Weilburg, den 6. November 2016
Der Lahnwanderweg ein Trail für jede Jahreszeit. So ist auch bei stark eingewölkten Himmel im trostlosen November bei einstelligen Temperaturen wiederum ein außergewöhnliches Wandererlebnis garantiert, auch wenn die Radiomoderatorin bei Anfahrt gegen 5.30 Uhr im ARD-Nachtfunk voller Überzeugung verkündet “November – ein Monat in dem man sich gerne einkuschelt in eine Decke, ein Lichtlein anzündet und einen schönen Tee genießt.” Allemal gehaltvoller ist es im Morgengrauen um 07.00 Uhr vom Bahnhof in Weilburg zu starten, die Innenstadt zu queren um den östlich gelegenen Lahnbogen via Ernst-Dienstbach-Steg, bei Einheimischen besser als “Kettenbrücke” bekannt zu kreuzen. Diese Bezeichnung Kettenbrücke erinnert an die 1784 errichtete Brücke aus Ketten, die erste derartige Konstruktion in Kontinentaleuropa. Kurz hinter der Brücke taucht man ein in einen herrlichen Pfad entlang der Lahn. Bedingt durch den fulminanten warmen September setzte der goldene Herbst erst mit vierwöchiger Verspätung ein und hält noch Anfang November vor. Genuß für die Seele, um nach japanischer Leseart Shinrin Yoku – bei uns “Waldbaden” genannt, zu praktizieren.
Entlang des Pfades passiert man die Gesteinformation Hauslei, welches aus dem vulkanischen Gestein “Lahnporphyr” besteht. Beeindruckend die Wegpassage, die über zwei Stege mit Lahnüberhang führt. Noch nebelverhangen die Anhöhen am Springersberg bei Oderbach, dort wo der offizielle Lahnwanderweg hinaufführt. Wetteradjustiert und im Nachgang die richtige Entscheidung wird auf den Anstieg verzichtet, um den Verlauf der Lahn zu folgen. Bei Odersbach wird die Lahn gequert um gegenüber in Kirschhofen den Leinpfad, als Teil des Hessenweges und des Lahnhöhenweges zu folgen. Spektakulär die ständig wechselnden Landschaftsbilder. Der sich langsam lichtende Novembernebel, ein sich partiell öffnendes blaues Wolkenband und eine sich zögerlich entfaltende Morgensonne erzeugen eine novembertypisch mystische Atmosphäre die sich eine in Wolldecken eingehüllte Radiomoderatorin wohlweislich nicht vorstellen kann. In der Wilmersau schlägt die Lahn einen 90-Grad-Bogen um über zwei breite Terrassenstufen deutlich an Fliessgeschwindigkeit aufzunehmen.
Bei Gräfeneck, passiert man eine ehemalige Aufbereitungsanlage der Eisenerzgrube Georg-Josef. Der mächtige Backsteinbau wurde 1920 von Buderus errichtet. Bis 1966 wurde an dieser Stelle auf Lesetischen und Lesebändern das ungehaltiges Gestein aussortiert, um das reine Erz per Bahn Richtung Wetzlar zu verbringen. Heute ist im Areal eine Campingplatz und eine Pizzeria untergebracht. Bei Falkenbach trifft man wieder auf den Lahnwanderweg um weiterführend auf einer ruhigen Waldpassage nach rund 19 Kilometern Aumenau zu erreichen.
Aumenau selbst wirkt unspektakulär. Mangels optischer Anreize die Kommune näher zu erkunden, und mangels erkennbarer Infrastruktur (Bäckerläden haben geschlossen, Cafe Fehlanzeige, das Hotel Lahnbrücke darf erst um 11.00 Uhr ( und das nach Vorreservierung zum Brunch), betreten werden, geht es, zunächst der Lahn folgend, vorbei an der Heimanns Mühle. Das Naturschutzgebiet Steimelskopf querend, entlang eines sehr schönen Panoramaweges, der Blicke bis in die Rheinebene, den Westerwald und den Taunus ermöglicht, geht es hinein in das Tiefenbachtal. Etwas übertrieben die Darstellung des Pocketguides “An einem Jagdsitz geht es links zum Bach und über eine neue Brücke”. Ein kleiner Holzsteg, die rechte Geländerseite bereits marode und abgefallen – so die blanke Realität.
