
Oestrich-Winkel, den 07. September 2025 – Zweifelsohne – hier bewegt man sich in der Herzkammer des Rieslings. Hier wird der König der Weine seit Jahrhunderten angebaut. Hier hat das erste Rieslingweingut der Welt sein Domizil. Hier wurde just vor 250 Jahren die Spätlese erfunden. Hier wird Lebensfreude im Glas definiert. Hier bietet eine renommierte Hochschule sinnvolle Studiengänge rund um die Oenologie an, und hier bezeichnet man sich im Lokalkolorit selbst gerne als Rheingauner, behaftet mit den drei wichtigsten Eigenschaften: freiheitsliebend, heimatverbunden und rieslingfest.
2023 hatte man insgesamt vierzehn Rieslingschleifen als Ersatz für die mittlerweile niedergelegte Rheingauer Rieslingroute geschaffen. Sieben dieser Rundwege wurden bereits auf diesem Blog als Kombinationswanderung vorgestellt . Mit der Kombination von vier weiteren Rieslingschleifen in der Kernzone der reichen Rieslinggeschichte des Rheingaus wird hier eine genuß- und erlebnisreiche 32 Kilometer lange Tour empfohlen. Man sollte sich jedoch nicht von der sanfthügeligen Weinlandschaft blenden lassen, denn am langen Ende standen mehr als 1.000 Höhenmeter auf dem Wandertacho, die sich jedoch sehr moderat über die gesamte Strecke legten.

Hochgradig zu empfehlen ist als Einstiegspunkt Oestrich-Winkel. Bewußt gewählt, denn drei gepflegte Einkehrstationen, wohlweislich dosiert, kann man entlang dieser Streckenempfehlung sinnvoll in diese Wandertour integrieren. Schon der Name Oestrich-Winkel strahlt etwas Elitäres aus. Kein Wunder dass sich hier auch eine sehr renommierte Privatuniversität angesiedelt hat, die international einen exzellenten Ruf hat, in den Straußenwirtschaften aber eher als Schnöselverein abgetan wird. Dem Rieslingschleifenwanderer kann das egal sein, man erfreut sich an den sanft sich über den Rhein erhebenden Weinlagen und wandert Schloß Vollrad im Auge habend in nordöstliche Richtung gen Hallgarten. Die Rieslingschleife Schlösserblick wird jedoch auf Höhe des Schlosses nicht konsequent weiterverfolgt, sondern es geht auf Höhe der Gottesthaler Mühle hinüber zur Rieslingschleife Hallgarter Sonnenrunde, um nach deren Absolvierung auf dem Rückweg eine weinhaltige Rast im Hof von Schloß Vollrads einzulegen.











Sanft aber stetig aufwärts geht es nach Hallgarten. Am Ortsrand von Hallgarten trifft man auf einen Weinprobierstand, just gelegen am Itzstein´schen Anwesen – einer historischen Stätte, wo deutsche Geschichte geschrieben wurde. Just ein paar Meter weiter wandert man am Weingut Kreis vorbei. Hier kann man auf einer traumhaft gelegenen Terrasse in die Straußenwirtschaft einkehren, wenn man nicht gerade zu früher Stunde unterwegs ist. Das 750 Jahre alte Weindorf querend schraubt sich die Rieslingschleife langsam aufwärts in die unteren Etagen der 581 Meter hohen Hallgartner Zange. Wer schon den Rheingauer Klostersteig gewandertist, der schätzt diese attraktive Region des Taunusgebirges. Die Rieslingschleife führt unterhalb des 331 Meter hohen Susbergs zurück zum Vollradser Wäldchen. Auf dem Höhenweg kann man attraktiven Sichtachse in das Rheinland genießen, wobei sowohl Schloß Vollrads als auch Schloß Johannisberg als bedeutende Wegmarkierung eine gute Orientierungshilfe bieten.





