Main stromaufwärts -Mainz-

Mainz, den 28.11.2020 – Von je her prägen Flüsse als Lebensader Natur, Kultur und die Entwicklung einer Gesellschaft. Wandern entlang von Flüssen ist dabei eine ausgezeichnete Möglichkeit Landschaftsräume zu erschließen und die Historie von Regionen zu ergründen. Ob Altmühl, Lahn, Lech, Mosel oder Rhein, um nur einige zu nennen, die Möglichkeiten Flußlandschaften in unseren Landen zu entdecken sind dabei vielfältig. Ein besonderer Fluß, den man selten in der Riege der wanderbaren Flüsse findet, ist dabei der Main, der zwei Quellflüsse, den Weißen und den Roten Main hat. Entlang der 527 Kilometer langen Fließstrecke des Flusses verläuft seit 1971 ein 490 Kilometer langer Fernwanderweg, der vom Fichtelgebirge durch die Fränkische Schweiz, den Steigerwald, den Spessart und den Odenwald führt. So bietet es sich an, den mit einem blauen “M” gekennzeichneten Weg in der anstehenden Wintersaison Stück für Stück in Form gestaffelter Rundtouren zu erschließen.

Von Mainz bis nach Aschaffenburg wird der Mainabschnitt als Untermain bezeichnet. Der Fluß der niemals Sprach- oder Kulturgrenze war, ist jedoch geografisch von besonderer Bedeutung. In der Mitte Deutschlands gelegen wird er gerne als Weißwurstäquator deklariert, denn hier an der Wasserlinie verläuft nach allgemeinem Verständnis die Grenze von Nord- und Süddeutschland. Gestartet wird bei Kilometer 0,0, an der Mainspitze bei Mainz, dort wo der Fluß in den Rhein entwässert und dort wo die offizielle Wegekennzeichnung am Mainzer Winterhafen einsetzt. Über die historische Südbrücke, dort wo einst auch der erste Brückenschlag über den Rhein seit der Römerzeit vorgenommen wurde, geht es vis a vis der Mainspitze zunächst über den Rhein, um die erste von angeblich 83 Mainbrücken zu queren. Sie verbindet das süddeutsche Mainz-Gustavsburg hinüber mit dem norddeutschen Mainz-Kostheim (heute zu Wiesbaden zählend). Einst war hier in Kostheim ein Cellulosehafen eingerichtet, damit die hier ansässige Cellulosefabrik per Schiff mit Holz versorgt werden konnte. Heute produziert die Fabrik unter anderem den wichtigsten Bedarfsartikel unserer modernen Gesellschaft: Toilettenpapier.

Über die Mainzer Südbrücke geht es über den Rhein, wobei nicht die aufgehende Sonne, sondern die massive Lichtverschmutzung in der Region den Weg weist
Links ist der Dom von Mainz , und rechts außen die beleuchtete Mainmündung zu erkennen
Die Kostheimer Brücke verbindet nach landläufiger Meinung Nord- mit Süddeutschland
Vorbei an der Kostheimer Cellulosefabrik
Der Main an seiner breitesten Stelle
Erinnerungsstücke an den alten Cellulosehafen

Die Hochheimer Mainwiesen querend passiert man die Kostheimer Schleuse, die Kostheimer Brücke und die Hochheimer Mainbrücke. Hier in Hochheim ist auch das erste am Main gelegene Weinanbaugebiet vorzufinden. Weine von Weltruf, die ihren Weg sogar bis zum englischen Hof gefunden haben, werden hier angebaut. Lagetechnisch sind die Weinberge dem Rheingau zugeordnet, wobei die Bezeichnung Maingau an dieser Stelle treffender wäre. Der Mainwanderweg führt durch Keramag/Falkenberg, dort wo bis 1982 eine große Keramikfirma ansässig war. Einzig der Ortsname errinnert noch an die Industriegeschichte. Namensgebend für die die nächste Brücke, die Opelbrücke, ist ein Unternehmen auf der gegenüberliegenden Mainseite, welches im 19. Jahrhundert noch Nähmaschinen und Fahrräder herstellte.

