Darmstadt, den 2. September 2015
Im Generellen Wandern schließen sich Wandern und eine damit verbundene zielgerichtete Einkehr in eine geeignete Schankwirtschaft grundsätzlich nicht aus. Ziel dieser Rubrik ist es, kleine Halbtagestouren (20 bis 25 km) mit interessanten Einkehrmöglichkeiten vorzustellen. Ob Biergärten, Sanges- oder Trunkesstätten, rustikale Schankwirtschaften ohne 3-Sterneküche und edler Tischgedecke stehen dabei im besonderen Fokus. Ob Wandersfrau oder –mann sich am langen Ende sich für Saft, Wasser oder einen Schoppen Wein entscheidet ist dabei nicht zwingend maßgebend. Entscheidend ist die Wohlfühlatmosphäre – wobei der Gerstensaft aus grundsätzlichen Überlegungen auch wohlbekömmlich sein sollte.
Bei dieser Tour geht zur Brauereilegende von Darmstadt, so zumindest nach eigenem Bekunden der bereits 1838 gegründeten Brauerei – seit 1899 unter dem Namen Grohe firmierend. Gestartet wird im heimischen Münster. Westwärts gehend geht es über die insbesondere vom Spargelbau domestizierten Sandflurstücke vorbei an einem Reiterhof, der am klanghaften Flurstück “Auf die Alimentsländer” am Großwiesenweg gelegen ist, vorbei zwischen ehemaliger Müllkippe und Kleingartenanlagen an Dieburgs Kläranlage über den in das Bahnofsareal mündende Fuchsburg in die Dieburger Altstadt.
Vorbei am in dieser Form 1717 errichteten Renaissancebau, dem Fechenbacher Schloß wird der Dieburger Marktplatz gequert wird, der jahreszeitentypisch von der Cappuccino- und Proseccofraktion okkupiert ist. Ein kurzer Schlenker führt über den Schloßgarten, der im 18. Jahrhundert als prachtvoller englischer Park angelegt wurde. Längst verzogen sind die Schmauchspuren der Vergangenheit. Die prachtvolle Lindenallee mußte gefällt werden, die heutige Struktur des Parkes – mehr oder minder glanzlos. Einzig die geordnete Struktur der knapp zweihundert Meter langen Hauptallee erinnert daran, wie prachtvoll dieser Anlage einst gewesen sein muß.
So geht es zügig weiter in westlicher Richtung, um Groß-Zimmern am Industriegebiet zu touchieren um dann hinter dem Real-Markt entlang eines kleinen Naturschutzgebietes entlang des Erbsenbaches Richtung Gundernhausen zu wandern. In den letzten Jahrzehnten hat sich das alte historische Ortsbild dieser Kommune deutlich verändert und neubaugebietsbedingt erheblich ausgeweitet. 1974 entschied man sich auf einer Bürgerversammlung mit überwältigender Mehrheit die kommunale Zwangsehe mit dem benachbarten Roßdorf einzugehen – anstatt dem östlich gelegenen Groß-Zimmern.
So geht es weiter entlang dem Alten Darmstädter Weg, der alte Fussweg als kürzeste Verbindung zwischen Dorf und Stadt nach Roßdorf. Bis zur Eröffnung der Eisenbahnlinie, 1897, wurde dieser Weg täglich von den in Darmstadt beschäftigten Arbeitern begangen. Via Industriegebiet geht es parallel den alten Bahngleisen in den Wald hinein. Diese Bahnstrecke von Roßdorf nach Darmstadt-Ost wurde gebaut, um Basalt aus dem Roßdörfer Steinbruch abzutransportieren 100 Jahre später wurde die Strecke stillgelegt und die Bahngleise zwischen Roßdorf und Groß-Zimmern zurückgebaut. Zwischen dem Bessunger Forst kurz vor Roßdorf und Darmstadt-Ost wird ab und an die Strecke für historische Dampflockfahrten genutzt.
Entlang eines schönen Waldabschnittes gelangt man rasch zum Oberfeld und zur östlich gelegen Rosenhöhe Darmstadts, einer eindrucksvollen Parkanlage. Wahrzeichen des 205 Jahre alten Parks ist das 1900 errichtete Rosarium mit dem Rosendom. Hier blühen von Mai bis November mehr als 10.000 Rosen in über 200 Arten und Sorten. Weitere Bauten wie das Mausoleum des Fürstenhauses, das historische Teehäuschen und das Pförtnerhäuschen, sowie einige exotische Bäume locken jährlich eine Vielzahl von Besuchern in das Areal. Beeindruckend auch die 1927 errichtete Löwenpforte, von der man aus in wenigen Minuten die gegenüberliegenden Mathildenhöhe erreichen kann.
