Bensheim, den 27. Juli 2016
Ziel dieser Rubrik ist es, Halbtagestouren mit interessanten Einkehrmöglichkeiten vorzustellen. Ob Biergärten, Sanges- oder Trunkesstätten, rustikale Schankwirtschaften ohne 3-Sterneküche und edler Tischgedecke stehen dabei im besonderen Fokus. Ob Wandersfrau oder –mann sich am langen Ende sich für Saft, Wasser oder einen Schoppen Wein entscheidet ist dabei nicht zwingend maßgebend. Entscheidend ist die Wohlfühlatmosphäre – wobei der Gerstensaft aus grundsätzlichen Überlegungen auch wohlbekömmlich sein sollte. An dieser Stelle wird gerne auf die sehr zu empfehlende Lektüre „Fit mit Bier“ (Verlag Hans Carl) zu verwiesen.
“Hast Hunger Du auf Fleisch und Wurst, auf Kuchen oder hast du Durst: Auf Bensheims Hausberg zwischen Reben kannst Du gemütlich einen heben”. So steht es geschrieben auf den Bierdeckeln des Kirchberghäuschens zu Bensheim. Grund genug sich auf den Weg zu machen, um das in exponierter Lage befindliche gastronomischen Refugium aufzusuchen – verbunden mit einer interessanten Halbtagesstrecke. Gestartet wird am Bahnhof in Bensheim- von hier erreicht man in wenigen Minuten die historische Altstadt. Den Marktplatz in der Fußgängerzone querend, geht es entlang des Röderweges hinauf durch herrliche Hohlwege in das Weinbergareal der Bergstraße. In den weitreichenden Wingerts eröffnen sich rechts Blicke Richtung Weinheim und der weiteren Bergstraße Richtung Heidelberg, während vis a vis Schloß Auerbach und der Melibokus das Landschaftsbild prägen.
Vorbei am Luginsland, dem Blauen Türmchen, welches 1910 errichtet wurde und seinerseits zu einem im 19. Jahrhundert angelegten Englischen Landschaftsgarten gehörte, geht es weiter um auf herrlichen Wegen nach eineinhalb weiteren Kilometern das Schönberger Kreuz zu erreichen, welches 1915 auf dem Schnittpunkt der Germarkungen Gronau, Schönberg und Wilmshausen auf Initiative einer gewissen Fürstin Marie zu Erbach-Schönberg aufgestellt wurde. Mit Blick Richtung Felsberg geht es auf herrlich ausgebauten Wanderwegen hinab nach Schönberg, die Bundestraße 47 querend, um auf der gegenüberliegenden Seite das Schönberger Schloß zu erreichen.
Schloß Schönberg, bedingt durch die versteckte Tallage den meisten Besuchern Bensheims nicht zwingend bekannt, wurde im 13. Jahrhundert errichtet und gehörte der Grafschaft Erbach und wurde bis 2011 als Tagungsstätte genutzt. Zehn Gehminuten in nördlicher Richtung erreicht man ein großes Pferdegestüt mit angeschlossener Gastronomie “Ross und Riesling” – eine sehr zu empfehlende Station für eine Kaffeerast. In wenigen Gehminuten hat man von hier aus das Fürstenlager zu Auerbach erreicht. Allemal bietet sich ein kurzer Rundgang durch die weitreichende und gepflegte Parklandschaft an. 1790 durch die Landgrafen und Großherzöge von Hessen-Darmstadt errichtet sind auf dem 40 Hektar großen Park mehr als 50 exotische Bäume und Sträucher zu besichtigen, darunter ein 45 Meter hoher Mammutbaum, der größte Europas. Der Name “Fürstenlager” stammt übrigens aus der Bezeichnung der Residenz durch die Bevölkerung, die hier ihre Herrschaften “auf Wiesen lagernd” beobachten konnte, da der Park nicht umzäunt war, sondern auch während der „Staatsbesuche“ für die Bevölkerung offen stand.