Unverkennbare Jugendstilelemente prägen die 1904 errichtete Hochheimer Eisenbahnbrücke
Kein Jugendstil sondern eine aufwändige Stahlverstärkung der benachbarten Hochheimer Autobahnbrücke, nachdem die Stützen der Spannbetonbrücke sich senkten
754 endete hier die Schiffsreise des heiligen Bonifatius, dessen Leichnam zunächst von Utrecht nach Mainz über den Rhein und dann weiterführend auf dem Main nach Kostheim und von dort auf den Landweg zur letzten Ruhestätte nach Fulda verbracht wurde.
35 Prozent Steigung – das steilste Stück am Mainwanderweg
Die ersten 75 Kilometer des Mainwanderweges werden vom Odenwaldklub betreut
“A good hock, keeps of the doc”, so der etablierte Trinkspruch am britischen Hof. 1845 besuchte die Queen Hochheim und begeisterte sich für den hier angebauten Riesling. Da Engländer “Hochheim” schwer aussprechen können, bürgerte sich für Riesling der Begriff “Hock” am Hof ein. Das Denkmal erinnert an die majestätische Würdigung.
Dicht an dicht angesiedelte Industrie prägt die Flußlandschaft des Untermains
Wie der Fuchsschwanz einst den Manta, optimiert kunstvolle Graffiti die Opelbrücke

Traditionell verbindet man das auf der linken Mainseite gelegene Rüsselsheim mit der hessischen Autoschmiede. Weitgehend unbekannt ist jedoch, daß auf der gegenüberliegenden Seite vor Flörsheim weltweit erstmals die Rieslingrebe urkundlich erwähnt wurde. Der Name der Weinlage “Im Rüsselsheimer” Durch das Flörsheimer Mainufer führt die Passage auf den nächsten fünf Kilometern auf einem Damm entlang eines unbebauten Grünstreifens, bevor an der Eddersheimer Staustufe die Kehre auf die gegenüberliegende Mainseite erfolgt. Hier bemerkt man die Auswirkungen der Corona-Pandemie. Donnern ansonsten im Minutentakt Flugzeuge über das Mönchhofdreieck um an der drei Kilometer entfernten Landebahn aufzusetzen, so sind derzeit nur sporadisch einfliegende Maschinen zu verzeichnen. Für die Anwohner im Großraum sicherlich ein positiver Nebeneffekt. Nordöstlich von Raunheim befindet sich die Mönchhofkapelle nebst einem kleinen Friedhof unmittelbar am Mainufer. Schräg gegenüber türmen sich die Tanks der ehemaligen Caltex-Raffinerie auf. Hier wurde unter anderem für die Farbwerke Hoechst jährlich 4,5 Millionen Tonnen Öl verarbeitet. Heute hat hier Fraport sein Flugbenzindepot eingerichtet.

Flörsheimer Pestgedenktagsgedächtnisstütze am Main : 28. Juli 1666
Wehret den Anfängen: Mit Flußverschmutzung setzt die Meeresvermüllung ein
Auf Trauerweiden ist Verlaß: die letzte grüne Hoffnung zu dieser Jahreszeit
Seit 1920 ist die Staustufe Eddersheim in Betrieb und steht in ihrer funktionalen Bauhausarchitektur heute unter Denkmalschutz
Die kleine Mönchhofkapelle am Main
Und nebenan bunkert Fraport Kerosin für den Flugbetrieb
Nicht mal für Kampfschwimmer geeignet
Hingegen können Angler, dank der mittlerweile wieder guten Wasserqualität, ihr Hobby frönen

Am Caltexölhafen passiert man die vielleicht schönste Brücke am gesamten Main, die Ölhafenbrücke Raunheim, die sich s-förmig über die Hafeneinfahrt spannt. Vis a vis von Flörsheim steht eine Sandsteinsäule, die an den hier einst unterhaltenen Fährbetrieb erinnert, bis die erste Opelbrücke, an deren Kosten sich der Autobauer mit immerhin 50% beteiligte über den Rhein gespannt wurde. Hinter der Opelbrücke schließt sich der Stadtpark an und man taucht ein in die Opelwelt. In bester Mainlage wurden hier Villen und Herrenhäuser für die Opelfamilie und Direktoren errichtet. Daran schließt sich eine Festung mit Wallanlage an.