Nach 23 Kilometern ist das eigentliche Ziel der Halbtagestour erreicht. Nieder-Ramstädter-Straße Nummer 3, so die Hausadresse der Darmstädter Grohebrauerei. Ein Bajuware wurde die Hände über den Kopf zusammenschlagen, bei Begutachtung dieses Biergartenareals. Mitten an eine der verkehrsträchtigsten Kreuzungen der Innenstadt gelegen, bautechnisch eingepfercht in die mehrgeschossigen Umgebungsbauten, kastanienlos und mit einer überschaubaren Sitzplatzanzahl von 350 Plätzen ausgestattet. Überschaubar auch das Angebot im Innenbereich, ob im Brauereiausschank mit 100 Stühlen, in der Grohe-Schänke mit 70 oder im Grohe-Saal, der nur im Winter geöffnet wird, mit 80 Plätzen. Jedoch Grohe – ist eine Kultstätte. Kult in einer Stadt, die städtebaulich nicht zwingend als schön zu bezeichnen ist, eine Stadt, die man erst auf dem zweiten oder sogar auf dem dritten Blick entdecken muß. Spiegelbildlich daher das Ambiente des Areals als postmodernes Abbild einer Kommune, deren Innenstadt nahezu vollständig im Krieg zerstört wurde.
Illuster und bunt gemischt auch das Publikum. Am späten Nachmittag bestimmen Mitfünfziger und –sechziger und einige Restanten der Spontigeneration die ihre grauen Haarpracht im Vokuhila-Stil wallen lassen, das Biergartenbild. Von den meisten Gesichtern ablesbar, dass man schon mehr als ein Bier getrunken hat und mutmaßlich schön länger als eine Stunde sich an den Holzstühlen niedergelassen hat – ergo eine grundsätzlich sympathische Grundstimmung. Ehrensache, daß zunächst das Premiumbier der Brauerei – das Helle – angetestet wird. Goldgelb im Glase stehend, mit einer stabilen Schaumkrone, kernig malzig im Grundgeschmack mit einer leichten aber unaufdringlichen süßlichen Abgangsnote, so die Grundkonsistenz dieses wohlschmeckenden Hopfengetränkes. Ein sehr süffiges und ein außerordentlich wohlbekömmliches Bier. Unverständlich daher auch das wenige Tage alte Gerichtsurteil des Landgerichtes Ravensburg. Hier wurde entschieden, daß die Brauerei Härle aus Leutkirch ihre Biersorten nicht mehr mit dem Begriff “bekömmlich” anpreisen darf, da der Begriff die Gefahren des Trinkens von Alkohol verschweigt und eine Verbesserung des Gesundheitszustands suggeriere – per se realitätsfremd und nicht den empirischen Gegebenheiten entsprechend. Bier in Maßen genossen ist durchaus bekömmlich und bei verantwortungsvollem Umgang auch gesundheitsfördernd. Zweifler mögen sich folgende ISBN-Nummer zur Vertiefung der Materie notieren: 3418008216. Daher wider jeglichen Gerichtsentscheides: dieses Bier ist wohlbekömmlich – sogar sehr!!
Das Grohe Weizen – die bernsteingold- chanchierende Farbnote mit der exzellent stabilen Schaumkrone schraubt optisch die Erwartungshaltung hoch. Sensorisch jedoch eine Enttäuschung. Weißbierkenner schätzen einen vollblumigen hefezentrierten Geschmack mit einem erfrischend-löschendem Abgang. Ein für ein Weißbier zu herber Abgang trübt den weißbiertypischen Hochgenuß jedoch deutlichst ein – und erinnert eher an obergärige Biere aus Flandern, die durch Beigabe von Milchsäurekulturen eine säuerliche Note bekommen. Demgemäß eher ein Hybridbier für Liebhaber der herben Fraktion. Mag sein, daß der hohe Härtegrad des Darmstädter Wassers, welcher beim Brauvorgang durch durch Erhitzen gesenkt wird, seinen nicht unerheblichen Teil dazu beiträgt.
Geschmacklich eher auf Linie, die dritte Biersorte – das Märzen. Aber auch hier tendiert der Braumeister eher zu einer bitteren Abgangsnote, der typisch malzaromatische Nachhall, der im Regelfall mit einer leichten Süße unterlegt ist, wird hier vermißt, jedoch geschmacklich ein klar strukturiertes und durchaus bekömmliches Bier. Alles in allem, der persönliche Favorit – eindeutig das kernig-süffige Helle – ein absolutes Premiumbier und entgegen jeglicher gerichtlicher Anordnung – besonders wohlbekömmlich.
Die Speisekarte ist regional-deftig ausgerichtet -beispielsweise Grindkopp mit Biersoße” für südhessische Anwohner ein wohlbekanntes Gericht – preislich günstig einzustufen und was ringsherum zu sehen ist ordentlich portioniert. Grohe – eine glasklare Empfehlung. Für alle, die eine ausgedehnte Wanderung in Würde krönen möchten. Wohl bekomms.
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