Wesel – 26. April 2022 – Marketing beschäftigt sich mit der hohen Kunst Bedürfnisse zu wecken, die man vorher gar nicht kannte. “Gehen Sie in guter Gesellschaft oder Ihren eigenen Weg. Atmen Sie die Weite, hören Sie die Stille und erleben Sie Landschaften mit einmaligen Ausblicken. Dichte Wälder, verträumte Moore, malerische Auen- und Seenlandschaften. Wandern Sie im Einklang mit der Natur durch Ihre Erlebnislandschaft und öffnen Sie sich für die besonderen Schauspiele im Naturpark Hohe Mark” Die Botschaft war gesetzt – die Neugierde groß und mit Frühjahrsstart die Zeit reif den just vor einem Jahr aus der Taufe gehobenen Hohe Mark Steig unter die Wandersohle zu nehmen.
Hohe Mark? – Zugegeben, als Südhesse der in der Grundschule mit dem nordhessischen Knüllgebirge schon am Ende seines Lateins war, musste zunächst eine Wissenslücke geschlossen werden. Der Naturpark Hohe Mark, knapp 2.000 Quadratkilometer Fläche, durchzogen mit 3.890 Kilometer Wander- und 350 Kilometer Wasserwanderwege, eingebettet zwischen Münsterland, Niederrhein und Ruhrmetropole war als Wanderregion bislang nicht auf dem persönlichen Radarschirm. Beste Gelegenheit also unbekanntes Terrain zu entdecken.
Beplankt mit 1.000 magentafarbenen Schildern, angereichert mit aufwändigen Karten- und Hinweisschildern und konzeptionell flankiert mit ergänzenden Info- und Kartenmaterial wurde am 15.4.2021 der 138 Kilometer lange Fernwanderweg, der mit der Hauptstrecke von Wesel nach Olfen führt eingeweiht. Angereichert mit einer 18 Kilometer langen Wasserroute und ergänzt durch vier angedockte Rundwanderwege, die unter dem Titel “Landstreifer” firmieren, hat man ein weitreichendes Wanderpaket geschnürt. Nach offizieller Leseart ist der Hohe Mark Steig in sechs Wanderetappen eingeteilt. Für diesen Trail wurde eine für Langstreckenwanderer geeignete Tourenkombination von drei Etappen über insgesamt 135 Kilometer eingeplant.
Trail 1 – Wesel-Schermbeck
Gestartet wird in der Hansastadt Wesel, dort wo offiziell der Hohe Mark Steig am Rheinufer startet, wobei bereits am Weseler Bahnhof in der Stadtmitte eine große Leitkarte nebst Zuwegebeschilderung den rechten Weg weist. Die Reste der einst nördlichsten Rheinbrücke Deutschlands im Auge habend verabschiedet man sich bereits nach einigen hundert Metern vom Rhein um vorbei am Weseler Yachthafen in die erste Naturoase, die am Auesee vorbei führt, einzutauchen. Hinter dem kleinen Weseler Stadtteil Flüren taucht man ein in den ersten Waldabschnitt Richtung Diersfordter Wald. Offiziell verschwenkt der Wanderweg in östlicher Richtung, als neugieriger ortsunkundiger Wanderer ist man aber geneigt auch die am Rande befindlichen Highlights, wie beispielsweise das Schloß Diersfordt mitzunehmen, bevor weiterführend die Fährte wieder aufgenommen wird.
Ein absolutes Highlight des ersten Wandertages ist der Diersfordter Wald. Um den immensen bergbaubedingten Holzbedarf des Ruhrpotts zu decken, wurde der Wald bis in die 50 Jahre durch exzessive Waldbewirtschaftung strapaziert. Durch eine nachfolgende Niederwaldbewirtschaftung hat sich das Gebiet zu einem außergewöhnlichen Lebensraum entwickelt. Mächtige Altbuchen, verknorpelte Stieleichen, partielle Nadelbäume und brachliegendes Totholz gestalten den Abschnitt zu einem Lebensraum der seinen eigene Magie entwickelt. Ein Binnendünen-Moorkomplex, das Große Veen schließt sich unmittelbar an und lässt sich auf einem 2,5 Kilometer langen Naturpfad erschließen. Eine Heidelandschaft, die Stemkens Heide komplettiert die naturelle hier anzutreffende Vielschichtigkeit des Naturgebietes. Waldentdecker können zudem in Ruhe und im Schongang auf dem 15 Kilometer langen Rundweg, dem “Landstreifer Diersfordter Wald” in das landschaftliche Kleinod eintauchen.
