Heidelberg, den 15. Mai 2020 – “Zum Schluß das Beste?” Eine Million Besucher, die sich pro Jahr zum Heidelberger Schloß aufmachen, können nicht irren. Jedoch, für uns wird auch die letzte Etappe der insgesamt fünf Burgensteig-Blütenwegrunden nach der bewährten Erkenntnis “Der Weg ist das Ziel” im Fokus stehen und die Einstiegsfrage wird zum Ende dieses Beitrages zu beantworten sein.
Die Strahlenburg oberhalb von Schriesheim ist der Startpunkt dieser Exkursion. Unterhalb des Ölbergs, einem stillgelegten Steinbruch, der heutzutage bei Klettersportlern sehr beliebt ist, zieht sich der Burgensteig durch die oberste Reihe der Weinberge. Bewährt die Aussicht in die Rhein-Neckar-Ebene, hinüber in das Großstadtkonglomerat Ludwigshafen/Mannheim und die sich dahinter erhebende Pfalz. Nach knapp drei Kilometern ist die Burgruine Schauenburg erreicht. Im 13. Jahrhundert errichtet, zweihundert Jahre später geschliffen, im 19. Jahrhundert zu Hausbauzwecken systematisch abgetragen. Heute erfreuen sich Wanderer über den fragilen Zustand und die Aussichtsmöglichkeiten – ein typischer Werdegang einer Burg in unseren Landen.
Ein Höhenweg zieht eine ausladenden Schleife in das wasserreiche Waldgebiet. Mantelbach, Brenkenbach, Mühlbach, Eisbach, Höllenbach -alles Gewässer die irgendwann via Neckar und Rhein in der Nordsee entwässern. Studiert man die Namen einiger Schneisen, wie beispielsweise der Sargweg, über den der Burgensteig führt, so wäre es durchaus spannend die damit verbundene Geschichte in Erfahrung zu bringen. Im Wegverlauf verändert sich das Gestein, immer mehr Sandstein setzt sich auf dem Gang nach Heidelberg sichtbar durch. So erheben sich entlang des Hellenbachtalweges diesbezüglich beeindruckende Steinformationen.
Wir touchieren Handschuhsheim am östlichsten Zipfel, ein Ort der uns noch auf dem Rückweg beschäftigen wird, um den steilsten Aufstieg des Tages zum Heiligenberg in Angriff zu nehmen. Im Gegensatz zu den ansonst an der Bergstraße verteilten Burganlagen ist Schloß Heidelberg nicht offenkundig sichtbar an der Abrißkante der Bergstraße drapiert, sondern tatktisch eingehaust zwischen den beiden Heidelberger Hausbergen, dem Heiligenberg und den auf der gegenüberliegenden Neckarseite sich erhebende Königstuhl. Eine keltische Ringwallanlage, sakrale römische Stätten und Klosterbauten aus der Karolingerzeit belegen die besondere Bedeutung des Heiligenbergs. Die Nationalsozialisten vereinnahmten den Berg und ließen hier eine mächtige Versammlungsstätte nach griechischem Vorbild errichten. Heute ist der Heiligenberg ein beliebtes Naherholungsgebiet mit phantastischen Aussichtsmöglichkeiten. So hat man am Zollstock fernab von japanischen, amerikanischen und Offenbacher Tagesgästen als Burgensteigwanderer die exklusive Möglichkeit, Erstsichtkontakt mit dem Heidelberger Schloß aufzunehmen.
Mit Blick auf die Altstadt von Heidelberg schlängelt sich der Burgensteig am südlichen Hang des Heiligenbergs hinab und mündet im Philosophenweg. Schon früh flanierten hier Heidelberger Studenten. Die synonyme Verwendung der Worte Student und Philosoph stammt aus den Zeiten, in denen jeder Student vor Beginn seines Fachstudiums zunächst Philosophie studieren musste. Heutzutage ist der Philosophenweg ein bei Heidelbergern und Tagestouristen beliebter Ort, um Heidelberg von einer anderen Seite zu genießen. Steil abwärts führt der sich anschließende, in Stein gehauene Schlangenweg hinab zur Alten Brücke, dort wo man auf die Eingangspforte der Heidelberger Altstadt stößt.
