Michelstadt, den 29. August 2015
Odenwald – Rom – Marcellinus – Petrus – Einhard so die ungewöhnliche Kauselkette, die 1995 dazu führte, daß zwischen Michelstadt und dem Mainstädtchen Seligenstadt ein alter historischer Weg reaktiviert wurde, in Gedenken an Einhard, der um 770 im Maingau geboren und zum engsten Berater von Karl des Großen aufstieg und im Jahre 828 bedeutende Reliquien der katholischen Kirche von Michelstadt nach Seligenstadt überführte. Heute können Wanderer selbst ihre Gebeine entlang dieser Pfade bewegen.
Bei Michelstadt errichtete Einhard eine dreischiffigen Pfeilerbasilika, um dort mit seiner Frau Imma den Lebensabend verbringen, wobei die Basilika als letzte Ruhestätte auserkoren wurde. Einhards Sekretär Ratleik reiste 827 nach Rom um zu einer angemessenen Kirchweihe entsprechende Reliquien zu beschaffen, ursprünglich gelockt von Versprechungen eines Diakons. Nachdem sich diese als leeres Gerede herausstellten, schritt man zur Tat, drang in eine Kirchengruft an der Via Appia ein und entwendete Gebeine der beiden prominenten Kanonheiligen Marcellinus und Petrus. Über Pavia, St. Moritz und Solothurn führte die illegale Reliquienausreise nach Straßburg und von dort via Rheinschiff bis nach Mannheim. Fünf Tage später war Michelstadt erreicht, wo die Reliquien in die errichtete Basilika verbracht wurden.
Sie verblieben zunächst dort. Bedingt durch zahlreiche Traumerscheinungen seiner Diener und das „Blutschwitzen“ der Gebeine kam Einhard zu der Erkenntnis, dass sich die heiligen Gebeine hier aber nicht wohl fühlten. Am 16./17. Januar 828 wurden die Reliquien daher nach Seligenstadt verbracht. Hier begann Einhard, mit dem Bau einer eine prächtigen karolingischen Pfeilerbasilika. Über dem Grab der frühchristlichen Märtyrer Marcellinus und Petrus, errichtete er eine imposante Wallfahrtskirche. Durch die Gläubigen, die zu dieser Kultstätte pilgerten, erhielt die Ortschaft ihren neuen Namen: „Saligunstadt“ – die heil- und trostbringende Stätte.
Sinnigerweise startet man den 60 Kilometer langen Einhardsweg in Michelstadt an der Einhardsbasilika. Nicht zwingend wanderfreundlich die Öffnungszeiten der historischen Städte in Michelstadt/Steinbach. Vor 10 Uhr morgens hat man keine Chance das eintrittspflichtige Areal zu betreten, November bis Januar geschlossen und von März bis April erst ab 12 Uhr. Mit einem Blick über den Zaun geht es der Markierung, einem kursiven weißem „E“ folgend in die Stadtmitte Michelstadt zu einem der berühmtesten Rathäuser der Welt. Der trapeztürmige Grundriß war durch die Lage der umgebenden Straßen und Gassen vorgegeben, was dem Baumeister einige Schwierigkeiten machte und zu einer ungewöhnlichen Lösung führte. Seine repräsentative Front kehrt das Rathaus mit zwei spitzbehelmten Erkern und einem abgewalmten Giebel dem Marktplatz zu. Das nach drei Seiten hin offene Untergeschoß wurde als Markt- und Gerichtshalle genutzt. Der rückwärtige Teil war ehemals ein Teil der Friedhofsmauer, auf dem das obere Rähm des Erdgeschosses aufliegend errichtet wurde.
Weiter geht es durch die sehenswerte historische Altstadt, dem Wingertsweg folgend stetig bergauf zum Eulbacher Schloß. Leider ist die Markierung, die ein Seligenstädter Wanderverein angebracht hat im folgenden Wegverlauf unzureichend und entspricht nicht dem gewohnten Standard des Odenwaldklubs. Da der Weg selbst nicht in den offiziellen topografischen Karten verzeichnet ist, haben es Ortsunkundige schwer sich zu orientieren. Die rudimentären Angaben des aufgelegten Faltblattes können auch nicht als Wegweiser herangezogen werden.
Vorbei am Jagdschloß Eulbach mit seinem angeschlossenen Eulbacher Park und als ältester archäologischer Park Deutschlands gilt und natürlich nur gegen Eintritt aber nicht in den frühen Morgenstunden besichtigt werden kann geht es teilweise auf schönen Waldpfaden hinauf zum Michelstädter Stadtteil Vielbrunn. Die 520 Meter hoch gelegene Gemeinde, die sowohl von Bayern als auch vom Odenwald durch die hier oben befindlichen Windkraftanlagen weithin lokalisiert werden kann war ein strategischer Fixpunkt entlang des römischen Odenwald-Limes.
In der gesamten Gemarkung entdeckt man Reste von römischen Kastellen und Wehrtürmen. So folgt man sinnvollerweise der Wegekennzeichnung „L“ für den westlichen Limesweg stehend, der vom Main bis zum Neckar führt und immerhin 83 Kilometer umfasst.
Der Limesweg ist auf überwiegend naturbelassenen Pfaden angelegt und führt von Vielbrunn vorbei am Prestock Point, einem ehemaligen amerikanischen Munitionslager. Hier befinden sich heute regenerative Anlagen und ein Reifenlager. Entlang schöner Pfade erreichen wir nach 22 Kilometer das heutige Tagesziel das Wegkreuz Kleinkastell Windlücke Hainhaus. Von hier aus wird die nächste Exkursion Richtung Seligenstadt erfolgen.
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