Sternenfels, 22. November 2014.
Es hätte alles so einfach sein können. 28 entspannte Kilometer durch die Kraichgauer Lande von Waldangeloch nach Sternenfels, so der Arbeitsauftrag der letzten Main-Stromberg-Etappe. Doch es kam alles anders. Der Wettergott offerierte ein unwiderstehliches Wochenendangebot. Ende November, zwei Sonnentage pur – bei Temperaturen bis zu 14 Grad. Strahlende Sonne, blauer Himmel, ein nach wie vor farbenfroher Odenwald mangels Frost- und Sturmtage und eine hervorragende Wanderinfrastruktur, die es zulässt adhoc eine adäquate zweitägige Wanderalternative zu entwickeln. 83 Kilometer mit exakt 2.000 Höhenmetern so die Schlußbilanz einer eindrucksvollen Fast- Jahresabschlußexkursion.
Grundlage der Planung war die ursprüngliche Schlußetappe des OWK Hauptwanderweges von Waldangelloch nach Sternenfels, welches am Fuße des Strombergs liegt. Von Waldangelloch, welches einst zehn Zigarrenfabriken beherbergte, führt der Pfad zunächst entlang des Historischen Weinlagenweges hinauf zur Sankt Michaelskapelle. Noch beherrschte der Morgennebel die Wingert – jedoch konnte man bereits zur frühen Morgenstunde die weitreichenden Aussichtsmöglichkeiten erahnen. Nach einer Stunde war bereits der Kreuzberghof erreicht, dort wo zufälligerweise eine Kontrollstelle einer dort stattfindenden IVV-Wanderung eingerichtet war. Gerne wurde ein zweites Frühstück zu zivilen Preisen eingerichtet, letztendlich auch als zeitsparendes Substitut für ein Mittagessen, sollten doch an diesem Tag 41 Kilometer, nach Möglichkeit noch bei Tageslicht absolviert werden.
Weiter ging es auf herrlichen Pfaden vorbei an Tiefenbach durch den sanfthügeligen Kraichgau quer durch herrliche Weinberge, wie ein Südhesse sie aus der Bergsträßer Region kennt. Menzingen war das nächste Teiletappenziel. Allemal zu empfehlen ist, den markierten Wanderweg zu verlassen, um das bemerkenswerte Reste des Menzinger Wasserschlosses zu besichtigen. Mitte des 14. Jahrhunderts errichtet, wurde die Wasserburg 1525 durch den Plebs niedergebrannt, anschließend wieder aufgebaut und 1945 durch Kriegsbomben zerstört. Seit 1992 engagieren sich Stiftungen und öffentliche Einrichtungen für eine behutsame Trümmerbeseitigung. Beeindruckend und allemal sehendwert der morbide Zustand der Burganlage.
Zurück auf den Hauptwanderweg geht es weiter nach Zaisenhausen, der kleinsten Gemeinde im Kreis Karlsruhe mit der bemerkenswerten Doppelturmspitze der Evangelischen Kirche. Weiter abwärts geht es in das „Schwarzriesling Dorf“ Kürnbach, welches 600 Jahre lang als eine staatsrechtliche Kuriosität existierte. Es war zu zwei Dritteln hessisch und zu einem Drittel erst württembergisch, dann badisch. Es gab zwei Standesämter, zwei Gemeindekassen und zwei Bürgermeister, die auf sechs Jahre gewählt wurden, wobei jeder drei Jahre den Vorsitz im Gemeinderat führte. Die Badenkelter und die Hessenkelter, erinnern heute nach an die damilige Grundherrschaft. Durch die Fachwerksgemeinde Kürnbach geht es hinauf zum 314 Meter hoch gelegenen Sternenfels, der offiziellen Schlußetappe des in Frankfurt einsetzenden Main-Stromberg-Weges. Bereits von weitem sichtbar ist der 14 Meter hohe Wasserturm der auf dem Schlossberg im Stile eines Bergfrieds gebaut wurde. Übrigens führt der Wanderweg nach Sternenfels teilweise auf den Pfaden des 41 Kilometer langen Eppinger-Linien-Wanderweges. Markgraf Ludwig Wilhelm von Baden, der “Türkenlouis”, errichtete die Eppinger Linien 1695 als Verteidigungslinie. Das Wall-Graben-System reichte von Neckargemünd bis Weissenstein bei Pforzheim. Damit sollten die alljährlichen Einfälle und Plünderungen der Franzosen unter Ludwig XIV abgewehrt werden. Heute ist die Verteidigungslinie ein hervorragender Wanderweg, der für eine künftige Exkursion durchaus vorzumerken ist. Sternenfels selbst liegt am Nordwesthang des Strombergs, der Teil des Naturparks Stromberg-Heuchelberg ist. Hier entspringt auch der Kraichbach, der Namenspatron der
der Region. Einst wurden 35 Sandmühlen in Sternberg betrieben, die den damals sehr begehrten Stubensand herstellten, mit dem man alles Mögliche reinigen konnte und als Scheuersand weltweit exportiert wurde.
