Main stromaufwärts -Ochsenfurt

Randersacker, den 13. Februar 2021 – Zapfig war es schon, zu früher Stunde am Mainuferufer von Randersacker. Knackige minus 12 Grad zum Start, prognostizierter Permafrost bis auf minus zwei Grad zur Mittagszeit, Dauersonne bei wolkenlosem Himmel, wobei die himmlische Flutlampe jahreszeitbedingt wieder mehr als zehn Stunden angeschaltet war. Kurzum beste Voraussetzungen für die nächste Maintour.

Der Schleusenkanal an der Randersacker Staustufe war noch leicht vereist, und obschon die Polartüre weit geöffnet war, ist es bei Windstille ein angenehmes Laufen, während im Anflug der aufgehenden Sonne die Mainaerosole über den Fluß brodeln und sich eine besondere morgendliche Stimmung entfaltet. Der Mainradweg zumindest bis Eibelstadt schnee- und eisfrei – ab dann ist für den Rest des Tages Grödeleinsatz angesagt.

Selbst der Randersacker Schleusenkanal ist angeeist
Von wegen zugreifen……
Perspektive Randersacker Sonnenstuhl. Zweiundvierzig Kilometer später kann man dort oben weitreichende Blicke bis zur Würzburger Festung genießen
Zumindest bis Eibelstadt geht es eisfrei durch
Hochkreative Werbung: Shopping am Main und nicht am Amazon(as)
Der dampfende Main bei Sonnenaufgang
Ein Käffchen beim heißen Franken wär jetzt nicht verkehrt
Selbst Schuld wer zu dieser Zeit noch unter der Decke liegt

Der Mainweg schmiegt sich bei Eibelstadt unterhalb der Bundesstraße an den Flußverlauf bis zu den Jahreszeitenstädten Sommerhausen und Winterhausen. Kurios, aber ableitbar, die Namen der beiden Ortschaften. Da der Sommerhäuser Kirchenpatron Bartholomäus seinen Gedenktag im August und der Winterhäuser Kirchenpatron Nikolaus selbigen im Dezember hat, lag die Namensgebung auf der Hand. In Winterhausen lohnt ein Abstecher in die kleine Ortsmitte, dort wo das Barockrathaus mit dem Kantorat und der Nikoslauskirche ein bemerkenswertes Ensemble bildet. Vom Kirchberg, geht es zurück zum Main hinüber dort wo am Mauritiusplatz einst das historische Zentrum nebst alter Mainbrücke nach Sommerhausen vorzufinden war.

Keine Chance für das Abwasser der Bundesstraßenbrücke
Was macht man nur im Frühling oder im Herbst?
Am Kirchberg in Winterhausen
1829 zog sich ein Arretierter beim Wärmen mit einer Kohlenpfanne tödliche Brandwunden im Rathaus zu. Nicht wirklich vereinbar mit den allegorischen Figuren der Gerechtigkeit und Frömmigkeit, die an der Außenfassade angebracht wurde
Bis zum 18. Jahrhundert wurden in der Mauritiskirche Liturgien gefeiert, danach hatten die Gebetsbücher Henkel, denn das Pfarrhaus wurde als Brauerei und Wirtshaus umgewidmet

Weiter geht es in südöstlicher Richtung, vorbei an Goßmannsdorf, entlang eines ausgedehnten Mainauestreifens gen Ochsenfurt. Vereist das dürre Geäst entlang des Mainufers, der Fluß in den Nischen der Auenlandschaft teilweise zugefroren, die gegenüberliegenden Weinbergshügel eingepudert, der Mainweg, mehr oder minder eine Eisfläche, so gesehen eine flußnahe Winterwanderung der speziellen Art. Durch das vorgelagerte Ochsenfurter Industriegebiet geht es schnurgerade in die historische Altstadt. Am Main gibt es zwei nach Tiernamen benannte Furtstädte, die da wären Schweinfurt und Ochsenfurt, wobei nach der Wortherkunft das englische Oxford als angelsächsischer Bruder zu sehen ist. Allemal sehenswert ist die gut erhaltene Stadtbefestigung und das historische Zentrum, allerdings sind in den derzeitigen Pandemiezeiten ausgedehnte Stadtbesichtigungen nicht wirklich angebracht. So geht es zügig weiter, vorbei an der drittgrößten Zuckerfabrik vom größten Zuckerhersteller der Welt. Unspektakulär verläuft die weitere Wegeführung entlang der Ochsenfurter Staatsstraße hinüber nach Marktbreit, ein weiteres Kleinod an der unterfränkischen Südspitze des Maindreiecks.

