Heidelberg, den 8. Juni 2019 –
Die Kurpfalz. Historisch betrachtet eines der spannendsten Territorien der deutschen Geschichte. Einst angesiedelt zwischen Mosel und Kraichgau, bestehend aus Exklaven und Enklaven, regiert von Pfalzgrafen, dominiert von Wittelsbachern, geprägt vom Calvinismus und knöcheltief verstrickt mit dem dreißigjährigen Krieg. Um die Grenzen Frankreichs Ende des 17. Jahrhunderts an den Rhein vorzuschieben, praktizierte Ludwig XIV. eine brutale Kriegsführung: Er ließ ganze Städte und Dörfer dem Erdboden gleichmachen, jagte das Heidelberger Schloß in die Luft und leitete damit das Ende dieser geschichtsträchtigen Region ein. Am langen Ende waren es die Amerikaner (Mark Twain und eine Broadwayaufführung in 1924 sei Dank), die den “Mythos Heidelberg” prägten. Während sich internationale Touristen mit einer Stippvisite in Heidelberg zwischen Rom, London, Paris und Hofbräuhaus begnügen ist es allemal eine Empfehlung wert, die Region unter die Schuhsohlen zu nehmen.
Reist man zu früher Stunde an, so empfiehlt es sich das Auto am Parkhaus Kornmarkt/Schloss abzustellen. Sozial verträglich sind für Wanderer die länger unterwegs sind die Parkgebühr von durchschnittlich einem Euro pro Stunde und ideal der Einstieg am Fuße des Schlosses. Da das Schloss selbst erst ab 08.00 Uhr zu besichtigen ist, beschränkt sich die Inaugenscheinnahme von außen durch eine östliche Umrundung. Oberhalb der Scheffelterrasse stattet man dem in die Jahre gekommenen Vater Rhein einen Besuch ab und genießt, die aufgehende Sonne im Rücken, die perfekten Lichtverhältnisse die die untenliegende Heidelberger Altstadt und das weitläufige Rhein-Neckarareal besonders in Szene setzen. Beste Voraussetzungen für postkartenverdächtige Aufnahmen.
Vorbei an Bier- und Weinstuben die sich hier oben angesiedelt haben (man spricht von 3,5 Million Touristen p.a.) folgt man der Neuen Schloßstraße. Monopolylike flankieren prachtvollste Liegenschaften, die allsamt mit parkähnlichen Gärten ausgestaltet sind, die Straßenzüge, einige davon sind traditionsreiche Verbindungshäuser. So hat beispielsweise die Pepperdine University aus Los Angeles für 5 Millionen Dollar das Moore-Haus renovieren lasssen um hier in stilgerechter Atmosphäre die angehenden Akademiker zu empfangen.
Gehe über Schloßstraße, vorbei am einzigen Wasserfall Heidelbergs, dem Klingenteichfall, der umgebungsadäquat von Rhododendren, Azellen und Stauden eingerahmt ist und folge dem Riesensteinweg – so der weiterführende Wegeverlauf. Vorbei an einem ehemaligen Sandsteinbruch erreicht man den markanten Aussichtspunkt “Sieben Linden”, bevor es am Sensenried über eine weitläufige Treppenanlage steil abwärts Richtung Heidelberger Bahnhof geht, um den Rest der Tagespassage auf flachem Niveau zu erschließen.
Westwärts geht es durch das neu in Erschließung befindliche Areal der Bahnstadt vorbei an Heidelberg/Pfaffengrund um auf dem “Alten Heidelberger Weg” den Gang nach Schwetzingen anzutreten. Insbesondere Heidelberg und Schwetzingen stehen für ein gepflegtes badisches Sonderbewußtsein. So hat man sich mit der Redensart “Schwobe schaffe, Badner denke” eine eigene Idendität aufgesetzt.
Glänzt hüben das Heidelberger Schloß, so ist drüben der außergewöhnliche barocke Schloßgarten ein Meilenstein der kulturellen Besonderheiten in diesem Landstrich. Das Schloß Schwetzingen selbst wurde anfänglich im 14. Jahrhundert als kleines ritterliches Wasserschloß konzeptioniert und Ende des 17. Jahrhunderts als kurfürstliches Schloß aufgebohrt. Spektakulär und als Meisterwerk europäischer Gartenarchitektur entwickelt, entfaltet sich auf dem 72 Hektar großen Gelände eine streng geometrisch angeordnete Anlage ursprünglich als französischer Barockgarten angelegt und im Verlauf der Jahrzehnte als englischer Landschaftsgarten weiterentwickelt. Für einen Kurzrundgang sollte man allermindestens eine Stunde einplanen.
Vom Schloßgarten geht es in nördlicher Richtung durch das Waldgebiet Schwetzinher Hardt nach Hockenheim. Man könnte einer drögen sechs Kilometer langen Wirtschaftswegschneise folgen, abwechslungsreicher ist es jedoch auf den unmarkierten Waldschneisen durch das Forstgebiet zu wandern. Bereits von Weitem wabern aufdringliche Motorengeräusche durch den Stadtwald – der Hockenheimring läßt grüßen. Hier können verhinderte Formel-1-Piloten mit eigenem Fahrzeug über die Pisten brettern – für 20 Euro pro Viertelstunde.
Die A6 und anschließend Hockenheim querend geht es weiter westwärts Richtung Rhein. Vorbei am Hockenheimer Kleinflughafen geht es entlang des Gießgrabens durch die flache Acker- und Wiesenlandschaft, parallel der A61 folgend. Bereits von Weitem kann man das Schlußziel der Tagestetappe, den markanten Dom zu Speyer lokalisieren. Wandertechnisch nicht prickelnd folgt man den asphaltierten Wirtschaftswegen, um bei Rheinkilometer 400 eine der ältesten Städte Deutschlands zu erreichen. Speyer will und muß separat entdeckt werden. So bleibt eine kurze Stippvisite in der größten erhaltenen romanischen Kirche der Welt, bevor es Dank ausgezeichneter S-Bahn-Verbindung im Rhein-Neckarraum via Ludwigshafen und Mannheim zurück nach Heidelberg geht.
Kurpfälzer Impressionen gebündelt auf 43 Kilometer mit lauen 460 Höhenmetern. Es wird nicht die letzte Passage in dieser Region gewesen sein. Wanderstoff unterlegt mit vielen kulturellen Anreizen gibt es hier zur Genüge.
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