Auerbacher Burgen- und Blütenwegrunde

Auerbach, den 20.April 2020 – “Strata montana” nannten schon die Römer dieses herrliche Stückchen Erde zwischen Darmstadt und Heidelberg, dort wo gegenüber dem Pfälzer Mittelgebirge die Rheinebene in die Höhenzüge des Odenwaldes aufsteigt, dort wo Mandel- und Pfirsichbäume blühen, dort wo das geologische Herz der Region freigelegt ist, dort wo sich zwölf Burgen- und Schlösser aneinander reihen und dort wo zwei exzellente Weitwanderwege, nämlich der Burgensteig auf den Anhöhen und der unterhalb verlaufende Blütenweg, der sich durch die blühenden Vorgärten der Ortschaften zieht, eingerichtet wurden.

So bietet es sich an den die “Strata montana“, die Bergstraße, durch eine Kombination von Burgenweg und Blütenweg zu erschließen. Das Grundprinzip ist einfach. Von Nord nach Süd, zunächst über den Burgenweg, und dann zurück über den im Schnitt 200 Meter niedriger gelegen Terassenweg, dem Blütenweg, das Ganze gesplittet in fünf Exkursionen in Marathonqualität, gespickt mit hin- und ausreichenden Höhenmetern.

Gestartet wird in am Ortsrand von Darmstadt-Eberstadt. Eine Infotafel des Odenwaldklubs listet akribisch die Schlösser- und Burgenpracht auf, die entlang der Strecke liegen. Ein Handikap muß man allerdings in der Coronapandemiezeit einkalkulieren. Sämtliche Burgen und Schlösser, die bewirtschaftet sind, sind abgeriegelt, um aus verständlichen Gründen die Besucherströme zu unterbinden. Schon die ersten Kilometer auf dem Burgenweg, die durch den Darmstädter Stadtwald führen, gestalten sich von feiner Qualität. Gute Pfade mit einer lebendigen Textur. Bereits nach den ersten Kilometern merkt man, daß man sich im Vorhof des Odenwälder Felsenmeers befindet. Nach drei Kilometern ab Start erreicht man die Burg Frankenstein, die weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt ist. Einmal jährlich wird hier ein großes Haloween-Spektakel abgehalten, der Name Frankenstein bürgt dabei für Qualität. Wobei die Burg Frankenstein aber auf dem Langenberg liegt, und ein Odenwälder Pfarrer aus Nieder-Beerbach in Verbindung mit den Gebrüdern Grimm der englischen Schriftstellerin Mary Shelley die Steilvorlage lieferten um das Monster Frankenstein zu erfinden. So gesehen ist Frankenstein ein echter Odenwälder Bub.

Zwöf Burgen und Schlösser und ein Fürstenlager liegen entlang der kommenden Passagen
Von Anbeginn überzeigt die Streckentextur: rauf und runter
Die übliche morgendliche Begrüßung
Auch im Wald soll man nicht alles anfassen
Die Burg Frankenstein ist pandemiebedingt hermetisch abgeriegelt. Frankensteinlike angssteinflößend ist auf einem Anschlag der Hinweis angebracht daß eine Eintrittsgebühr von 200 Euro fällig ist, sollte man sich unerlaubterweise Zugang zur Burg verschaffen

Hinter der Burg folgt ein wunderbarer Abschnitt. Man merkt auf jedem Meter, daß man sich im Vorhof des Odenwälder Felsenmeers befindet. Granitsteinbrocken verteilen sich wie Streuobst in den Fluren des Waldes. Hier befinden sich auch die Magnetsteine, die jeden Kompass verrückt spielen lassen. Man vermutet, daß durch Blitzeinschläge die Steine magnetisch geworden sind, nach einer anderen Theorie haben dies vulkanische Ablagerungen verursacht. So geht es eben orientierungslos weiter – glücklicherweise sind die Wege bestens ausgeschildert. Nach weiteren fünf Kilometern ist die vielleicht zweitschönste Aussichtsplattform des gesamten Burgensteigs erreicht – die 1239 errichtete Burg Tannenberg. Tannenberg war die erste deutsche Burg, die durch Pulverkraft zerstört wurde. 1399 zogen 20 Pferde des Mainz-Trier-Frankfurter Städtebunds die gewaltige Frankfurter Büchse her um den Hausherrn der Burg Tannenberg, der gerne vorbeiziehende Kaufleute ausraubte und mafiöse Zollgebühren erhob, seine Grenzen aufzuzeigen. Heute kann man von den Burgruinen weitreichende Panoramaausblicke genießen.

