Volkach, den 23. Februar 2021 – Spätestens wenn im Frankenland Saharastaub aus Algerien den Sonnenaufgang eintrübt aber auch einfärbt, merkt man dass die Welt ein Mikrokosmos ist. So starte ich in Schwarzenau, unweit des letzten Wendepunktes Dettelbach. Aber nicht nur Wüstenstaub liegt in der Luft, sondern auch ein intensiver Schweinegeruch. Kein Wunder, denn hier befindet sich das zentrale bayrische Versuchs- und Bildungszentrum für Schweinehaltung. Luftlinientechnisch liegt Schwarzenau gerade einmal 16 Kilometer östlich von Würzburg entfernt, flusstechnisch allerdings 60 Mainkilometer. Das Landschaftsbild hat sich mittlerweile komplett geändert. Weitläufige Agrarflächen prägen das Mainplateau oberhalb der nachfolgenden Mainschleifen. Jedoch auch auf der Hochebene prägt der Weinbau die Dörfchen, wie man es beispielsweise in Neus am Berg erfahren kann.
Hinter Neus am Berg erreicht man ein weitläufiges Weinanbaugebiet, die Lage “Neuser Glatzen”. 1971 sollten sich die Eigentümer von 27 Kleinlagen auf einen gemeinsamen Weinlagennamen einigen. Bei einer zunächst ergebnislosen Versammlung kam man nach mehreren Weinschoppen kurz vor Mitternacht auf den glorreichen Namen “Neuser Glatzen”, da eine Vielzahl der versammelten Respektspersonen einschließlich Bürgermeister Glatzenträger waren. Geschäftig geht es schon an den Weinhängen zu. Aktuell ist Rebschnitt angesagt. Altes Holz wird entfernt und die Zahl der „Fruchtruten“ wird bestimmt. Statistisch gesehen wird jeder Rebstock im Laufe des Jahres siebzehnmal von den Winzern besucht. Oberhalb des am Main liegenden Weilers Köhler geht es mit Blick auf die Volkacher Mainschleifen gegenüber des markanten Kreuzbergs gen Norden. Zweifelsohne, hier ist mithin das schönste Stück Erde am Main zu besichtigen, auch wenn die Kunstregion Churfranken am Untermain mit dem Slogan “..dort wo der Main am schönsten ist” eine andere Auffassung hat.
Mit Blick auf die gegenüberliegende Vogelsburg geht es durch eine der besten fränkischen Weinlagen, der Escherndorfer Lump. Überliefert ist ein Briefwechsel von Goethes Sohn August an einen Eschersheimer Weinhändler mit folgendem Inhalt: “„Der uns bis jetzt von Euer Hochwohlgeboren übersendete Escherndorfer 1798er Wein hat den Beifall meines Vaters erworben, und wenn Sie uns mit dergleichen ferner versehen können, so wird es mir angenehm sein, meine Bestellungen erneuern zu können. Vorderhand ersuche ich Euer Hochwohlgeboren, uns abermals ein Zweieimerfaß von besagtem Escherndorfer 1798er Wein baldigst zu übersenden. Jedoch bemerke ich, dass mein Vater besonders auf größte Egalität im Wein streng achtet und besonders liebt, wenn dergleichen Weine ihre natürliche Farbe behalten. Einer baldigen Besorgung entgegensehnend empfehle ich mich bestens.“
Am Ortsrand des Weinortes Escherndorf führt ein steiler Weg aufwärts zur Vogelsburg. Von hier aus kann man weitschweifende Blicke auf die größte Flußmäanderlandschaft Bayerns, der Volkacher Mainschleife genießen. Wer zum ersten mal diese Region bereist, sollte lichttechnisch eher die Nachmittagsstunden wählen. Ein Restaurant mit Außenterasse sowie ein Hotel machen die Vogelsburg zu einem beliebten Ausflugsziel. Geologen sind ebenso begeistert von der Region, denn hier lassen sich mustergültige Landschaftstexturen ablesen. Aufwändig gestaltete Informationstafeln sind darüber hinaus eine wahre Fundgrube für geologisch Interessierte.