Vorbei am Wachhaus, hinauf zum Freundschaftstempel, geht es durch die am südlichen Hang liegenden Weinberge, immer den Brunnenweg folgend hinauf zum Kirchberg, dort wo sich das legendäre Kirchberghäuschen befindet. Die Idee zum Bau des Häuschens hatten 1840 einige Bensheimer Honorationen. Sie waren der Meinung, dass der damals unbebaute Kirchberg einen krönenden Abschluss haben sollte. So wurde am 2. Juni 1857 wurde das Kirchberghäuschen als „Lusthaus“ eingeweiht. Klare Spielregeln gelten für die unten wohnenden Bensheimer. Ist die Fahne gehisst, hat das Kirchberghäuschen geöffnet, und man steigt nicht umsonst aufwärts. Belohnt wird man durch einen fantastischen Blick in die Rhein-Neckar Ebene – wahrlich ein lohnenswertes Ziel.
Im Ausschank befinden sich Bergsträßer Weine, das hessische Traditionsgetränk “Äbbelwoi” und zwei Biere der Bamberger Brauerei Kaiserbräu, so zumindest nach Auskunft der Schankkraft, da jeglicher Hinweis im Lokal fehlt, welches Bier aktuell durch den Zapfhahn strömt. Das Weizenbier wird in 0,4l Exportgläsern ausgeschenkt. Die Schaumkrone ist stabil, der Antrunk überlagert durch eine intensive herbe Note – ungewöhnlich für ein hefiges Bier. Auch im Nachtrunk wirkt das als Weizenbier kredenzte Getränk unausgwogen. Überzeugender dagegen das Pils des Hauses. Eine wohlakzentuierte Pilsnote, unterlegt durch ein angenehm weiches Brauwasser lässt dieses Bier durchweg als “rund” erscheinen. Im Backtesting schließt sich erneut ein Weizen an, jedoch auch hier bestätigt sich die Unausgewogenheit des Hefetrunkes. Die Speisekarte, übersichtlich und fokussiert auf Odenwälder Traditionsgerichte, wie beispielsweise ein Kochkäseschnitzel. Ein paar Hausmacher Bratwürste vom regionalen Metzger gereicht mit Bauernbrot klingt verlockend, jedoch hier eine Enttäuschung. Die Wurst augenscheinlich auf der Hitzeplatte schon länger zwischengelagert begleitet mit einem Schlag Zwiebelsauce und einem Batzen Senf, das gereichte Brot, wie der innere Rand hinter der Brotkruste verdeutlicht, aufgefrischt. Dies entspricht maximal einer ausreichenden Qualität – das sollte besser gehen. Ungeachtet dieses Außreißers vielleicht auch unter “schlechte Tagesform” verbucht – das Ausflugslokal ist einzig schon lagebedingt eine absolute Empfehlung.
Steil abwärts geht es hinab nach Bensheim. Hier bietet sich ein Abstecher in die Obergasse 30 zum Walderdorffer Hof an. 1395 fertiggestellt ist das Anwesen das ältestes Fachwerkhaus im südhessischen Raum. Im Gartenlokal an der Stadtmauer bietet es sich an das heimische Bier aus der Weinheimer Brauerei zu verkosten. Eine vortreffliche Entscheidung. Obschon der Walderdorfferhof als Weinlokal firmiert, ist das lokale Pils vom Faß wohlschmeckend und bekömmlich und hebt sich deutlich vom fränkischen Bier des oben liegenden Kirchberghäuschens ab. Allemal empfehlenswert ist ein Blick in das historische Lokal mit dem freigelegten Fachwerk. Auf dem Rückweg zum Bahnhof passiert man den “Bierkeller” Die Einrichtung sowohl des Biergartens ist originell, das kredenzte Bier einer Frankfurter Großbrauerei eher weniger.
Mit 16 Kilometern rund um Bensheim, inclusive dem Aussichtspunkt Kirchberghäuschen absolviert man eine angenehme, facettenreiche und sehr zu empfehlende Halbtagestour mit unterschiedlichen Eindrücken hinsichtlich der gereichten Hopfengetränke , was jedoch letztendlich immer Geschmacksache ist.
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