Der Fränkische Dünenweg

Rückersdorf, den 12. Juni 2024 – Franken ist schon speziell. Franken wollen nicht mit Weißwurst und Lederhose verbunden werden und brauen nach eigener Einschätzung eh das bessere Bier als der Rest im urbayrischen Gefilde. Und dass Frankenweine im Bocksbeutel hochgeschätzt sind, während im Rest des südlichen Bundeslandes der Rebensaft lediglich als Messwein in der Kirche geduldet wird, ist auch unbestritten. Und dass der kultivierte Franke das rösch gebratene Schäufele bevorzugt, während der Altbayer den gewöhnlichen Schweinsbraten verzehrt, ist ebenso offenkundig wie der Umstand, dass sich ein Franke schämt eine Weißwurst essen zu müssen, während doch die fränkische Bratwurst eindeutig besser ist – zumindest aus Sicht der Franken. Und jetzt noch Dünen. Was sind schon gewöhnliche Berge im Süden Bayerns, wenn es im Binnenland sogar einem Dünenwanderweg gibt. Franken ist eben sehr speziell.

Abseits des Mainstreams bekannter Wanderwege hat man bereits 2012 einen 86 Kilometer langen Dünenwanderweg entwickelt. der Gelegenheit bietet dort einzutauchen, wo die raue Natur sanfte Dünen geformt hat. So kann man auf dem Fränkischen Dünenweg verschiedene Vegetationsbereiche durchwandern, und vor Ort studieren, wie Wasser, Eis und peitschende Winde bis zu fünfzig Meter hohe Dünen formten, und wie heute, jedoch unter anderen Voraussetzungen, die Sandanhäufung noch lange nicht abgeschlossen ist.

Gestartet wird in Rückersdorf, drei S-Bahn-Stationen östlich von Nürnberg entfernt, um in weiterer östlicher Richtung zunächst der Pegnitz und im Anschluss dem Himmelbach folgend, in das bergige (!) Gefilde im Nürnberger Land einzuschwenken.

Ein perfekter Start in die fränkische Dünenwanderung
Auch wenn die Kiefer die bewaldeten Zonen der sandigen Landschaft dominiert, punktuell sind auch Mischwälder vorzufinden
Hier verblasst jede plastifizierte Wegweisung
Ausgedehnte Silbergrasflure als typischer Vegetationsbereich sandiger Flächen
Auch wenn es im Sand eher trocken ist, Spinnen mögen entgegen landläufiger Meinung Trockenheit nicht wirklich. Lieber ein feuchter Keller oder eine wie hier eine durchfeuchtete Grasfläche….
Vor der Haustüre der Metropolregion Nürnberg/Fürth/Erlangen
Jenseits der Hektik der Metropolregion genügen schon einige Mülleimer um für Abwechslung zu sorgen
Markant und prägnant die Wegekennzeichnung des Dünenweges
Dieses Jahr sind sehr viele Kornblumen zu beobachten – ob die vielen Niederschläge dafür verantwortlich sind…?
Alles auf Sand gebaut…….

Vorbei an Sandsteinaufschlüssen und Dolinensenkungen schraubt sich der Wanderpfad stetig und mitunter sehr dynamisch ansteigend hinauf zum höchsten Punkt des gesamten Dünenweges, dem Moritzberg. Hier oben, auf 605 Meter Höhe, könnte man den Moritzbergturm erklimmen, könnte man einen Blick in die Sankt Mauritius-Kapelle werfen und könnte sich im herrlichen Biergarten des Berggasthofes gemütlich machen. Wer jedoch schon um 07.30 Uhr auf der Anhöhe steht, der muss es eben bei der Ansammlung von Konjunktiven belassen… Jedoch damit nicht genug, denn auf den weiteren Kilometern folgt de Hauptlast der Höhenzüge dieses Wandertages. Vom Moritzberg geht es zum Reuther Berg, von diesem zunächst abwärts, um anschließend den mit einem deftigen Kurzanstieg bestückten Nonnenberg zu erklimmen, um zur Krönung in einem munteren auf und ab hinter Entenberg einen weiteren knackigen Anstieg zu bewältigen.