Feinste Wanderwege Richtung Burg Tannenberg
Hier sind magnetisierte Granitsteine …..
und große Gesteinsboliden verstreut
Von Burg Frankenstein bis zum Schloß Auerbach verläuft der Burgenweg synchron mit dem Alemannenweg
Lufthansa ist umgestiegen – 95% der Maschinen sind derzeit am Boden – Wandern ist nun angesagt. In bester Bergstraßenlage unterhält die Kranichairline hier ein großes Ausbildungs- und Konferenzcenter – gleichzeitig investiert man auch in die Infrastruktur der Region
Seeheim liegt zu Füßen der Burg Tannenberg, die ursprünglich Burg Seeheim hieß Im Gebäuderiegel auf sechs Uhr ist das Lufthansakongresscenter zu sehen
Blick nach Darmstadt-Eberstadt, nach Darmstadt, hinüber zur Frankfurter Skyline und dem Taunus
Ein magischer Ort – die Fünfschwesternlinden – die Geschichte hierzu läßt sich vor Ort nachlesen
Ein altehrwürdiger Wegweiser

Von der Burgruine geht es steil abwärts hinab in das Stettbacher Tal um von dort an der Bergkirche vorbei hinauf zum Heiligenberg zu wandern. Der Heiligenberg ist ein weiteres Highlight dieser Passage. Hier flanierte einst der europäische Hochadel, hier kann man eine mächtig prächtige 800 Jahre alte Zentlinde besichtigen und hier oben ist eine markante adelige Ruhestätte des Hauses Battenberg, die ihre deutlichen Spuren als Mountbatten im englischen Königshaus hinterlassen haben. Erwandert man den Odenwald, dann ist man immer wieder fasziniert, wie sehr dieser Landstrich die Weltgeschichte geprägt hat. Von Frankenstein bis Mountbatten und weiteren spannende Geschichten – wie arm wäre unsere Kultur ohne den Odenwald.

Entlang der Wanderwege sind immer aufwändig installierte Rastpunkte zu finden
Man spricht gerne von der reichen Bergstraße. Opulente Anwesen wie hier sind sehr häufig anzutreffen
Vorbei an der Bergkirche – hinauf zum Heiligenberg
Die dem Schloß Heiligenberg vorgelagerte Teichanlage
Die Reste der Klosterruine
Linker Hand ruhen die Gebeine derer von Battenberg, rechts das Wahrzeichen von Seeheim-Jugenheim, das gewaltige goldene Kreuz welches an die Großherzogin Wilhelmine erinnen soll

Es folgt ein sehr munteres auf und ab. Für Flachlandtiroler ist der Odenwald nicht wirklich geeignet, Hier muß man sich immer auf gute Höhenmeter einstellen. Oberhalb von Alsbach geht es durch eine geschützte Waldzone um dann zunächst hinab zum Ortsrand der Kommune zu wandern um anschließend wiederum aufzusteigen zum Schloß Alsbach. Nach dem dreißigjährigen Krieg hatte man die Burg dem Verfall überlassen. Die Ruinen wurden im letzten Jahrhundert saniert und heute könnte man zu regulären Rahmenbedingungen in eine hier angesiedelte Gaststätte einkehren.

Ein Dokument der Zeitgeschichte
Ein herrlicher Hohlweg führt hinauf zum Alsbacher Schloß
2020: Zustände wie im Mittelalter: in Krisenzeiten schlossen die Burgherren die Burg ab, verschanzten sich hinter den Burgmauern und überließen das gemeine Volk ihrem Schicksal
1347 trotzen diese Mauern der Pest, 670 Jahre später dem Covid-19 – Fortsetzung nicht ausgeschlossen…..