Mag sein, daß man als Odenwälder eine andere Sichtweise hat. Wir fragen uns, während wir die mehr als 300 Stufen hinauf zum Heidelberger Schloß absolvieren, was eigentlich der Reiz dieser Burgruine ausmacht, die als Inbegriff der deutschen Romantik stehen soll. Paris, London, Amsterdam, Heidelberg, Rom so der achtägige Europamarathon fernöstlicher Gäste. Bewaffnet mit Handy, Selfiestick und Bratwurst ziehen die ausländischen Gäste im Eilschritt hinauf, um Minuten später die sozialen Medien mit den digitalen Sequenzen zu fluten. Japanisch, Koreanisch, Englisch und Arabisch – so die Reihenfolge der digitalen Sprachführer – und der Deutschlandbesucher Mark Twain berichtete nach dem Anblick des Schlosses: ” Die Natur versteht es, eine Ruine zu schmücken, um die beste Wirkung zu erzielen. ” Letztendlich ist es den Franzosen, die 1693 das Gemäuer in die Luft jagten, zu verdanken, daß sich das Areal zu einem weltweit bekannten touristischen Hotspot entwickelt hat.
Offiziell endet der Burgenweg in Heidelberg, während der parallel verlaufende Blütenweg bis nach Wiesloch führt. Wenn man sich schon auf die Anhöhen des Schlosses begeben hat, dann empfiehlt es sich die Tour ein wenig zu erweitern, um einzutauchen in das Heidelberger Arboretum, dort wo oberhalb der Molkenkur mächtige Mammutbäume bereits 1876 angepflanzt wurden. Mag das Heidelberger Schloß weltweit Begeisterung auslösen, am langen Ende beeindrucken uns die größten Lebewesen dieses Planeten eindeutig mehr.
Über den Speyrerhof geht es hinüber zum Arboretum II, dort wo asiatische Pflanzen und Bäume eingebracht sind. Anschließend geht es bergab. Unterhalb des Ameisenbuckels nehmen wir die Fährte Richtung Blütenweg auf. Hunderte von Treppenstufen, diesmal steil abwärts, sind zu absolvieren, bis die Heidelberger Innenstadt wieder erreicht wird. Krach und Gestank als übliche Begleiterscheinung einer pulsierenden Stadt, kein Vergleich zu der wohltuenden Atmosphäre, die man unter den Mammutbäumen vor wenigen Minuten noch genießen konnte. Über die Theodor-Heuss-Brücke queren wir die Stadt, um am westlichen Rand des Heiligenbergs weiter den Blütenweg zu folgen. Via Radweg könnte man bereits nach 1,5 Kilometern, das nächste Ziel, Handschuhsheim, erreichen. Wir präferieren jedoch die lärm- und gestankfreie Blütenwegschleife, 150 Meter An- und Abstieg inkludiert. Hier löst sich auch das Rätsel des blauen Grenzsteins mit der weißen Hand, die eine Gemarkungsgrenze von Handschuhsheim am Heiligenberg markiert hat. Die Namensbezeichnung hat nichts mit dem Handschuh im Speziellen zu tun, vielmehr handelt es sich um eine sprachliche Mutation des Namens eines einst hier angesiedelten Gutsbesitzers. Außergewöhnlich ist der Standort der in der Ortsmitte befindlichen Tiefburg, übrigens die einzige Wasserburg der Bergstraße.
Zum Schluß das Beste? Die Eingangsfrage läßt sich so nicht bestätigen. Fünf außergewöhnliche, unvergleichbare und spannende Touren. In toto 210 Kilometer, 6.600 Höhenmeter in einer kulturell üppig ausgestatten Landschaft, gespickt mit 24 Burgen und Schlössern, gesegnet mit besten klimatischen Verhältnissen, gespickt mit aussichtsreichen Pfaden. Wer einhundert Prozent Bergstraße erleben möchte, dem sei hochgradig diese Exkursionsreihe an das Herz gelegt, angereichert unter Nutzung der vielfältigen gastronomischen Einrichtungen, die nach den coronabedingten Beschränkungen wieder aufgesucht werden dürfen.
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