Es funktioniert immer wieder: Die Kraft der Sonne setzt neue Energien frei
“Welcome in Oxford” würde der Brite sagen
Ein Meisterwerk des Fachwerkbaus
Erdige Pigmente waren bei der Fachwerksgestaltung im frühen Mittelalter verbreitet. Später gestaltete man Fachwerk nebst Gefache deutlich bunter
Außergewöhnlich ist die Monduhr am Ochsenfurter Rathaus
Winterwanderer meets Winterreiter
Ein absolutes Rätsel: Der außergewöhnliche Schattenwurf des Schornsteins der Zuckerfabrik
Die südlichste Ecke des Maindreiecks ist erreicht
Blick hinüber nach Frickenhausen, einem kleinen aber äußerst sehenswerten Weiler
Und vis a vis von Segnitz ist die erste Frühstückspause angesagt

Marktbreit, der südlichste Zipfel des Maindreiecks und heutiger Wendepunkt der Maintour. Der knapp 4.000 Seelen zählende Marktflecken war schon immer etwas besonderes. Einst ein bedeutender Flußschifffahrtsumschlagsplatz und heute noch gesegnet mit opulenten Prachtbauten, wie das Seinsheimsche Schloß, das Wertheimer Haus, das Maintor nebst Rathaus, das zweitälteste Wirtshaus Bayerns und nicht zu vergessen, das bekannteste Fotomotiv der Stadt, das Malerwinkelhaus. Apropos “vergessen” – Alois Alzheimer wurde hier in Marktbreit geboren.

Am Malerwinkelhaus in Marktbreit
Unter dieser Winkel trübt sich dagegen das Auge des Malers ein
Schloß Marktbreit – ein Fixpunkt in der Ortsmitte
Regelrecht am Maintor hineingequetscht
Klingt nach Endzeitstimmung: Vom Alzheimer zum Friedhof………
Historische Epitaphien sind in den Friedshofsarkaden eingebracht
Jetzt ist die Kunst auch von Corona infiziert worden. Hier eine Arbeit eines Künstlers, die den offiziellen Namen “Syphilisarbeit mit dem Corona” trägt. Treffender Originalkommentar des Kulturschaffenden: “Vor vier Monaten wussten viele nicht, dass es Virologen gibt und was diese tun. Heute ist fast jeder zweite ein Virologe. In Corona-Zeiten wurden wir Alle überschüttet mit wissenschaftlichen Erläuterungen, statistischen Aufbereitungen, hochfachkundigen Beschreibungen einer jeden Phase und vielen Fremdwörtern. Wir haben alle viel gelernt in diesen Wochen und Monaten. Corona als Bildungsinstrument?
Für Manchen war’s vielleicht zu viel.”

Die Mainbrücke querend geht hinüber es zur schönsten Passage dieser Maintour. Hinauf zu den sonnenverwöhnten Weinbergshängen, dort wo exzellenter Weinanbau betrieben wird, dort wo zahlreiche Rundwanderwege geschaffen wurden und dort wo man auch zur Winterzeit auf dem Panoramaweg das mainfränkische Ambiente aufsaugen kann. Quer durch Segnitz (auch hier gibt es einen sehenswerten Arkadenfriedhof) geht es hinauf in die Wingerte, dort wo Silvaner, Portugieser, Müller-Thurgau, Spätburgunder, Kerner und Scheurebe angebaut werden. Die gewaltige A7-Brücke unterquerend führt die Passage unterhalb eines Muschelkalkbruchs vorbei an der Valentinskapelle nach Frickenhausen. Normalerweise gehört es zum Pflichtprogramm in Frickenhausen bei einem guten fränkischen Schoppen einzukehren und die sehr gut erhaltene befestigte Ortschaft ausgiebig zu besichtigen, situationsbedingt bleibe ich jedoch diesmal auf der Höhe. Gute vier Kilometer sind zu absolvieren, bis man Markt Frickenhausen und Kleinochsenfurt gequert hat, um in den nachfolgenden Panoramaweg einzusteigen.

Auch im Winter sind Weinbergswanderungen ein Erlebnis
Blick auf die Marktbreiter A7-Katastrophenbrücke. In der Bauzeit ging der Bauunternehmer pleite, die 1982 errichtete Brücke ist in einem erbärmlichen Zustand. Schwerlastverkehr darf die Brücke nicht mehr befahren, für LKW,s gilt ein Überholverbot, eine Sanierung ist nicht möglich und seit 2019 quält man sich mit der Ausschreibung einer Ersatzbrücke
Allemal haltbarer der Erinnerungsposten an St. Kilian, dem irischen Wanderbischof und neben St. Urban Schutzheiliger der Winzer
Blick auf Markt Frickenhausen, Ochsenfurt und Kleinochsenfurt
Dem Kapellensteig folgend geht es abwärts nach Frickenhausen
Schon in der biblischen Schrift steht geschrieben: Wein den sollst Du lieben……
Immer noch zapfig kalt ist es in Frickenhausen
Hier ist, trotz Glasfaser im Keller, die Zeit gefühlt noch stehengeblieben
Frickenhausener Stilleben
Der Vorteil der Jugend: Die Unbekümmertheit
Was man aus Holz so alles machen kann..