Wandern bildet: Dieses Flußverkehrszeichen verbietet die Einfahrt in den Ölhafen
Die futuristische Ölhafenbrücke von vorne
..und von hinten
Zeitgeistgraffiti
..und dieses Thema ist zeitlos…
Erinnerungsstele an alte Zeiten
Stilgerechter Einmarsch Richtung Rüsselsheim
Die Opelvillen – heute ein Forum für Kunst und Ausstellung
Teil der künstlichen Ruine des angeschlossenen Landschaftsgartens
Diese Rüsselsheimer Statue erinnert an die Leinreiter, die vor der Ära der Dampfmaschinen Schiffe stromaufwärts mit Pferdegespannen zogen.

Mußte man bis 2015 den weitreichenden Komplex des Opelwerkes umrunden um mainabwärts zu wandern, kann man nun über den verbauten 440 Meter langen Opelsteg wassernah unterhalb der Autofabrik direkt entlang des Mains laufen – ohne unmittelbar mit dem weitreichenden Industriegelände konfrontiert zu werden. Entlang des Maingewanns wandert man durch eine weitreichende naturbelassene Grünfläche, vorzugsweise oberhalb des Damms. Kaum zu glauben, daß man sich hier inmitten einer hochindustrialisierten Zone befindet. Am Mainufer von Gustavsburg, welches bis 1945 noch zu Mainz gehörte, schwenkt man zur Mainspitze ein, dort wo der Main in den Rhein entwässert. Die Mainspitze ist ein beliebtes Freizeitareal in der Region. Hier kann man abhängen, Rhein- und Mainschiffe beobachten und die Blicke über das gegenüberliegende Mainz samt Dom schweifen lassen. Zurück geht es über die Mainzer Südbrücke zum morgendlichen Ausgangsort. Main stromaufwärts. Aus- und einsichtsreiche 39 flache Kilometer entlang des längsten rechtsrheinischen Zuflusses. Ein gelungener Auftakt, in diesem Abschnitt des Untermains klar industriell geprägt. Fortsetzung stromaufwärts folgt in Kürze….

Zwei hessische Eckpfeiler: Opelwerk in Rüsselsheim und die an der Ostmauer des Werkes angebrachte Erinnerungsstütze an einen hessischen Traditionsverein
Der Opelsteg am Main: 300 Tonnen Stahl wurden hier verbaut – daraus hätte man locker 500 Corsa stanzen können
Blick hinüber auf das Weinzentrum Hochheim im Rheingau
Durchschnittlich 60 Schiffe nutzen tagtäglich die Mainfähren entlang dieses Abschnitts
Quer über den 50. Breitengrad
Und Stempeljäger kommen hier auch auf ihre Kosten
Man merkt überall daß man sich im Mainzer Einzusggebiet bewegt
Mainkilometer 0,0
Die Mainspitze
Links schwimmen die Rheinfische – rechts die Mainfische – diesem Angler kann es egal sein – im Hintergrund der Blick auf Mainz

2 Kommentare

  1. Hallo Martin,

    danke für den schönen Wander-Bilderbogen.
    War in dem Bereich auch schon mehrmals zu Fuß unterwegs.
    Ist schon ein schönes Fleckchen Erde.

    Ein kleiner Textfehler hat sich eingeschlichen:
    “Kein Jugendstil sondern eine aufwändige Stahlverstärkung der benachbarten Hochheimer Bahnbrücke, nachdem die Stützen der Spannbetonbrücke sich senkten.”
    Du meinst sicher “der benachbarten Hochheimer Autobahnbrücke”.

    Wünsche noch viele schöne Wanderungen !

    Gruß
    Paul

Schreibe einen Kommentar zu powerwalkers Antworten abbrechen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*