Auch wenn man geneigt sein könnte, auf der Höhe des Schanzerhofes die sechs Kilometer lange Schleife Lahnschleife nach Runkel um vier Kilometer abzukürzen, lohnt die Passage allemal. Oberhalb der Villmarer Marmor-Lahnsteinbrüche, deren Steine unter anderem in der Eremitage in St. Petersburg und im Empire-State-Building in New York verbaut wurden erreicht man das sehenswerte Naturschutzgebiet Wehrley bei Runkel. Beeindruckend die Tiefenblicke hinab in das Lahntal.
Östlich erhebt sich die mächtige Burganlage von Runkel, im zwölften Jahrhundert von den Herren von Runkel zur Sicherung der Lahnbrücke errichtet. Gegenüber streckt sich die Trutzburg Burg Schadeck. Runkel selbst ein kleines aber feines Städtchen mit einem sehenswerten historischen Ortskern. Einkehrmöglichkeit an einem Novembersonntag kurz nach 14.00 Uhr: Fehlanzeige. So geht es weiter durch die Runkeler Laach den Ennericher Wald querend, vorbei an Eschhofen-Mühlen Richtung Lahn. Immer wieder eindrucksvoll die mächtige St. Lubentiuskirche die mehr als deutlich markiert, wo Dietkirchen liegt. Bedingt durch den neuen Brückenbau an der A 3 führt ein Bypass auf den nächsten vier Kilometern, entlang eines Radweges an der L 3020, hinab nach Limburg.
In Limburg folgt der Lahnwanderweg der Schokoladenseite der Stadt. Entlang der Lahn wandernd stößt man unweigerlich auf den mächtigen “Limburger Felsen” dort wo der beeindruckende Limburger Dom vor vermutlich mehr als 1.100 Jahren errichtet wurde. Formvollendet wirkt der spätromanische Sakralbau, der als markantes Bauwerk einst den 1.000 DM-Schein verzierte – scheinbar eine willkommene Steilvorlage für einen Limburger Bischof der 31 Millionen Euro für die Errichtung des gegenüberliegenden Bischofshauses versenkte.
Vom Domplatz taucht man ein in die faszinierende und sehenswerte Limburger Kernstadt. Außergewöhnliche und aufwändig und liebevoll restaurierte Fachwerkbauten gruppieren sich westwärts um die mächtige Kathedrale. Alleine in Limburg könnte man locker einen Tag verbringen, um die Stadt näher zu ergründen. In Summe ein außergewöhnlicher und beeindruckender Trail mit 45 Kilometern und sehr moderaten 700 Höhenmetern, der einmal mehr die Vielschichtigkeit des Lahnwanderweges unterstreicht.
Danke für die vielen schönen Bilder!
Bin zufällig auf dieser Seite gelandet. Tolle Bilder, eine anschauliche Wegebeschreibung und nicht zuletzt die Karte mit Wegeeinzeichnung. Het bestimmt Spass gemacht, auch zu abgelegener Reisezeit. Ich bin mal vor sechzig Jahren den rechten Leinpfad hochgelaufen, immer an den Schienen entlang, außer wenn sie mal im Tunnel verschwanden. Viele Erinnerungen habe ich nicht. Den Tunnel unterhalb der Altstadt gehört aber dazu. Und ich meine, wir hätten in Weilburg in einer JH übernachtet.
Vielen Dank Klaus. Der Lahnwanderweg ist wirklich toll, sehr abwechslungsreich und ist wie Flusswanderungen im Allgemeinen zu jeder Jahreszeit gut gangbar.