Butzbach, den 17. Januar 2016
Wo man aufhört, sollte man wieder einsetzen, so zumindest wenn man eine Streckenwanderung vor sich hat. Was für den einfachen Pilger, der sein Nachtlager aufschlägt, selbstverständlich ist, gestaltet sich für den Wochenendpilger komplexer. So war es zunächst angedacht auf der dritten Etappe entlang des Elisabethenpfades von Frankfurt nach Marburg am Bahnhof in Brandoberndorf einzusetzen. Wenn man jedoch vom anavisierten Zielort Wetzlar 2 Stunden und 45 Minuten benötigt, um zum Startort via ÖVM zurückzukehren, stellt sich die berechtige Frage der Zweckmäßigkeit.
Demgemäß empfiehlt es sich in der Wetteraustadt Butzbach einzusetzen, um drei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Die Streckenführung ist interessanter, man darf fünf Kilometer länger wandern und fährt in 35 Minuten von Aßlar ohne umzusteigen zurück.
Vom Butzbacher Bahnhof aus geht es vorbei an einem bundesweit bekannten Bauwerk der Sicherheitsstufe 1. Der mächtige Backsteinbau ist als Kulturdenkmal deklariert und seit Errichtung im Jahre 1890 als Zellenstrafanstalt konzipiert. Entlang der Kleeberger Straße führt der Hoffmannsweg durch den leicht eingeschneiten Butzbacher Wald zum Forsthaus Butzbach, welches seit 1911 dank Schankerlaubnis scheinbar ein beliebtes Ausflugsziel ist.Hinter dem Forsthaus wechselt man vom Regierungsbezirk Darmstadt zum Regierungsbezirk Wiesbaden.
Parallel zum Kellerbach führt eine schöne Flußtalschneise zur Route des Elisabethenpfades hinein nach Cleeberg. Von östlicher Richtung kommend bietet sich ein markanter Panoramablick auf die gemeindliche Ortsmitte. Stattliche Fachwerkhäuser mit einem prägnanten Rathaus flankiert vom massiven Steinbau der evanglischen Kirche auf der einen Seite, und abgeschlossen mit der gegenüberliegenden dreieckigen Burganlage die 915 errichtet wurde und mit einem 21 Meter hohen Bergfried ausgestattet ist auf der anderen Seite.
Durch die sanfthügelige Landschaft des Hüttenberger Landes geht es über den Petersberg vorbei an Vollnkirchen in das acht Kilometer entfernte Volpertshausen. In diesem Ort liegen die Ursprünge der Leiden des jungen Werthers. Ein gewisser Johann Wolfgang von Goethe führte hier 1772 erstmals eine zierliche junge Frau mit blauen Augen und lockigem blonden Haar namens Charlotte Buff zum Tanze aus. Sie verlobt – Pech für ihn – und ein Segen für die Weltliteratur. Statt einer blonden Blauäugigen begegnet kurz hinter Volpertshausen ein Landwirt dessen Faßwagen wegen Achsbruch umgekippt ist. Gemeinsam gelingt es das Malheur zu beheben – zwar kein Fall für die Weltliteratur, jedoch der Dank der ansässigen Agrarwirtschaft ist sicher.
Bei frostigen Temperaturen geht es hinauf zum 402 Meter hohen Stoppelberg, dem höchsten Hügel im Wetzlarer Land. Vorbei am mächtigen Bau des Klinikums Wetzlar führt der Trail entlang des Alten Friedhofes in die Innenstadt von Wetzlar. Noch heutige beeindrucken die historischen Bauten der Innenstadt und legen Zeugnis von der reichen Geschichte der heutigen Kreisstadt des Lahn-Dill-Kreises ab. Als ehemalige Reichsstadt und letzter Sitz des Reichskammergerichtes, wo auch Johann Wolfgang von Goethe eingeschrieben war, war Wetzlar eine mächtige Stadt in der Geschichte Deutschlands. Firmen von Weltruf wie Buderus, Minox, Zeiss und Leica prägten die neuzeitliche Entwicklung der mittelhessischen Stadt. Sinnigerweise führt der der Elisabthenpfad durch die städtebaulichen Highlights der Innenstadt. Vom Ostturm, über den Kornmarkt, vorbei am Dom, der seit 1561 durchgängig als Simultankirche sowohl von der evangelischen als auch der katholischen Gemeinde genutzt wird, geht es zum Eisenmarkt und weiter über die 700 Jahre alte Lahnbrücke.
Wasserreich geht es in der Innenstadt zu, dort wo die Dill in die Lahn entwässert. Auf ruhigen Pfaden führt der Elisabthenpfad durch das Lahntal hinauf zum Kloster Altenberg, einer markanten Station auf dem Pilgerpfad. Bereits 1167 wurde hier oben auf dem zwischen Solms-Oberbiel und Wetzlar gelegenen Michelsberg eine Kapelle errichtet. Elisabeth selbst hatte hier ihre Tochter Gertrud im Kindesalter zur Pflege gegeben und wanderte ab und an von Marburg nach Altenberg, um ihr Kind zu besuchen. Ab 1248 waltete Gertrud 49 Jahre lang als Meisterin des Ordenskonvents und mehrte mit Geschick und Umsicht den Einfluss des Klosters.
In den Wirtschaftsgebäuden rings um das Kloster herrscht sichtliche Umtriebigkeit. Offene Scheunen, Kinderspielzeug, Pferde in den Stallungen. Geschäftig geht es auch in der Klosterschänke zu, wobei hier eindeutig der Schwerpunkt auf Blechkuchen und Sahnetorten gelegt wird. Kein Zapfhahn an der Theke noch eine Beschilderung deuten darauf hin, dass hier auch ein nahrhaftes Klosterbier namens Schlubberche erworben werden kann. Die dezidierte Nachfrage lohnt jedoch. Das naturtrübe untergärige Landbier ist schmackhaft und lässt sich angenehm schlubbern.
Einzig der in den Räumlichkeiten befindliche Klosterladen ist eine Enttäuschung. Die wohlgesonnene und freundliche Verkäuferin ist sichtlich überfordert mit der Nachfrage nach einschlägiger Literatur zum Pilgerweg und offenbart unumwunden ihre Nichtkenntnis über die verschiedenen Pilgerpfade die in Gedenken der heiligen Frau eingerichtet wurden. Nicht die Zielgruppe des orientierungslosen Pilgers sondern eher die Zielgruppe des autofahrenden und blechkuchenessenden Gastes wird hier angesprochen, wobei die feilgebotene Ware jeglichen sakralen Hintergrund vermissen lässt und eher dem Segment „Dekorationstand“ zuzuordnen ist – eigentlich schade. So geht es unverrichteter Dinge weiter entlang eines Erzbergwerkweges zum fünf Kilometer entfernten Aßlar, von wo aus man per Zug und ohne Umstieg nach Butzbach zurückfahren kann. Nach 39 Kilometern und nicht spürbaren 900 Höhenmetern endet eine sehr zu empfehlende und abwechslungsreiche Wanderung. Fortsetzung alsbald mit Start im benachbarten Wetzlar.
Hinterlasse jetzt einen Kommentar