Mespelbrunn, den 15. Juni 2019 –
Es hat schon Legendenstatus – das sagenumwobene Wirtshaus im Spessart. Angezettelt hatte das Ganze Wilhelm Hauff, der 1826 die Novelle „Das Wirtshaus im Spessart“ veröffentlichte. Protagonisten der Erzählung waren natürlich die Spessarträuber, die weit über die Spessartgrenzen bekannt und gefürchtet waren. Kurt Tucholsky vertiefte das Thema in einer weiteren Veröffentlichung und die Filmindustrie setzte das Thema in den 50er Jahren in bewegte Bilder um.
Der Vermutung Rechnung tragend, dass die Vorlage des Handlungsstrangs im Großraum Mespelbrunn zu finden ist, startet die Exkursion im unterfränkischen Aschaffenburg. Es empfiehlt sich die kostenfreien Parkmöglichkeiten am Festplatz zu nutzen, was zudem den Vorteil bietet dass man beim Gang über die Mainbrücke einen schönen Blick auf das Aschaffenburger Schloß hat.
In nördlicher Richtung führt die Passage vorbei am kleinen Aschaffenburger Yachthafen um den kleinsten Stadtteil von Aschaffenburg, die Obernauer Kolonie zu umrunden. Entlang des Häsbachs quert man den nördlichen Zipfel des Ortsteils Schweinheim um auf einem naturbelassenen Areal entlang des Ahornwegs in die bewaldete Zone des Naturparks Spessart einzutauchen.
Auf den nächsten Kilometern folgt man den mit einem roten Punkt markierten Dietzweg zum 346 Meter hohen Stengerts, dort wo ein 22 Meter Aussichtsturm vorzufinden ist. Auf der Passage hinauf Passant man ein „kleines Felsenmeer“ bestehend aus losen Granitsteinverbünden.
In südöstlicher Richtung folgt man der Wegeführung durch den ehemaligen Truppenübungsplatz. Zahlreiche Schilder weisen darauf hin, dass man unbedingt auf den befestigten Pfaden bleiben soll – zu groß die Gefahr, dass man auf verstreute Munition stoßen könnte. Spessarttypisch lebendig gestaltet sich die Wegeführung. Nasch einem munteren auf und ab ist bald das Wanderheim Soden erreicht.
Von hier aus steigt man ein in die Hohe-Wart-Straße, die hinauf zum gleichnamigen Waldgasthof mit angeschlossener Brauerei führt. Ein gewisser Antonius Sartorius errichtete auf der Hohen Wart 1773 eine Hütte mitten im Wald, um die vorbeifahrenden Kutschen die zwischen Schloß Aschaffenburg und dem Schloß Mespelbrunn pendelten zu bewirtschaften. Grundstücksschieberein verbunden mit Irrungen und Wirrungen führten dazu, dass heute das Hohe Warthaus im Besitz der Stadt Aschaffenburg ist, allerdings auf Miltenberger Grund steht. Den zahlreichen Gästen ist dieser Umstand schlichtweg egal. Man kehrt gerne ein in dieses Waldlokal, genießt deftige Speisen aus dem Spessart und ein vorzügliches Bier, welches hier gebraut wird. Fürwahr eine Destination, welches wahrlich das Prädikat „Wirtshaus im Spessart“ verdient.
Nicht vergessen kann und darf man, daß man sich hier im „Räuberland“ befindet. Die Spessarträuber sind nicht nur durch die Literatur sondern explizit durch politische Zersplitterungen entstanden. Dank unklarer Grenzverläufe und nicht vorhandenen Zuständigkeiten etablierten sich Räuberbanden in dem Landstrich, die Dank mangelnder Strafverfolgung paradiesische Zustände vorfanden. Optimal als Rückzugsort war natürlich der dichtbewaldete Spessart. Heute kann man sich gegen Bares stilgerecht von Spessarträubern überfallen lassen und der ansässige Touristikverband hat unter dem Signet „Räuberland“ den Landstrich wandertechnisch etabliert. Höhepunkt dabei war 2015 die hier ausgerichteten „24 Stunden von Bayern“.
So folgt man geschickterweise den „Räuberweg“, um nach vier Kilometern das weit über die Landesgrenzen bekannte Wasserschloß Mespelbrunn zu erreichen. Die Familie Echter von Mespelbrunn schuf hier im 15. Jahrhundert ein wahres Kleinod, welches heutzutage ein Besuchsmagnet in dieser Region ist. Hier war auch Drehort des Spielfilms „Das Wirtshaus zum Spessart“. Im Eintrittspreis von fünf Euro ist eine interessante Führung inkludiert. Vor dem Schloß befindet sich zudem ein Café/Restaurant, stilgerecht als „Wirtshaus im Spessart“ deklariert.
Nach einer angemessenen Rast geht es weiter, dem Unteren Panoramaweg folgend, Richtung Hessenthal, dort wo angeblich das wahre „Wirtshaus im Spessart“ stand. Das mittlerweile geschlossenen Haus „Zur Alten Post“ soll angeblich als Vorlage für den gleichnamigen Roman gedient haben. Kurt Tucholsky verortete dagegen das Wirtshaus im benachbarten Rohrbrunn, kehrte jedoch dann in Lichtenau ein, was er flugs als „sein“ Wirtshaus im Spessart deklarierte.
Von Hessenthal aus geht es auf mehr minder unmarkierten aber gut zu wandernden Pfaden Richtung Oberbessenbach um nach einem hügeligen Streckenverlauf den Weiler Dörrmorsbach zu passieren. Von hier aus empfiehlt sich der Weitermarsch Richtung Osten, den Rehberg umrundend, um einen herrlichen Aussichtspunkt oberhalb von Gailbach zu erreichen.
Der Rest – die Kür. Unterhalb des Stengerts erreicht man bald wieder Schweinheim um in die Aschaffenburger Umlaufnahn einzutreten. Zum krönenden Abschluß soll es natürlich noch einmal ein „Wirtshaus im Spessart sein“. Dafür prädestiniert ist das am Main angedockte Bootshaus „Arche Noah“ unweit des Aschaffenburger Schlosses. Stilgerecht wird damit eine 43 Kilometer lange Exkursion mit herrlichen 1.045 Höhenmetern beendet. Bleibt die Erkenntnis: Wirtshäuser im Spessart, die sich selbst als solche deklarieren, gibt es zur Genüge. Es bleibt am langen Ende jedem selbst überlassen sein persönliches „Wirtshaus im Spessart“ zu entdecken. Deftiges Essen und schmackhafte Biere sind vielerorts vorzufinden. Verbindet man diese Infrastruktur mit den vorhandenen Wanderwegen, so steht einer zünftigen „Wirtshausentdeckung“ im Spessart nichts im Wege. Wohl bekomms!
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