
Aufseß/Forchheim, den 20. Juli 2023 – Sicherlich, ein Liebhaber des kultivierten Biergenusses sollte man schon sein, wenn man sich auf diese Exkursion einlässt, die in dieser Kombination erstmals dokumentiert wird. Zwei Wandertage über insgesamt 74 Kilometer, angereichert mit 1.500 Höhenmetern und bestückt mit zwei biertechnischen Rekorden der Superlative. Zum einen der Brauereienweg in Aufseß, der Gemeinde mit der höchsten Brauereidichte der Welt, sowie ein Besuch des größten Biergartens der Welt, im Forchheimer Kellerwald, dort wo just an diesem Tag das legendäre Annafest eröffnet wird.
Aber der Reihe nach. Man könnte es sich sehr einfach machen, und in der Rekordgemeinde Aufseß starten, um die vier Brauereien auf dem vierzehn Kilometer langen Bierwanderweg abzuklappern. Jedoch, vor dem Vergnügen kommt die Arbeit am Berg. Und so bietet sich ein Start im ältesten Luftkurort der Fränkischen Schweiz, im südlich gelegenen Muggendorf an, von wo aus man in spektakuläre Dolomitfels- und Höhlenformationen eintauchen kann. Schon Anfang des 19. Jahrhunderts entdeckten Gäste das “Muggendorfer Gebürg” und mittlerweile hat sich hier eine ausgezeichnete Wanderinfrastruktur entwickelt.
Steil aufwärts geht es von der Ortsmitte Muggendorf in das felsige Areal. Markante Fels- und Höhlenformationen prägen die Fränkische Schweiz, so auch hier bei Muggendorf. Zunächst geht es aufwärts zum 522 Meter Hohen Berg, wohlweislich einige Höhlenformationen links und rechts liegend lassend, denn just nach zwei weiteren Kilometern ist die spektakuläre Riesenburg mit ihrer Versturzhöhle erreicht, die offiziell zu den einhundert bedeutendsten geologischen Naturwundern Bayerns zählt.








Von der Riesenburg führt ein Treppenpfad abwärts in das Wiesenttal. Nach der eindrucksvollen Felsenwelt ist eine ruhige Flußwanderung auf den nächsten fünfzehn Kilometern angesagt. Zunächst begleitet die gurgelnde Wiesent den flußnahen Wanderpfad, an dem sich auf der gegenüberliegenden Seite das Dolomitgestein anschmiegt. Ab Doos folgt man der Aufseß, einem dreißig Kilometer langen Nebenfluß der Wiesent. Hier genießt man Natur pur. Einzig ein am Fluss gelegener Landgasthof sowie der Weiler Wüstenstein erinnern daran, dass die Region auch von Menschen besiedelt ist, denn entlang der Strecke ist man auch mobilfunktechnisch von der Zivilisation abgehängt. Nach zwanzig Kilometern ist die Weltrekordgemeinde Aufseß erreicht, dort wo der zweite Teil dieser Tagesetappe eingeläutet wird.







Weltrekordgemeinde Aufseß. Am langen Ende war es ein sehr cleverer Coup der Gemeinde. Im Jahre 1999 stellte man einen Antrag zum Eintrag in das Guiness-Buch der Rekorde um als “Gemeinde mit der höchsten Brauereidichte der Welt” gebührend in das Rekordbuch verewigt zu werden. Und tatsächlich, dem Antrag wurde stattgegeben, der Eintrag erfolgte, denn in der Gemeinde Aufseß kommen auf 1.500 Einwohner vier Brauereien, was einer Brauereidichte von einer Brauerei auf 375 Einwohner entspricht. Zudem verband man die vier Gemeindeteile Aufseß, Hochstahl, Sachsendorf und Heckenhof mit einem ausgeschilderten Wanderweg und fertig war der Weltrekord-Bierwanderweg. Wenig Aufwand – große Wirkung. Jedoch es gibt auch kritische Stimmen. Durch das offensive Marketing der Gemeinde ziehen auch Gruppen von Betrunkenen an, die hier busseweise einfallen und sich bereits bei der Anfahrt entsprechend sediert haben. Der Bürgermeister von Aufseß kann die Klagen der Brauereibetreiber nicht verstehen, denn seit Einweihung des Weltrekordweges haben sich die Übernachtung auf 25.000 Beherbungen verfünffacht. So klaffen Anspruch und Wirklichkeit auseinander.
Wochentags läuft man jedoch nicht Gefahr von marodierenden Suffies beeinträchtigt zu werden. Nach dem zwanzig Kilometer langen Anlauf zur ersten und größten Aufsesser Brauerei ist zunächst eine standesgemäße Jause angesagt, bevor es auf den Bierwanderweg geht.



