Zwischen Main und Wein

Hochheim, den 5. Oktober 2024 – Drei auf einen Streich. Drei von insgesamt vierzehn Rieslingschleifen, die das Regionalmanagement Rheingau im Sommer 2023 offiziell freigegeben hat, als Ersatz für die bislang bestehende Rheingauer Rieslingroute. Zielsetzung war es den Riesling als Leitrebsorte an markanten Anbauflächen stärker in Szene zu setzen und durch ,bis zu acht Kilometer lange attraktive Rundwege die Erschließung zu vereinfachen. Für Langstreckenwanderer bietet es sich daher an benachbarte Schleifen zu verbinden, damit sich die Anreise und das Schnüren der Wanderstiefel lohnt. So hat es sich angeboten die Rieslingschleifen “Kostheim”, “Flörsheim” und “Hochheim” zu einer dreißig Kilometer langen Entdeckungstour zu verknüpfen.

Gestartet wird am Mainufer von Mainz-Kostheim, am offiziellen offiziellen Einstieg der Riesling Schleife Kostheim, die mit dem Untertitel “Löss und Lehm” versehen wurde. Kein Wunder, denn die meterdicken Lössablagerungen im Rheingau sind kalkreich und zugleich ein immenser Wasserspeicher mit einem reichen Mineralstoffreservoir. Ergo – ideale Voraussetzungen für den König der Reben – den Riesling. Entlang des Mains wandert man zunächst vorbei am Cellulosehafen zum flussnahen Aussichtsturm, um weiterführend entlang des Mains in eine der berühmtesten Weinberglagen des Rheingaus einzusteigen.

Start am Mainufer von Mainz-Kostheim, einem Ortsbezirk der nicht zu Mainz sondern zur hessischen Landeshauptstadt Wiesbaden gehört. Aber dies ist eine ganz andere Geschichte….
Den 50. Breitengrad querend, der lange Zeit als nördliche Grenze des Qualitätsweinbaus galt. Jedoch noch beherrscht König Riesling mit 80% die Anbaufläche des Rheingaus. Glaubt man den Prognosen so wird künftig ein Temperaturanstieg von einem Grad eine Nordwärtswanderung der Reben von 180 Kilometern ermöglichen. Bordeaux im Rheingau? Nichts scheint unmöglich…
Vom Kostheimer Aussichtsturm…
..blickt man u.a. auf die Cellulosefabrik, dort wo Tempo-Taschentücher, Zewa-Küchentücher und auch Servietten für Mc Donalds produziert werden…
Immer den Main entlang…
..und die Kostheimer Eisenbahnbrücke, mittlerweile ein Kulturdenkmal, unterquerend
Optimale Bedingungen für eine Weinlagenwanderung: 15 Grad Anfang Oktober und langsam drückt sich der bunte Herbst durch
Drei Rieslingschleifen wurden auf dieser Tour verzahnt. Diese ersetzen neben elf anderen Schleifen den bisherigen Rheingauer Rieslingweg (grünes Schild)

Über den Mainuferweg erfolgt der Wechsel von der Riesling Schleife Kostheim zur Hochheimer Schleife, die mit dem prägnanten Titel “Wein und Victoria” ergänzt wurde. Kein Wunder, denn hier bewegt man sich auf königlichen Spuren, denn 1845 besuchte die englische Königin Victoria die Region und entdeckte ihre Liebe zum Hochheimer Wein. Seitdem greift in englischen Adelskreisen die Erkenntnis “A good hock keeps off the doc” (Ein guter Hochheimer macht den Arzt überflüssig)

Mit königlicher Erlaubnis durfte der hier ansässige Weinbergsbesitzer die Lage als “Königin Victoriaberg” bezeichnen. Ein angemessenes Denkmal trägt dem Rechnung…
Jedoch – die eigentliche Wiege des Rieslings liegt im benachbarten Rüsselsheim. Dort, wo Opelfahrzeuge zusammengeschraubt werden, wurde bereits 1435 erstmals die Rieslingrebe urkundlich erwähnt….
Es knallt mächtig im Wingert….
..aber auch am Wegesrand pulsiert die Natur

Hinter dem Victoria-Denkmal wird zunächst die Hochheimer Riesling Schleife veranlassen um am östlichen Ende auf die Flörsheimer Schleife zu wechseln, die in nördlicher Richtung komplett umrundet wird, bevor die Passage auf der Hochheimer Schleife fortgesetzt wird. Die reizvolle Landschaft zwischen Wicker und Main bildet die Flörsheimer Schweiz und weist mehrere attraktive Haltepunkte aus. Einst klapperten hier mehr als zwanzig Mühlen entlang des Wickbachs., Auf dieser Rieslingschleife wandert man an der mächtigen Obermühle vorbei, um anschließend die historischen Kalkbrennöfen vor Flörsheim zu passieren. Über Kalkmagerrasenflächen wandert man weiter zu den Weinlagen von Wicker hinauf zur Flörsheimer Warte – ein attraktiver Rastpunkt auf diesem Rieslingtrail.