Der Gipfel des Moritzbergs ist erreicht
Andere reden darüber – die Franken haben den Zeitgeist schon aufgegriffen: Ob Divers, Mann oder Frau – hier hat jeder seinen Rückzugsort
Aus Sandstein wird Sand: Tauwasser füllt Poren und Risse des Sandsteins. Bei Frost gefriert Wasser, vergrößert sein Volumen und sprengt den Stein in immer kleinere Teile. Am langen Ende ist alles zu Sand zerfallen
Auf prachtvollen Wanderpfaden wandert man über die sandigen Kuhlen
Und immer wieder kann man die Kraft der Natur bewundern. Wie Kraken klammern sich die Wurzeln um die noch vorhandenen Sandsteinboliden
Offiziell firmieren die Wanderstrecken der Region unter der Bezeichnung “Wanderzirkus Frankenalb”

In der Einflugsschneise Richtung Altdorf erreicht man den Kern des Kerns des Dünenwanderweges. Hier liegen die größten Dünenfelder Bayerns. Mächtige Sandanhäufungen, die bis zu fünfzig Meter Höhe erreichen. Gewaltige Westwinde wirbelten einst Flugsande aus dem Steigerwald hierher und wurden in der steil aufragenden Fränkischen Alb abgebremst. So bildeten sich einerseits unauffällige flächendeckende Sandschichten, aber auch, wie hier vor Ort, Offensande aus.

Wadentraining ist beim Dünenwandern angesagt
Mittlerweile ist das Areal Teil des Naturschutzprojektes “SandAchse Franken”
“Steckerlaswald” sagen die Einheimischen. Prächtig gedeihen die Kiefern, die hier im NSG “Flechtenkiefernwald südlich Leinburg” bestaunt werden können
“Jemanden Sand in die Augen streuen”; “Den Kopf in den Sand stecken”; “Geld in Sand setzen”; “Auf Sand gebaut”; “Sand im Getriebe”; “Wie Sand am Meer” – die Welt wäre ärmer ohne Sand…….

Nach dreißig Kilometern ist ein Zwischenstopp in Altdorf angezeigt – eine adrette Stadt mit einem mittelalterlichen Ortskern und einem ansehnlichen gastronomischen Angebot. Oberhalb der Prackensberger Schlucht führt der Wanderweg vorbei an der Burg Grünsberg, bevor man die Ortschaft Burgthann und folgend die größte barocke Quellfassung nördlich der Alpen, die Sophienquelle, erreicht. Auf einer “Fahrradautobahn” wandernd, die flankierend die Schwarzach begleitet. ist nach 44 Kilometern das Tagesziel, der Bahnhof von Ochenbruck erreicht.

Mystische Stimmung im Frankenland
..und Altdorf selbst ist ein Schmuckkästchen….
..wobei, wie auch hier zu beobachten ist, vieles auf Sand(stein) gebaut wurde
Hinter Altdorf geht es weiter auf schönen Wanderpfaden…
Frankentypisch sind die gestaffelten Gauben
Vorbei an Burg Grünsberg
Und dieser Waldsee….
..wird gespeist von der Sophienquelle, die von der größten barocken Quellfassung nördlich der Alpen einfasst ist.
Vorbei an der Burg Thann….
….und ausladenden Baumskulpturen entlang der Schwarzach

Am folgenden Tag starte ich wiederum am Bahnhof von Rückersdorf, jedoch diesmal gegen den Uhrzeigersinn – wiederum gen Ochenbruck. War der erste Tag von knackigen Steigungen und prägnanten Sandmulden geprägt, wird der zweite Teil dieser Exkursion mit zwei weiteren bemerkenswerten Landschafts- und Vegetationszonen bereichert. Die Region ist wasserreich, was noch heute für die fortwährende Sandanhäufung essentiell ist. Auf den ersten fünf Kilometern geht es zunächst dem Lauf der Pegnitz folgend gen Westen, um am Autobahnkreuz Nürnberg-Mögelsdorf auf moderaten Anstiegspfaden zum Hirschenkopf und dem Brunner Berg aufzusteigen. Unterwegs bereichern die typischen Sandterrassen das wildromantische Pegnitztal.

Ein sandlastiger Start auch am zweiten Wandertag – hier nachgearbeitet und geformt im Bikerpark Rückersdorf
Fränkisches Idyll am Dünenweg
..jedoch die Gestaltungskraft der Natur lässt sich nicht toppen
..und entlang der Flüsse begeistern immer wieder Ein- und Aussichten
Die Reste des ehemaligen Wasserschlosses Malmsbach
Vielleicht mit Ausnahme von Finnenwege die schönsten Wege: herrliche Wurzelpfade
Dringend notwendig ist ein Update der Streckenkennzeichnung. Strukturell sind die Haupttrassen auch gut mit Entfernungsangeben ausgestattet, jedoch bei einer Vielzahl von Knotenpunkten fehlen jegliche Streckenhinweise – was ohne GPS-Routing oder Kartenmaterial tückisch sein kann

Hinter Brunn eröffnet sich eine andere Welt im Lorenzer Reichswald. Hier setzt der Sieben-Brücken-Weg ein, eines der schönsten Waldpfade im Nürnberger Land. An den besandeten Prallhängen des Röthenbaches kann man mächtige lebende und tote Eichen und Buchen bestaunen. Unablässig transportiert der mäandernde Fluss Sandmaterial durch die Waldzone. Was an einer Ecke abgetragen wird, baut sich an anderer Stelle wieder auf. Schon hier zeigt sich im Kleinen die Kraft des Wassers.

