Worms, den 02. Februar 2019 –
Erneut ist die Nibelungenstadt Ausgangspunkt einer Rheinauenexkursion – jedoch diesmal in nördlicher Richtung. Hatte der Odenwaldklub bis vor kurzem zwei Hauptwanderwege zwischen Mainz und Karlsruhe im Wanderportfolie, der eine mit einem roten “R” von Mainz bis Worms, der andere von Mannheim bis nach Karlsruhe, so erfolgte nunmehr im Rahmen einer Flurbereinigung eine durchgänge Streckenmarkierung von Mainz bis nach Karlsruhe – entsprechend der Farbe des Rheinwassers in einem blauen “R” gehalten.
Nachdem die südliche Rheinauenpassage bis nach Karlsruhe absolviert war, stand nun der Trail in das Hessische Ried an. Die imposante Nibelungenbrücke mit dem gewaltigen Brückenturm passierend geht es aus der Wormser Innenstadt über den Rhein, der aktuell mit 146 cm einen relativ niedrigen Wasserpegel ausweist. Exakt vor 100 Jahren wurde an dieser Stelle im Jahre 1919 ein Hochwasserstand von 710 vermeldet. Geradeaus führt die Bundesstraße in dass sechs Kilometer entfernte Bürstadt, linker Hand folgt man dem markierten Wanderweg in nördlicher Richtung um das Areal des Maulbeerauer Altrheins zu erreichen.
Die Auen enstanden am Ende der letzten Eiszeit aus abgelagertem Kies, Lehm und Sand, die der mächtige Rhein anschwemmte. Längst verschwunden sind die hier gepflanzten namensgebenden Maulbeerbäume. Heute ist das Gebiet Teil des europäischen Schutzgebietsnetzes Natura 2000 und dient der Erhaltung wertvoller Arten und Lebensräume.
Auf der gegenüberliegenden linksrheinischen Seite zieht sich das weitläufige Wormser Industriegebiet entlang. Vorbei an Nordheim und dem gegenüberliegenden Rheindürkheim ist bald der Steinerwald erreicht – wobei angesichts des lichten Baumbewuchses die Bezeichnung „Wald“ deutlich übertrieben erscheint.
Auf der Höhe des Damms erreicht man den alten Fährturm, der 1901 errichtet wurde und den Wagenverkehr über den Rhein für die Achse Nordheim-Rheindürkheim bediente. Bald stößt man hier auf die Weschnitz, ein 59 Kilometer langer Rheinzufluß, der im Odenwälder Grasellenbach entspringt, um unweit des bei Biblis gelegenen Atomkraftwerkes in den Rhein zu entwässern.
Vom jahrhundertelangen Kampf der Riedbewohner gegen die rheinischen Hochwasserfluten zeugen im Steiner Wald von Biblis-Nordheim verschiedene Denkmäler wie ein Pumpwerk, ein Dammwachhaus und eine Deichschließe. Bereits im 15. Jahrhundert werden hier erste Dammbauten erwähnt. Hölzerne Schließen regulierten den Abzug des Wassers durch den Audeich. Anfang des 19. Jahrhunderts wurden die hier lebenden Anwohner per Gesetz zur Dammwache verdonnert. Jede Anliegergemeinde bekam ihren Abschnitt zugewiesen, der mit Dammwachsteinen gekennzeichnet war.
Direkt hinter dem Steiner Wald wird man in das 20. Jahrhundert katapultiert. Mächtig strecken sich die vier Kühltürme des AKW,s Biblis in den trüben Februarhimmel. Glücklicherweise ist der in 1975 in Betrieb genommene Atombolide -Fukoshima sei Dank – seit 2011 vom Netz genommen werden. Nicht zwingend beruhigend ist jedoch der Gedanke, dass lediglich ein 60cm dicker Betonmantel das Rhein-Neckargebiet vor zehntausenden von Brennstäben und Tonnen von Urandioxid schützt. Fünfzehn Jahre werden für die Entlassung der Gebäude aus dem Atomgesetz veranschlagt – über die Abbaudauer des Atomschrotts möge man an der Stelle nicht weiter nachdenken.