Von Sternenfels aus geht es weiter entlang des Hauptwanderweges no 8 des Schwäbischen Albvereins nach Maulbronn zum gleichnamigen Zisterzienserkloster, welches seit 1993 in die Liste des Weltkulturenerbes der UNESCO aufgenommen wurde. Das Kloster Maulbronn gilt als die am vollständigsten erhahtenstee Klosteranlage des Mittelalters in Europa. Hier sind alle Stilrichtungen und Entwicklungsstufen von der Romanik bis zur Spätgotik in einer bemerkenswerten atmosphärischen Dichte vertreten. Leider ist die Kasse bei Ankunft schon geschlossen – doch wird eine alsbaldige Erkundigung in der Wanderagenda aufgenommen. Imposant auch der Klosterhof mit seinen bemerkenswerten historischen Bauten. Der Klosterhof nimmt mehr als die Hälfte der Klosteranlage ein. und ist von warmtonigen Fassaden der frühen Steinbauten und von Fachwerkhäusern aus verschiedenen Jahrhunderten geprägt. Sehr zu empfehlen ist als Wanderherberge die unmittelbar am Kloster gelegene Klosterpost. Einziges Manko: hier gibt es kein Wanderweizen. Jedoch ist ein Besuch der drei Minuten entfernten Klosterschmiede zwingend obligatorisch. Hier werden kreative Variationen der Maultauschen, die seinerseits im Maulbronner Kloster erfunden wurden aufgetischt. Mitten in der Fastenzeit sind die Mönche damals an ein großes Stück Fleisch gekommen. Da Hunger und Ratlosigkeit groß und im Klostergarten reichlich Spinat und Kräuter zu finden waren, zerkleinerten die Mönche das Fleisch und vermischten es mit dem Grünzeug, so dass es nicht mehr als Fleisch zu erkennen war. Im Wissen, der Allmächtige sehe alles, wurde das Ganze in einem Teigmäntelchen versteckt. Die Maulbronner Teigtasche -sinnigerweise auch „Herrgottsbescheißerle” genannt- war somit geboren. Seit 2009 ist die schwäbische Nationalspeise von der EU in Ihrer Herkunftsbezeichung geschützt und fällt in die Klasse „geschützte geografische Angabe”. Sinnigerweise empfiehlt sich dazu einen Kraichgauer Riesling reichen zu lassen. Im heimischen Rebensaft dominieren fruchtige Noten von Pfirsich und Apfel sowie etwas Zitrusfrucht und es entfaltet sich wohlgefällig im Gaumen. Ein mehr als würdiger Abschluss nach einem herrlichen Wandertag.