Man hat wenig Zeit die Eindrücke des Diesfordter Waldes zu verabeiten, denn noch weiteren zwei Kilometern erreicht man das nächste eindrucksvolle Gebiet, den Heideweiher “Schwarzes Wasser“. Auch hier beeindruckt die Wegführung, wobei es empfehlenswert ist, abweichend von der offiziellen Strecke, das Areal von der nordwestlichen Seite zu erschließen. Nach diesem Abschnitt führt der Wanderweg durch den Weseler Stadtteil Blumenkamp. Hier sollte man die Gelegenheit zu einer Kaffeerast beim örtlichen Bäcker nutzen, es wird die einzige Einkehrsmöglichkeit an diesem Tage sein. Über die offene Agrarglandschaft führt der Steig am Klumps Hof zur Issel, der man auf den nächsten drei Kilometern bis zur Bärenschleuse folgt, dort wo die offizielle “erste” Etappe erreicht wäre.
Hinter der Bärenschleuse quert man die A3. Die Landschaftsbilder wechseln sich ab. Acker- und Wiesenflächen und kurze Waldabschnitte. Offiziell führt der Weg zu einem Künstleranwesen nebst Museum. Da das Haus jedoch bis September 2022 wegen Umbau geschlossen ist, erfolgt eine Abkürzung zur Kolonie Lühlerheim, dort wo eine Evangelische Stiftung eine Einrichtung nebst Cafe betreibt, welches jedoch an diesem Tag geschlossen hat. Weiterführend wandert man durch den Dämmerwald um vor Schermbeck in die Waldgemarkung Lichtenhagen einzuschwenken. Die “zweite” Etappe hinter der Bärenschleuse ist im Vergleich zur ersten Passage eher beschaulicher ohne einen großen Spannungsbogen zu entwickeln, jedoch als stille Wanderung durch eine ländliche Region durchaus entspannend geprägt.
Die erste Tour von Wesel nach Schermbeck – 48 Kilometer mit spektakulären 170 Höhenmetern. Wieso heißt der Hohe Mark Steig eigentlich Steig?
Trail 2 – Schermbeck – Haltern am See
Frühstart in Schermbeck – der Standort der für den gesamten Trail als Übernachtungsort gewählt wurde. Ostwärts geht es in die Üfter- Rüster- und Emmelkemper Mark. Die Region ist bekannt als Hirschgebiet. Die Waldböden des Mischwaldes sind regionaltypisch sandig und daher gut gangbar. Man taucht ein in den Wald und begegnet kilometerweit keiner Menschenseele. Einzig das permanente Grundrauschen der beiden Bundesstraßen und der A 31 erinnert daran, dass man nicht ganz fernab von der Zivilisation ist. Nach einigen Kilometern durch den nicht dicht bewachsenen Wald, der auch im Hochsommer viel Lichteinfall zulässt, erreicht man eine Aussichtskanzel am Rhader Weg. Hier hätte man die besten Chancen den König der Wälder zu sichten – jedoch die Hirschzunft hat sich anderweitig verdrückt. Nach der A31 Querung gelangt man zum Deuter Moor – eine kleine und überschaubare Moorinsel im sandigen Areal.
Vom Deutener Moor führt der Wanderweg zum Waldabschnitt “Der Hagen”. Die offizielle Wegeführung führt großflächig um das Schloß Lembeck herum – empfohlen wird daher den Alternativpfad zu wählen. Von der Johannesallee erreicht man die Rückseite des Schloßparks, die jedoch verriegelt ist, da der Park nur gegen Eintritt zu bestimmten Zeiten besichtigt werden darf. Jedoch lohnt es nach einer zwei Kilometer langen Umrundung das Wasserschloss von der Vorderseite anzusteuern – denn im vorgelagerten Schlosscafe kann man zu einem zweiten Frühstück vortrefflich einkehren. Weiterführend wandert man zum nächsten Kleinod, der vier Kilometer entfernten Biologischen Station am Alten Hof Punsmann, dort wo praktizierter Naturschutz in vielfältiger Weise veranschaulicht wird.