Von Schloß Vollrads ist es ein Katzensprung nach Johannisberg. An jeder Ecke wird man mit einem bedeutenden Jubiläum konfrontiert, denn genau vor 250 Jahren verspätete sich der Spätlesereiter der vom Rheingau jedes Jahr nach Fulda zum dortigen Fürstsabt reiten mußte, der nach einer Traubenverprobung die Erlaubnis erteilte mit der Weinlese anfangen zu dürfen. Der Kurier verspätete sich wie auch immer um vierzehn Tage und so konnten die Mönche erst zwei Wochen später mit der Traubenlese der scheinbar schon verdorbenen Trauben beginnen. Das Ergebnis: Dank Edelfäule wurde ein Jahrtausendwein produziert – und die Spätlese war geboren. So wandert man rund um Johannisberg entlang der Rieslingschleife namens Spätlesereiter. Jedoch nach dem Motto: “Das Beste kommt zum Schluß” wird Schloß Johannisberg zunächst gemieden und die Wanderung setzt sich auf der nördlichen Achse der Rieslingschleife fort, mit Zielrichtung Geisenheim. Immer wieder touchiert man hier auch den Rheinsteig. Unterhalb von Marienthal schleift im wahrsten Sinne des Wortes die Rieslingschleife rund um den Gutsausschank Ostermühle und dem Weingut Weihermühle, bevor sich eine der schönsten Aussichtspunkte im Rheingau auftut: die Blickachse gen Kloster St. Hildegard und dem Niederwalddenkmal oberhalb von Rüdesheim. Premiumblicke in einer Premiumregion.








Vom Weingut geht es gen Geisenheim, dort wo eine rennomierte Hochschule ihren Sitz hat. Wenn ein Campusgebäude schon Müller-Thurgau-Haus heißt, dann weiß man, wo man ist. Hier wird unter anderem in Zusammenarbeit mit der Universität Turin ein Double-Degree-Masterstudiengang Viticulture and Enology – Vitis-Vinum angeboten. Wem das alles zu theorielastig ist und lieber praktische Erfahrung sammeln möchte, der sollte die Passage fortsetzen und wiederum an der Rieslingschleife Spätlesereiter, aber diesmal auf der südlichen Achse andocken, um zur Krönung die Gutsschänke Schloß Johannisberg aufsuchen. Für Rieslingkenner ein Ort der Superlative. denn hier liegt das erste Rieslingweingut der Welt, und hier wurde vor 250 Jahren die Spätlese entdeckt. Es war Karl der Große, der hier beobachtet haben soll, dass auf dem Johannisberg der Schnee zuerst schmolz. Grund genug um hier die ersten Weinstöcke zu setzen. Im Laufe der Jahrhunderte wechselten die Eigentümer. Ein gewisser Peter Arnold Mumm, Bankier und Weinhändler nannte zeitweise das Schloss sein Eigen, und ein gewisser Klemens von Metternich prägte im 19. Jahrhundert die weitere Entwicklung von Schloß Johannisberg. Heute ist Schloß Johannisberg im Besitz der Sektkellerei Henkell, die wiederum den Fürst-von Metternich-Sekt vertreibt.









Rund herum außergewöhnlich, so die Erkenntnis nach dieser Rieslingschleifen-Kombination. “Riesling pur” verdichtet auf 32 Kilometern. Natürlich kann man das Ganze noch krönen, nämlich dann, wenn man sich im goldenen Oktober auf dem Weg macht und die Gelegenheit bei stabiler Hochdruckwetterlage nutzt, die ein oder andere Weinverprobung in den einschlägigen Straußenwirtschaften, die es hier zur Genüge gibt, zu integrieren. Ohne Frage – diese Weinlagenexkursion ist eine der Besten, die man im Bundesgebiet unter die Wandersohle nehmen kann. Da wäre nur eine einzige Sache. Sachkundige Experten halten den Bernkastel Doctor Riesling Trockenbeerenauslese aus der Mosel für Deutschlands Riesling, dagegen soll sogar der Blaulack vom Schloss Johannisberg (0,375l für 375 Euro) abrauchen…. sagen Experten….

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