Hinter Kleinochsenfurt gibt es drei Möglichkeiten: entlang des Mainradweges unterhalb der Bundesstraße, unterhalb der Weinberge auf einem Wirtschaftsweg nach Sommerhausen, oder den luftigen Panoramaweg, der sich im Frühjahr wenn es grünt und blüht als grüner Tunnel entfaltet. Keine Frage, das Wanderherz blüht schon auf, wenn man Panoramaweg liest, der zudem dank Nähe zum hier oben liegenden Kalksteinbruch auch als geologischer Pfad ausgewiesen ist. Der Lohn des Aufstiegs: weitreichende Blicke über die unterfränkische Mainlandschaft. Nach sechs aussichtsreichen Panoramawegskilometern ist der Winterhäuser Pendant, Sommerhausen, erreicht. Sommerhausen genießt einen guten Ruf. Ein kleines Künstlerdorf, denn hier sind zahlreiche Galerien vertreten, schöne Weinstuben, eine ausgezeichnete Gastronomie und ein über die Regionalgrenzen hinaus bekannter Weihnachtsmarkt, der diesen Namen noch wirklich verdient. Ein einziger Lichtblick zur Seuchenzeit: im Außenausschank des sehr zu empfehlenden Goldenen Ochsens wird bester Winzerglühwein coronakonform to go feilgeboten.

Hinauf zum Panoramaweg
Da hat sich einer mit Flügel ausgestattet
Ein feiner Weg – auch zur Winterzeit
Linker Hand Winterhausen und rechter Hand Blick auf Sommerhausen
Ein neues Winterparadies: Unterfranken
Und in Sommerhausen findet man ein Glühweinparadies

Glühweingestählt geht es weiter zum Schlußsport. Über einen schönen Weinbersgterassenweg errreicht man nach drei Kilometern Eibelstadt, flächenmäßig die kleinste Stadt Bayerns, weintechnisch jedoch eine große Nummer. Hinter Eibelstadt geht es noch einmal aufwärts. Die A3 unterquerend, kann man, wenn man noch genügend Körner in den Beinen hat, den Randersacker Sonnenstuhl in Angriff nehmen. Der Anstieg lohnt, denn vom markanten Sonnenstuhlturm kann man exzellente Aussichten bis hinüber nach Würzburg genießen. Ein steiler Schleichpfad führt abwärts nach Randersacker, dort wo nach herzerfrischenden 46 Kilometern und gelinden 570 Höhenmetern eine zwar frostige aber erlebnisreiche Mainpassage endet.

An den sonnenverwöhnten Hängen hält sich das Eis nicht lange
Architektonisch ungewöhnlich ist der markant angebaute Treppenaufstiegsturm der Eibelstädter Kirche, außergewöhnlich gut zudem der heimische Rebensaft
Der Randersacker Sonnenstuhlturm – ein terroir-f-Stützpunkt
Im nächsten Leben könnte man Wein-Geologie studieren…..
Blick von der Aussichtsplattform zum Würzburger Käppele, der Festung Marienberg und im Vordergrund Randersacker

4 Kommentare

  1. Hallo Powerwalker,
    ich verfolge als Hobbywanderer seit einigen Jahren Euere Wanderaktionen, zuletzt die Wanderung entlang des Mains, wo ich auch schon etliche Wandertouren absolviert habe. Heute möchte ich zu einer Veranstaltung im schönen Neuberg-Rüdigheim einladen.
    Pandemiebedingt fiel ja Fasching/Karneval dieses Jahr aus. Unser Karnevalsverein RCV Rüdigheim hat sich deshalb entschlossen, dieses Jahr am 15.05.2021 – erstmalig – ein Wanderevent zu veranstalten, den “Narhallamarsch” ! Teilnahmebedingungen etc. findet Ihr auf der Website:

    https://narrhallamarschrcv.wordpress.com/

    Die Teilnehmerzahl ist begrenzt.

    Es wäre toll, wenn auch einige auswärtige Powerwalker teilnehmen könnten.

    Helau aus Rüdigheim – ein Amateurwalker

    Roland Mahr

    • Hallo Roland, das ist ja abgedreht und hochkreativ – ein 100 Kilometer langer Narhallemarsch, das werden wir mal auf den Radarschirm nehmen. Hoffen wir mal, dass die Veranstaltung im Pandemieumfeld laufen wird.

  2. Grüß Gott Powerwalkers,

    wir haben uns gerade frisch als Werbeagentur in Ochsenfurt niedergelassen und durchforsten gerade das Netz nach allem, was Ochsenfurt so zu bieten hat. Euer Blog gefällt uns besonders gut, weil er im Vergleich zu anderen von so wahnsinnig vielen, großen und prächtigen Bildern lebt. Vor allem “Der dampfende Main bei Sonnenaufgang” ist der Wahnsinn!

    Wir lassen schöne Grüße da 🙂

    • Dank und Gruß zurück nach Ochsenfurt. Es ist immer wieder toll in Eurer Region unterwegs zu sein – auch wenn es einmal, wie in diesem Beitrag beschrieben sehr zapfig war.

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