze. Kunst und Kultur spielen eine große Rolle, wie man an allen Ecken erfahren kann. Abschnittsweise haben hier Bürgersteige die Dimension manch einer Dorfstraße. Kaffeehaussitzer werden hier weniger ihre Freude haben, wer aber kulturell interessiert ist, der sollte Schweinfurt auf jeden Fall auf den Radarschirm nehmen.













Vom heutigen Wendepunkt Schweinfurt geht es südwärts, der linken Seite des Mains folgend zurück zum Ausgangsort Wipfeld. Augenfällig ist die Vielzahl der Kleingärten außerhalb der Stadt. So gibt es sogar einen Stadtverband der Kleingärtner, der als Dachorganisation für mehr als 1.000 verpachtete Kleingarten fungiert. Der Streckenverlauf des Rückweges ist landschaftlich unspektakulär. Zwischen Bergrheinfeld und Garstadt wandert man auf dem unbefestigten Hochwasserdamm. Einzig die in Grafenrheinfeld in Niederlegung befindliche Atomschleuder beleidigt das Auge. Den Rest der Strecke teilt man sich mit den Radlern, die hier, dank guter Infrastruktur, steigungslos zwischen Volkach und Schweinfurt die Region entdecken können.







40,10 Kilometer, so der Stand auf dem Wandertacho. Spannend war es die regionale und internationale Bedeutung einer Stadt wie Schweinfurt kennenzulernen, die sich zumindest geografisch sich in einer Mainnische versteckt. Es hätte ein Stück Maingeschichte gefehlt, wenn man dem Pfad des Steigerwaldklubs gefolgt wäre und diese Region ausgeblendet hätte. Einmal mehr ein Beleg wie facettenreich Flußwanderungen sein können.


Hinterlasse jetzt einen Kommentar