Eindringlich empfiehlt die freundliche Servicekraft in der Brauerei Rothenbach den Weg im Uhrzeigersinn zu laufen, da man zunächst fünf Kilometer bis zur nächsten Brauerei in Sachsendorf und dann weitere fünf Kilometer in Hochstahl zu absolvieren hat, bevor im Abstand von jeweils zwei Kilometern die restlichen Brauereien folgen, zudem die Schlussetappe dann nur noch abwärts führt. Wanderstrategisch gesehen erscheint jedoch die gegenläufige Route vernünftiger. Nach drei Brauereien die sich auf zunächst auf vier Kilometer bündeln (Ökonomen würden hier von Klumpenrisiko sprechen) erscheint eine nachfolgende revitalisierende zehn Kilometer lange Schlusswanderung, mit lediglich einem Brauereiaufenthalt zur Streckenmitte die vernünftigere Lösung zu sein. So geht es von Aufseß zum Gemeindeteil Heckenhof. Hier ist die Katthi Bräu beheimatet, wo seit mehr als zweihundert Jahren Bier verkauft wird. Goethe war ein Freund des Hauses, denn der Dichter war mit der aus dem Heckenhof stammenden Carolina von Aufseß bestens befreundet. Auch bei Bikern ist der Heckenhof sehr beliebt, bundesweit zählt er sogar zu einem der beliebtesten Treffpunkte der Motorradfreaks. Ein Helles wird hier nicht ausgeschenkt, einzig das sehr beliebte aber auch mächtig durchschlagende dunkle Lagerbier. Die Preise sind sehr zivil, die Halbe geht mit 2,90 Euro über die Tresen, die Maß für 5,80 Euro.





Von der Kathi Bräu sind es gerade einmal zwei Kilometer bis zur benachbarten Brauerei Reichold in Hochstahl. Daher ist man auch gut beraten es bei maximal einer Halben Lagerbier zu belassen. Der Gasthof wird mittlerweile in der fünften Generation betrieben, jedoch die goldenen Zeiten scheinen vorbei zu sein. Corona war zwar nicht nicht der Hauptgrund, aber der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte und vor drei Jahren zur Entscheidung führte den Gaststättenbetrieb einzustellen. Man betreibt noch eine Frühstückspension und das nach wie vor selbstgebraute Bier wird ausgeschenkt. Durstige Gäste klingeln am Buffet und zwischen Hausarbeit, Brauhandwerk und Hausaufgabenbetreuung der Kinder wird gerne eine Halbe oder ein Maß des wohlgefälligen und süffigen Bieres eingeschenkt. Ein vorbeikommender E-Biker-Fahrer hat jedoch offensichtlich Sinn und Zweck des Wander-Bierpasses nicht verstanden. Ankommen – die Toilette aufsuchen – den Stempel abholen und abrauschen ohne etwas zu verzehren. Scheinbar war dem Mitmenschen nicht klar, dass es sich hier um einen Bier- und nicht um einen Pieselstempel handelt….

Drei Brauhäuser auf vier Kilometer. So ist man nach drei Halben erst einmal froh fünf Kilometer bis zur Brauerei Stadter in Sachsendorf unter die Sohle nehmen zu können. Der Wanderweg selbst ist unspektakulär, ohne nennenswerte Höhepunkte. Kurze Waldabschnitte wechseln sich mit breiten Flurwegen ab, teilweise asphaltiert, so dass auch E-Bike-Fahrer ungebremst von WC zu WC fahren können.




Nach der Brauerei Stadter ist vor der Brauerei Stadter. Nochmals sind fünf Kilometer bis zum Übernachtungsziel, der Brauerei Rothenbach zu absolvieren. Entlang der Staatsstraße führt der Brauereiweg entlang des straßenbegleitenden Radweges. Hier hätte man mit einem Zusatzaufwand von 1,5 Kilometern gegenüber eine schönere Alternative als Streckenführung aufbohren können. Durch die Ortsteile Neuhaus und Oberaufseß endet die Brauereipassage in Aufse0, deren erfolgreiche Absolvierung sogar mit einer Urkunde bestätigt wird. Durch die Bank weg werden in allen Brauerein hervorragende fränkische Biere angeboten, wobei der persönliche Favorit aus der Brauerei Stadter kommt, sehr dicht gefolgt vom Zwickel der Brauerei Rothenbach und dem Hellen aus der Brauerei Reichold.