Alles eine Frage des Standpunktes: Seit mehr als dreihundert Jahren streckt sich der in Stein gemauerte Bolide in den Himmel des Rheingaus……
..während es auf der flussnahen Seite der Obermühle beschaulicher zugeht
Industriegeschichte: Vorbei an den historischen Kalkbrennöfen von Flörsheim
Blick auf die nordöstlich gelegene Skyline von Frankfurt
Als Kontrastprogramm die Gedächtniskapelle nebst Steinlabyrinth am Flörsheimer Herrnberg…
..dort wo man nebenan, direkt an der Flörsheimer Warte, einem ehemaligen Wachturm entlang der kurmainzischen Hoheitsgrenzen…
..bei einer Weinschorle vortrefflich einkehren kann..
Während im Wingert die Trauben voll im Saft stehen….
..lassen diese Gewächse saisonbedingt die Köpfe hängen

Man könnte, wenn man wollte, zum Weinprobierstand am Ortsrand von Wicker durchwandern, jedoch so groß ist die Not wirklich nicht, denn nach der Flörsheimer Warte steht nach weiteren drei Kilometern bereits die nächste sehr zu empfehlende Einkehrstation an, die Wiesenmühle, dort wo man traditionelle hessische Gerichte aufgetischt bekommt. Nach der Stärkung wandert man weiter und zurück zur Rieslingschleife “Wein und Victoria”, die nun Richtung Hochheim finalisiert wird. Hier wird auch Großes Gewächs aus mehr als 50 Jahre alten Reben gezogen. Für Weinfreunde ein Megastar deutscher Weine.

Noch klebt hartnäckig das Grün an der Pflanzenwelt. Kein Wunder: Frosttage – derzeit Fehlanzeige
Kein Frevel sondern ein bewusst verankertes Kunstwerk als Bestandteil der 190 Kilometer langen Regionalpark-Rundroute
Genauso wie dieses Objekt – der Eisenbaum. Ein Objekt das zum Nachdenken anregen soll. Und was das Ganze mit Gentechnik zu tun hat kann man vor Ort nachlesen.
Hessen pur kann man unter anderem in Form hessischer Tapas in der Wiesenmühle genießen.
Eine Landmarke in den Hochheimer Weinbergen – der Bronzespiegel
Traubenvollernter werden bevorzugt in flacheren Weinanbaugebieten eingesetzt
Und ein Blick in die spätbarocke Hochheimer Fresko-Kirche lohnt durchaus

Gerade einmal zwei Kilometer lang ist die Transferstrecke die durch das Hochheimer Weinbergareal führt um zur finalen Runde der Kostheimer Rieslingschleife anzudocken, die durch das Anbaugebiet von Mainz-Kostheim führt. Hier hätte man, wenn man wollte, durchaus Gelegenheit bei einigen Weingütern vor Ort eine Verprobung durchzuführen. Dieser Abschnitt der in die nördlichen Ausläufer des Wiesbadener Stadtteils führt ist eher eine Passage der stillen Art – ohne nennenswerte Akzente. Jedoch bietet es sich an die Schleife mit einer Sonderschleife zu bereichern – mit einem Abstecher zum Mainspitzdreieck, dort wo bei Kilometer 0,0 der Main in den Rhein entwässert und dort wo gegenüber der Mainzer Dom die Präsenz der rheinlandpfälzischen Landeshauptstadt unterlegt.

Die spannende Frage die sich Winzer und Weinfreunde stellen: Wie fällt 2024 der Jahrgang aus?
Auch hinter den Gleisen geht es weintechnisch weiter….
“Was zum Geier haben Wildschweine in Weinbergen verloren?” – so der erste Gedanke. Jedoch aus dem unterfränkischen Randersacker wurde schon berichtet, dass dort Wildschweine Unmengen an Trauben fressen und durch Brechen der Stöcke ganze Wingerte zerstört haben.
Während es in den Weinbergen noch bunt zugeht…
..wird man gegenüber daran erinnert dass der Herbst Einzug hält
Über die Kostheimer Schneckenbrücke….
..geht es zum Finale zum Mainspitzdreieck

Drei Rieslingschleifen auf einen Streich – eine abwechslungs- und erkenntnisreiche Exkursion, die natürlich insbesondere im Oktober besonders reizvoll ist. 31 Kilometer bestückt mit zu vernachlässigenden 500 Höhenmetern und bereichert mit zwei tollen Einkehrstationen. Ein einziger Umstand trübt diese Passage:

Kostheim, Hochheim und Flörsheim liegen just in der Anflugschneise der beiden Hauptlandebahnen des Frankfurter Flughafens. Im Minutentakt! ziehen die Maschinen über die zahllosen Trauben der Weinberge hinweg. Wenn Trauben Ohren hätten – der Wein wäre ungenießbar.

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