Gerne angenommen wird das Angebot des Hotels bereits ab 7 Uhr mit dem Frühstück, welches am Wochenende üblicherweise erst ab 8 Uhr kredenzt wird, zu starten. Knapp neun Stunden Helligkeit stehen für den Rückweg von 42 Kilometern zur Verfügung. Genügend Zeit ohne Hatz auf den östlichen Pfaden via Eppingen nach Waldangelloch zurückzukehren. Analog des Vortages, frühmorgendlicher Nebel, der eine mystische Stimmung im Maulbronner Klosterareal entfaltet. Entlang der Klostermauer geht es vorbei am Tiefensee wiederum der Eppinger Linie folgend zum schmucken Fachwerkstädtchen Diefenbach. Östlich von Sternenfels divergiert die Kartenangabe von der Wegerealität. Ein alter Wegestein legt Zeugnis ab, dass dort wo einst kartografisch niedergelegt, tatsächlich ein Weg seinerseits vorbei führte, der jedoch in einem Bannwaldareal seinem Schicksal überlassen wurde. Dank einiger Wegebypässe über einige Bergzüge geht es weiter nach Mühlbach der Kraichgauer Steinhauerstadt. Hier befinet sich auch ein Steinhauermuseum. Fernab des Buntsandsteinodenwaldes. ist hier der helle Sandstein beheimatet. Um 1900 waren 90 Prozent der männlichen erwerbsfähigen Einwohner in den damals 18 Steinbruchbetrieben des Ortes beschäftigt.
Den asphaltierten Radweg folgend geht es weiter in das fünf Kilometer entfernte Eppingen, mit seiner sehenswerten Altstadt, die im Gesamten denkmalschutzrechtlichen Ensembleschutz genießt. Nach einer kurzen Stadtbesichtigung empfiehlt es sich dem blauen Quadrat des vom OWK markierten Hauptwerweges Nummer 19, der von hier aus bis nach Offenbach führt, zu folgen. Zunächst auf einem unspektukulären asphaltierten Fuß/Radweg geht zum benachbarten Adelshausen. Von hier führen angenehme Pfade zum markanten Vulkankegel Steinsberg, dort wo die weithin sichtbare Burg Steinsberg steht, die einzige Burg mit achteckigem Bergfried nördlich der Alpen. Die Burg wurde schon in der Frühzeit „Kompaß uff den Kraichgau“ genannt, weil sie weithin sichtbar zwischen Sinsheim und Weiler auf einem Basaltkegel liegt. Hier oben befindet sich auch eine respektable Restauration. Jedoch nimmt die sichtlich überforderte Bedienung nicht die Witterung auf, einem sichtlich unterhopften südhessichen Wanderer mit schnellen Weizen eine Freude zu bereiten.
So geht es auf einem traumhaft schönen Waldpfad zurück nach Waldangelloch. Zwei Kilometer vor dem Ziel werden die Wetterverhältnisse schamlos ausgenutzt. Bei angenehmer Herbstsonne drängt sich die Terrasse des Sinsheimer Golfclubs förmlich auf. Wahrlich funkelnd das Farbenspiel des goldgelben Weizens in der herbstlichen Abendsonne. Nach herrlichen 42 Kilometern und knapp 900 Höhenmetern empfiehlt sich eine Einkehr in dem Metzgereigasthof “Zum Adler”. Zu mehr als zivilen Preisen werden hier ausladende Portionen feilgeboten, was Gelegenheit bietet das verbrauchte Körnerreservoir wieder aufzufüllen. Alles in allem zwei bemerkenswerte Wandertage in einer außergewöhnlichen Landschaft. Anreize für weiterführende Exkursionen in dieser Region eingeschlossen.
In der Gesamtbetrachtung ist der 170 Kilometer lange Main-Stromberg-Weg eine ausgezeichnete Möglichkeit den Odenwald mit seinen verschiedenen Facetten kennenzulernen. In welcher Art und Weise die Nord-Süd-Querung begangen wird sei der Intension und dem Leistungsvermögen eines jeden Wanderers überlassen. Sowohl Mehrtagestouren, als auch etappenweise Exkursionen im Querverbund mit der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel bieten sich an.
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