Über sieben Brücken musst du gehen…..
Während alte Baumstümpfe vor sich hinrotten, entfaltet sich nebenan der Nachwuchs als steter Kreislauf des Lebens
Vorbei an Sandnischen….
..die sich durch den stetigen Wassertransport permanent umformen…
..trifft man immer wieder auf traumhaft schöne Einbuchtungen
Irgendjemand sollte mal wieder die Sense auspacken….
Ein Marterl aus dem Jahre 1873 – ursprünglich als Waldbesitzgrenzmarkierung angebracht

Kurz vor Ungelstetten geht es raus aus dem Lorenzer Reichswald, eine Reihe von Autobahntrassen sowie die Ortschaft Feucht querend, zu einem Kulturdenkmal der besonderen Art, dem Ludwig Donau-Main-Kanal. Tatsächlich veranlasste König Ludwig I. im 19. Jahrhundert eine 172 Kilometer lange Wasserstraße zu errichten. Autofahrer die auf der A3 gen München unterwegs sind kennen allesamt das Autobahndreieck Nürnberg/Feucht. Jedoch die wenigstens dürften wissen, dass man einerseits ein ingenieurtechnisches Meisterwerk überquert und andererseits, wenn man die Rastanlage Feucht-Ost besucht, die Gelegenheit nutzen könnte und sollte, nach einem Fußmarsch von 600 Metern entlang des Kanals statt der überteuerten Raststättenprodukte auf allerbeste fränkische Ware des Biergartens in der unterhalb liegenden Waldschänke Brückkanal zurückzugreifen.

Wanderrekord: Zwölf Autobahnüber- oder unterquerungen auf der Gesamtpassage: A3, A6, A9, A73
Oberhalb tobt der Verkehr der A73 und A9….
…und unterhalb gewährleistete der zwischen 1836 und 1846 erbaute Ludwig-Donau-Main-Kanal, der Kehlheim mit Bamberg verband, einst eine schiffbare Verbindung zwischen Rotterdam und dem Schwarzen Meer

Das beste kommt zum Schluss! So auch bei dieser Tour. Nach einem zünftigen Biergartenaufenthalt in der Waldschänke Brückkanal steht der spektakulärste Abschnitt der gesamten Passage an – eine Wanderung durch die Schwarzachschlucht. Als Laiengeologe kann man hier vortrefflich studieren, wie die gestaltende Kraft des Wassers Landschaften formt. Während die Urstromrinne der Schwarzach nördlich von Gsteinach regelrecht versandete, fräste sich der Fluss in der Schwarzachschlucht in den Sandstein ein und bildete Höhlen und Felsentore aus, ein Prozess der erst abgeschlossen sein wird, wenn der letzte Sandstein ausgefräst wurde. Am Ende der Schwarzachschlucht wandert man durch die Flussauen hinüber nach Ochenbruck, dort man mit einem gutgetakteten S-Bahnanschluß via Nürnberg den Ausgangsbahnhof Rückersdorf komfortabel erreichen kann.

Mächtige Felswände aus dem hier verbreiteten Burgsandstein prägen die Schlucht
Wer passt sich hier wem an? Das Holz dem Stein – oder umgekehrt?
Großes Wanderkino
Die Erosionskraft der Schwarzach darf man nicht unterschätzen
Ein großes Finale – einer großartigen Wanderung.

Wahrlich – Franken ist schon speziell. Und der Fränkische Dünenweg, unmittelbar vor Nürnbergs Haustüre gelegen, ist wandertechnisch ein entdeckungswertes Kleinod jenseits des Mainstreams allseits bekannter und einschlägiger Wanderwege. 88 Kilometer mit 2.000 Höhenmetern in zwei Tagen. Vortrefflich hat sich im Nachgang die Wahl des Ausgangsortes Rückersdorf erwiesen. Nach 43,97 Kilometer am ersten Wandertag wurde der zweite Tag mit 44,37 Kilometer abgeschlossen – streckenaufteilungstechnisch ein Volltreffer. Einzig die mit 1.300 Höhenmeter bestückte Ostpassage sollte man nicht unterschätzen.

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