Erstmals ist ein kerniger Anstieg in der Pfannkuchenlandschaft angesagt. Kernige fünfzig Höhenmeter führen aufwärts zum 124 Meter hohen Galgenberg, dort wo ein 39 Meter hoher Feuerwachturm steht. In süddeutschen Gefilden sind derartige Einrichtung unbekannt. Spannend zu wissen wäre wie hier die Einsatz- und Überwachungsregularien sind. Ansonsten lohnt für den Tagesbesucher durchaus ein Aufstieg um endlich einmal Höhenluft atmen zu dürfen. Vom Galgenberg wandere ich abweichend zur Originalstrecke, zum Granatsberg. Optional besteht die Möglichkeit den um die Ecke liegenden Naturwildpark zu besuchen. Hinter dem Waldbeerenberg führt die Passage zur Holtwicker Wacholderheide, einer kleinen aber sehr feinen Heidefläche, bevor das Tagesziel Haltern am See erreicht ist.
Die zweite Tagestour mit übersichtlichen 40 Kilometer und beachtlichen 330 Höhenmetern (abzüglich vierzig Höhenmeter Feuerwachtturmaufstieg) Stellt sich nur erneut die Frage: “Wieso heißt der Hohe Mark Steig eigentlich Steig?”
Trail 3 – Haltern am See -Olfen – Haltern am See
Am dritten Tag ist eine Rundweg der besonderen Art angesagt. Die Hauptroute des Hohen Mark Steigs führt von Haltern am See durch das Waldgebiet Haard nach Oer-Erkenschwick und von dort aus über die Schleuse Datteln nach Olfen. Gesamtlänge dieser Tour: 49 Kilometer. Alternativ kann man von Haltern in die Wasserroute nach Olfen einsteigen und via Schleuse Datteln entlang des Wesel-Datteln- Kanals zurück nach Haltern am See wandern. Gesamtlänge dieser Variante: 47 Kilometer. Für einen waldverwöhnten Odenwälder lockt natürlich die wässrige Variante verbunden mit dem angenehmen Vorteil auf einen Rundweg zu wandern, ohne auf die ausgedünnte Struktur der öffentlichen Verkehrsmittel angewiesen zu sein.
Haltern am See ist geprägt von einer ausladenden Seenlandschaft und einem ausgedehnten Waldgebiet – ergo ein beliebtes Naherholungsgebiet im Vorhof des Ruhrpotts. Gestartet wird am Westuferpark des Halterner Stausees. Augenscheinlich beliebt sind die gewässernahen Pfade, denn frühmorgens ziehen bereits viele Jogger ihre Runden um die Seenlandschaft. Vorbei am Freizeitareal an der Strandallee wandert man zunächst gute drei Kilometer bis zur Mündungsbucht der Stever, dort wo der idyllische Alte Garden – eine bemerkenswerte Einkehrstation in der Seebucht Hohe Niemen – anzutreffen ist. Der Pfad entlang der Stever naturbelassen und sensationell schön. Wanderfeeling vom Feinsten ist hier angesagt. Man folgt der Stever, die durch den idyllischen Ortsteil Overrath führt und die den Halterer See mit dem Huller See verbindet.
Hinter Olfen ist Kanalwanderung pur angesagt. Zunächst führt der Hohe Mark Steig zum fünf Kilometer entfernten Kanalkreuz der Schleuse Datteln, welches mit vier Kanälen der größte Wasser-Kanalknotenpunkt der Welt ist. Am Kreuzungspunkt folgt man für die nächsten dreizehn Kilometern ausschließlich dem Wesel-Datteln-Kanal. Sicherlich jeden Tag muss man einen Kanalweg auch nicht abwandern, aber als Zuckerstückchen zwischendurch ist er durchaus eine Bereicherung. Glücklicherweise ist der Uferweg nicht asphaltiert und daher gut gangbar, wobei zu 99,8 Prozent die Strecke von Bikern genutzt wird.