Es folgen sechs entspannende Kilometer vom Alsbacher Schloß hinüber zum Auerbacher Schloß. Eigentlich sollte man dem Nibelungensteig folgen um einen Abstecher auf den markanten Melibokus unternehmen. Jedoch der Burgensteig ist in diesem Abschnitt zur Abwechslung moderat ausgelegt. So folgt man -nomen est omen- dem Commoder Weg, ein breiter gut gangbarer Höhenweg, der auch bei Radlern und Joggern sehr beliebt ist. Zu Coronazeiten sollte man daher diesen Abschnitt am Wochenende nach Möglichkeit meiden. Auch das Auerbacher Schloß ist hermetisch abgeriegelt. Der Burgensteig führt in Kehren abwärts nach Auerbach, den heutigen Wendepunkt dieser Exkursion. Ich verabschiede mich in Auerbach vom spannenden Burgensteig und schlendere auf der Terasse der Bergstraße zurück.

Normalerweile sollte man über den Melibokus ziehen, jedoch die Streckenführung des Burgensteigs gibt heute die moderate Alternative über den Commoder Weg vor
Wie immer – beste Wegekennzeichnung im Odenwald
Schloß Auerbach – die vielleicht neben Schloß Heidelberg schönste Burganlage der Bergstraße

Nach der beeindruckenden Burgenstraße folgt ein entspannender Rückweg, immer dem markierten Blütenweg entlang. Grundsätzlich empfiehlt es sich zu normalen Zeiten die Bergstraßenstädtchen intensiv zu erkunden. Wunderschöne Städte mit herrlichen Bauten, einer ausgezeichneten Gastronomie und sehenswerten Naturlandschaften, die durch den in diese sanfthügelige Landschaft eingebrachten Weinhänge geprägt sind. So bleibt es in der Kombination Burgenweg und Blütenweg die Aura dieses Umfeldes einzuatmen und die weitreichende Sichten in die Rheinebene zu genießen. Der Blütenweg verläuft entlang der Ortsränder und zentriert sich dabei am Rande der Weinberge. Hier blüht es bereits ab Anfang März, denn neben Freiburg zählt diese Kante zu den wärmsten Regionen Deutschlands. So geht es von Auerbach, über Zwingenberg, nach Alsbach, weiterführend durch Jugenheim und Seeheim, über das am Hang gelegene Malchen zurück nach Darmstadt-Eberbach.

Blick hinüber zum Etappenziel der nächsten Burgen- und Blütenwegexkursion, die Heppenheimer Starkenburg
Durch das Gehölz kann man immer wieder Blicke auf die Rheinebene erhaschen
Entspannung pur: ein Metaruheweg………..
In Auerbach geht es vom Burgen- auf den Blütenweg
Auch auf dieser Etage findet man immer wieder schöne Rastpunkte
Blick hinüber zum mittlerweile brennstoffreien AKW Biblis
Schöner anzuschauen ist die gegenüberliegende Seite
Es blüht hier an allen Ecken
und hier blühte die Fantasie eines Architekten
während sich hier ein Landschaftsgärtner austobte
Ein Pauerweg für powerwalker……
Hier verbünden sie sich wieder – Alemannenweg, Burgenweg und Blütenweg….
Ach ja.. hier befinden wir uns im Drachenland – Siegfried der Drachentöter läßt grüßen
Fachwerk und Sandstein – regionaltypische Bauelemente
Schon etwas abgeblasste Ausschilderung auf dem Blütenweg

Ob Burgenweg oder Blütenweg – jeder dieser Weitwanderwege für sich ist lohnenswert. Aber auch die Kombination ist verlockend. Krisenzeitenbedingt sind derzeit Rundwanderungen angesagt. Wenn man zwei hochattraktive Strecken kombinieren kann, dann hat man nahezu einen Idealzustand. Optimal für alle Freunde von Weitwanderungen, die auch aus logistischen Gründen Rundwanderungen bevorzugen. Diese Passage mit 43 Kilometern und mehr als 1.300 Höhenmetern ist durchaus anspruchsvoll, abwechslungsreich und gespickt mit kulturhistorischen Stationen. So darf gespannt sein auf die nächsten Passagen Richtung Heidelberg – keep on walking…..

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