Oberhalb der Mainhänge an der Vogelsburg geht es weiter dem Main folgend. Vorbei an Kaltenhausen geht es durch Obereisenheim und weiterführend zur Fährstation in Wipfeld, dem heutigen Wendepunkt dieser Mainrunde. Wer möchte kann die Mainschleife über die Volkacher Weinlage Ratsherr sauber auslaufen, für die heutige Streckenführung ist jedoch der Gang über den Eselsberg vorgesehen, dort wo der weltgrößte Bocksbeutel installiert ist. Jedoch, wer hier einen überdimensionalen Glaskubus erwartet, der ist schief gewickelt. Die Schreihalse aus der Marketingabteilung haben hier ganze Arbeit geleistet, denn es handelt sich hiebei um ein Stahldrahtgestell in Form eines Bocksbeutels, der in seinem “Bauch” Platz für 50 Personen bietet. Allemal, der Platz ist aussichtsreich und hervorragend und bestens für eine Brotzeitpause geeignet. Über einen kleinen Waldabschnitt, die Poppenhecke, erreicht man nach weiteren sieben Kilometern vom weltgrößten Bocksbeutel gerechnet die wunderbare Weinstadt Volkach. Empfehlenswert wäre zudem ein Besuch der vorgelagerten Wallfahrtskirche Maria im Weingarten, mit der berühmten Riemenschneider-Madonna. Jedoch in Notzeiten wie diesen, und in den Wintermonaten überhaupt, sind die Kirchentüren geschlossen.
Volkach – eine fränkische Bilderbuchstadt, über die Grenzen der Region als Wein- und Kulturstadt bekannt, ist ein idealer Ausgangspunkt im die Region zu erkunden. Man merkt natürlich die touristische Ausprägung an allen Ecken. Zahlreich die Angebote der Beherbungsbetriebe und der gastronomischen Einrichtungen. Wer fränkische Wein- und Genußkultur erleben möchte, hier ist man durchaus richtig aufgehoben.
Vom Weinort Volkach geht es zur nächsten Weinstadt, nämlich Sommerach. Zunächst folge ich dem Mainkanal , der in den fünfziger Jahren als Durchstich angelegt wurde, um großen Flußfahrtschiffen die Passage bis nach Bamberg zu ermöglichen. Über die östliche Flanke des Kreuzbergs geht es südwärts zum gegenüberliegenden Sommerach. Sehr zu empfehlen, insbesondere zur Herbstzeit, sind hier ausgedehnte Rundpassagen auf der von Menschenhand angelegten Weininsel. Dabei sollte man zu gewöhnlichen Zeiten auch einen Besuch im Biergarten der Hallburg einplanen, dort wo man natürlich und konsequenterweise auch besten Frankenwein kredenzt. Fast könnte man meinen, dass Sommerach von einer Weindunstglocke eingemantelt ist. Schon seit dem 11. Jahrhundert wird hier gepflegter Weinanbau betrieben. Noch heute sind 140 Winzerfamilien der 1.400 Seelen zählenden Gemeinde damit beschäftigt 250 Hektar Weinflächen zu bewirtschaften. Mehr als einmal im Jahr werden zudem historische Scheunen und idyllische Hinterhöfe aufgesperrt um in weinseliger Atmosphäre die heimischen Produkte genießen zu können.
Vom Sommerach aus geht es nochmals den Mainkanal querend hinüber nach Münsterschwarzach, dort wo seit 1200 Jahren eine Benediktinerabtei angesiedelt ist. Der heutige Kirchenbau, der 1938 fertiggestellt wurde, ist bereits der Vierte. 1825 musste ein herrlicher Barockbau, der durch Blitzeinschlag in Mitleidenschaft gezogen wurde, abgerissen werden. Der Baustil, dem Zeitgeist der dreißiger Jahre entsprechend, gewaltig, ebenso der spartanisch gehaltenen Innenraum. Gewaltig und hochmodern ist das zudem das gesamte Klosterareal konzipiert. 20 Handwerksbetriebe, 300 Mitarbeiter, ausgedehnte Sportanlagen, ein Verlag und eine Druckerei werden hier betrieben. Kein Wunder, der charismatische Anselm Grün hat als erfolgreicher Buchautor, Manager und Börsenspezialist 36 Jahre lang die wirtschaftlichen Belange des Klosters gesteuert. Wie schon die Vergangenheit lehrte auch heute noch können Kloster ein regional bedeutender Wirtschaftsfaktor sein. Vom Kloster geht es durch Schwarzach über eine Mainbrücke zurück nach Schwarzenau, dort wo vor 43 Kilometern am frühen Morgen diese Runde gestartet wurde. Zweifelsohne ist die Volkacher Runde ein Highlight der bisherigen Mainrunden. Die Fortsetzung gen Schweinfurt ist schon auf dem Radarschirm.
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