Fränkische Bier sind, ein kontrollierter und nicht übermäßigen Genuß unterstellt, grundsätzlich wohlbekömmlich. So geht es am Folgetag frühmorgens beschwerdefrei zu einem weiteren Rekordhalter, dem größten Biergarten der Welt im Kellerwald in Forchheim. Dort wo 30.000 schattige Sitzplätze und 23 Bierkeller in einem einzigartigen Ambiente unter alten Eichenbäumen für eine stimmungsvolle Atmosphäre sorgen. Just an diesem Tag wird auch das traditionelle Annafest eröffnet, welches der Hlg. Anna gewidmet ist und 1840 erstmals stattfand. Im besagten Jahr hielt der Forchheimer Schützenverein sein jährliches Hauptschießen im Kellerwald ab. Man war begeistert von der Atmosphäre im Kellerwald, dort wo die heimischen Brauereien ihre Bierkeller in Stein getrieben hatten – und fortan entwickelte sich das Annafest zu einem Publikumsmagneten. Bis zu 500.000 Gäste frequentieren an elf Tagen das Spektakel. Ansonsten sind unterjährig von Mai bis Ende September dreizehn Keller geöffnet und laden ein in beschaulicher Atmosphäre Bier und fränkische Spezialitäten zu genießen.
Von Aufseß geht es auf bestehenden Wanderwegen, und diese gibt es hier zur Genüge, südwestwärts gen Traindorf. Waldabschnitte und Agrarflächen wechseln sich hier ab. Hinter Traindorf wandert man mit Zielrichtung Eschlipp/Verkehrslandeplatz Burg Feuerstein in einem ständigen auf und ab durch die Landschaft. Von der Albtraufkante am Flugplatz hat man schöne Aussichten bis hinüber zu den Ausläufern des Steigerwaldes.








Vom Flugplatz aus wandert man hinüber zur mächtigen Solarparkanlage Poxstall, die auf knapp 200.000 qm² jährlich 21,5 Millionen kWh Strom produziert. Durch einen Mischwald erreicht man die Rettener Kanzel, ein felsiges Areal, welches jedoch dicht eingewachsen ist. Direkt hinter der Kanzel geht es sehr steil abwärts. An Regentagen ist diese südliche Abhangpassage schlichtweg nicht zu begehen. Der Rest hinüber zum fünf Kilometer entfernten Kellerwald ist dagegen eine gut gangbare Passage.


Gegen 14 Uhr geht es am ersten Festtag noch sehr beschaulich zu. Der offizielle Bieranstich ist für 17:00 Uhr angesetzt, die Servicekräfte präparieren noch eifrig die Biergärten nebst Equipment, einzig altgediente Gäste, die scheinbar am Kellerberg ihr zweites Wohnzimmer eingerichtet haben, klappern bereits kräftig mit den Bierkrügern und Familien frequentieren die Schaustellerbuden, die sich hier zum Festbetrieb angedockt haben. Genügend Zeit daher, bevor der eigentliche Trubel beginnt, den Kellerberg nebst den 23 Bierkellern in Augenschein zu nehmen. So habe ich Gelegenheit zu einer privaten Kellerführung, werde vertraut gemacht mit den Gepflogenheiten hinter den Kulissen, erfahre in welchem Keller das beste Bier gezapft wird, und tauche ein in die spannende Geschichte wie die ersten Stollen in die Felsen gehauen wurden. Grundlegend gilt in Forchheim wie auch in anderen fränkischen Bierkellern der Kodex: man geht auf und nicht in den Keller. Logisch und nachvollziehbar. Einst trieb man Stollen in den Berg, um das Bier kühl zu lagern und sinnvollerweise setzte man im Nachgang obendrauf eine Schankstube nebst Bestuhlung. So geht es eben auf den Keller….









Premiere um 17:00 Uhr. Erstmals eröffnet ein bayrischer Ministerpräsident das Annafest. Kein Wunder, Landtagswahlen stehen bevor, die fränkischen Bürger wollen angemessen begrüßt und umsalbt werden, zudem der Landesvater noch einer der Ihrigen ist. Pointiert und gewohnter Weise mit üblichen Spitzen garniert, lässt sich Dr. Markus Söder vor heimischem Publikum standesgemäß bejubeln.


Der König von Bayern hat gesprochen und sediert am Schindlerkeller seine Untertanen mit fünf Fässern Freibier. Zumindest hier im Frankenland ist die Gefolgschaft gesichert. Sichtlich füllt sich im Minutentakt das Festgelände. Viele Firmen, Vereine und Gruppen haben bereits Wochen voraus Bänke und Tische reserviert. Aber auch für die Laufkundschaft ist genügend Platz vorhanden. Wenn man mehrmals die Runden dreht, kann man schon einige Höhenmeter absolvieren, denn man unterscheidet je nach Lage zwischen den oberen und unteren Bierkellern. Allabendlich sind zudem in verschiedenen Kellern fränkische Bands angesagt – kurzum eine angenehme Atmosphäre in einem bemerkenswerten Umfeld, und kein Vergleich zu den einschlägigen Bierzeltkathedralen, die an anderen Festplätzen aufgeschlagen werden. So kann man mit den Worten des Ministerpräsidenten “Die Keller müssen bleiben – es ist eine Art Kulturerbe.” durchaus konform gehen.









Wer von dieser Tour inspiriert sein sollte, kann sich 26. Juli 2024 vormerken. Dann wird das nächste Annafest eröffnet…….


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