Gegenüber von Flaesheim ist entlang der Wanderstrecke eine Kurbelfähre über die Lippe von April bis Oktober in Betrieb – im Regelfall. Offensichtlich ist die mit Muskelkraft zu betreibende Fähre auf große Fahrt auf einem der Kanäle unterwegs – so kann leider nicht der gegenüberliegende Waldpfad zur Westruper Heide genutzt werden, sondern es muss der landstraßenbegleitende Radweg entlang des Flaesheimer Damms begangen werden. Jedoch das Sahnehäubchen des Tages, die Westruper Heide entschädigt allemal. Auf dem 89 Hektar großen Gebiet kann man sich einen Vorgeschmack auf die Lüneburger Heide einholen. Raus aus der Heide rein in das Wasser das kann man hier getrost im Sommer praktizieren, denn unmittelbar hinter der Heide steht man vor den Toren des Seebades Haltern.
Der Hohe Mark Steig im Wandercheck. Drei gehaltvolle Touren über insgesamt 135 Kilometer – abwechslungsreich und spannend. “Gehen Sie in guter Gesellschaft oder Ihren eigenen Weg. Atmen Sie die Weite, hören Sie die Stille und erleben Sie Landschaften mit einmaligen Ausblicken. Dichte Wälder, verträumte Moore, malerische Auen- und Seenlandschaften. Wandern Sie im Einklang mit der Natur durch Ihre Erlebnislandschaft und öffnen Sie sich für die besonderen Schauspiele im Naturpark Hohe Mark” – so das aufgerufene Wanderversprechen. Wort gehalten kann man nur sagen. Der Wanderweg überzeugt, die Region begeistert, die Wanderinfrastruktur ist vorbildlich und aufwändig gestaltet. Das bestehende Manko, die lückenhafte Anbindung der jeweiligen Streckenendpunkte an das öffentliche Verkehrsnetz hat man bereits erkannt. Wie der neuesten Ausgabe der “Naturpark Hohe Mark Zeitung” zu entnehmen ist, hat man die Hauptstrecke in 24 überschneidungsfreie Rundtouren aufgedröselt. Die Streckenvalidierung befindet sich aktuell im Abschluss. So kann man durchaus den Naturpark Hohe Mark als sehr zu empfehlende wunderbar wanderbare Region klassifizieren. Bleibt einzig noch eine Frage offen: “Wieso heißt der Hohe Mark Steig eigentlich Steig?” “Ein Steig ist bei uns ein Weg” schildert mir unverblümt eine betagte Weselerin, die es sich auf einer Bank am Schwarzen See bequem gemacht hat. “Ein Steig ist ein Steig weil man steigt – auf- oder abwärts – ob am Rheinsteig, am Westerwaldsteig oder am Nibelungensteig” So zumindest mein Gedankengang zu diesem Thema. Da man den Hohe Mark Steig locker ohne Sauerstoffmaske bewältigen kann erscheint eine Glorifizierung zum Steig mehr als fraglich. Befragt man jedoch den Stein des Weisens namens Wikipedia so erfährt man: Ein Steig (niederdeutsch: Stieg) bezeichnet ursprünglich einen engen Weg über Anhöhen und Berge, der nicht von Fahrzeugen befahren werden kann. Heute wird Steig auch als Synonym für alle Arten von Fußwegen, wie z. B. in Bürgersteig, benutzt. So übe ich (mea culpa) Nachsicht mit der Namenswahl und beglückwünsche die Marketingstrategen zur Auswahl der wohlklingendenBezeichung Hohe Mark Steig ausdrücklich.
Übrigens sind es oftmals die Begegnung, die solche Touren bereichern. So auch das Zusammentreffen mit dem besten Wanderkellner auf dem Hohen Mark Steig, der vor wenigen Tagen vom portugiesischen Camino zurückkehrte, und vor zwanzig Jahren bereits auf den Drei Zinnen in den Dolomiten stand, und heute noch mit flinker Hand die Gäste im Hotel Zur Linde in Schermbeck umsichtig bewirtet.
Vielen Dank für diese überaus gelungene Darstellung unseres Herzensprojekts Hohe Mark Steig! Da hat uns endlich mal jemand „beim Wort genommen“, ist seinen Weg gegangen, hat die Weite geatmet und die Stille gehört….
Dein Beitrag ist eine super Motivation, um deinem Beispiel zu folgen und sich auf den Weg machen, um unseren Naturpark Hohe Mark zu erkunden, nochmal Danke J !
Sonnige Grüße aus dem Naturparkhaus Tiergarten in Raesfeld
Marianne
Marianne Teltrop