Anachronismus pur – nur ein Katzensprung von den Kühltürmen entfernt ist die Hammer Aue erreicht. In diesem Areal tummeln sich zu früher Stunde zahlreiche Angler – scheinbar handelt es sich hier um eine fischreiche Gegend. Augenfällig auch die Vielzahl der Muscheln die man hier am Rhein finden kann. Unlängst haben übrigens Forscher entdeckt, dass die hier anzutreffenden Muscheln Seltene Erden enthalten. Der Grund ist trivial. Die hier vorgefundenen Stoffe Lanthan und Samarium stammen aus einer Wormser Fabrik die Katalysatoren herstellt. Ob unter diesen Voraussetzungen der Anglerruf „Petri Heil“ noch seinen Bestand hat, mögen Andere beurteilen.
Zur Streckenhalbzeit ist nach 21 Kilometern Gernsheim erreicht. Hier hat man Gelegenheit, je nach Marschgeschwindigkeit zum Frühstück im sehr zu empfehlenden Fährhaus einzukehren. Bis 11.30 Uhr wird Frühstück gereicht, ab 11.31 Uhr werden große Schnitzel und schmackhafte Biere aufgefahren.
Nach der Pause quält man sich auf unattraktiven fünf Kilometern durch das Gernsheimer Industriegebiet und Hafenareal. Im Nachgang betrachtet wäre es klüger gewesen in Gernsheim mit der Rheinfähre überzusetzen, um unterhalb des im Rheinbogens gelegenen Eicher Sees unbeschwert den Rhein entlang bis zur Guntersblumer Fähre bis zur Höhe des gegenüberliegenden Europareservats Kühkopf zu wandern.
So bleibt die Alternative durch das Biebesheimer Fischteichareal, welches sich entlang des Rheinbogens zieht um dann auf asphaltierten Wirtschaftswegen im Zick-Zack durch das flache Hessische Ried weiter zu wandern. Nichts zwingendes für das Auge – eher als „Kilometerschrubberei“ abzuhaken.
Bald ist Stockstadt am Rhein, die Eingangspfortze zum Naturreservat Kühkopf erreicht. Der Kühkopf entstand aus einer Rheinschleife, die 1829 bei einer Rheinbegradigung zur Insel wurde. Einst verwalteten karolingische Herrschergeschlechter dieses Gebiet. Dabei bildete der Kühkopf das nordwestliche Ende des kaiserlichen Bannforstes, war also demnach “Königsland”. Die Halbinsel wies zudem annähernd die Form eines Kopfes auf. Der Kühkopf war also “Königsland” in Kopfform: Königsland-Kopf oder noch kürzer Königs-Kopf. König wurde im mittelhochdeutschen “künec” gesprochen. Künec-Kopf schliff sich im Laufe der Zeit ab zu “Kühkopf”. Heute umfaßt der Kühkopf 1.700 Hektar und wird von 60 Kilometern Wanderwege durchzogen. Stoff genug für eine spektakuläre Tageswanderung durch ein einzigartiges Naturschutzgebiet. Einzig zur Sommerzeit ist Achtsamkeit angesagt, denn hier fühlen sich die Stechmücken besonders wohl.
Nach einer kurzen Passage durch das östliche Kühkopfareal geht es über den Erfelder Fußgängersteg zum benachbarten Goddelau, dort wo man nach einer halbstündigen Bahnfahrt via Biblis den Ausgangspunkt – die Stadt Worms- wieder erreicht. 41 Kilometer und nicht wirklich herausfordernde 68 Höhenmeter, so die Bilanz dieser Tour. Bleibt noch das große Finale über die selbe Streckenlänge zur Landeshauptstadt Mainz – demnächst auf diesem Kanal.
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