Palma, den 27. November 2019 –
„Das macht keinen Sinn! Das macht gar keinen Sinn!“ so die Entgegnung der Hotelrezeptionistin auf meine Frage für eine griffige spanische Übersetzung für „Ein Wandermarathon durch Palma“ als Titel dieses Blogs. „Marathon und Wandern schließen sich aus. Marathon ist Marathon und Wandern ist Wandern!“ Vergebens die Überzeugungsversuche, dass in den nördlichen Gefilden Europas Wandermarathons und Strecken darüber hinaus sich nicht wirklich ausschließen – aus Sicht der Rezeptionisten gibt es in der spanischen Sprache keine angemessene Bezeichnung hierfür.
In Wanderkreisen hat Mallorca dank der vorhandenen Infrastruktur einen guten Ruf. Traumstrecken wie der GR 221, der durch das Tramuntagebirge führt, gehören zu den beliebten Zielen internationaler Wanderfreunde. Der bundesdeutschen Novembergtristesse entfliehend bietet es sich aber auch im stadtnahen Bereich an, unter besten Konditionen über der 20-Grad-Marke, eine ausgedehnte Wanderexkursion einzuplanen.
Gestartet wird im Epizentrum des Ballermanntourismus an der Playa de Palma, mehr als eine Stunde vor Sonnenaufgang. Um diese Jahreszeit herrscht Ruhe an der Partyfront. Die meisten Shops, Schankstuben und Hotels haben geschlossen. Lediglich die Top-Hotels haben geöffnet und sind ausgebucht, überwiegend frequentiert von Gästen die hier überwintern oder einen zwei- bis dreitägigen Break vom grauen Alltag zu Hause nutzen. Zu dieser Jahreszeit ist der Strand aus- und aufgeräumt. Die Strandbuden, die 15 Balnearios , sind abgesperrt – nichts erinnert an die legendäre Partymeile. In 2019 wurden zwischen El Arenal und El Molinar 900 LED-Leuchten installiert, so dass sich man als Novemberwanderer ohne Probleme zu früher Morgenstunde auf die Piste gehen kann. So geht es bestens ausgeleuchtet dem langen Strandboulevard folgend Richtung Palma. Laue 14 Grad um 6.30 Uhr, ein sedierendes Meeresrauschen in der Ohrmuschel, die Schatten der Palmenblätter die langgezogene Muster auf den Gehwegsbelag zeichnen sowie das beleuchtete Hafengebiet von Palma de Mallorca in weiterer Ferne vor Augen habend. Ein Wanderfeeling der besonderer Art.
Von Balneario 9 bis Balneario 15 sind knapp zwei Kilometer zu absolvieren. Vorbei führt die Passage am Platja de Can Pastilla und den gegenüberliegenden Kleinsthafen. Die mächtigen Hotelburgen hinter sich lassend erreicht man Can Pastillo, ein in den zwanziger Jahren errichteten Vorort von Palma, unmittelbar vor dem Flughafen gelegen. Festlandsspanier verbringen hier gerne ihren Urlaub, weil es eben noch ein Stückchen authentischer und preisgünstiger ist.
Dem Küstenverlauf folgend schließt sich das Naturrefugium Es Carnatge ein. Es ist kaum zu glauben was sich hier zwischen Flughafen, Ballermann und der Großstadt Palma entwickelt hat. Bestens ausgebaute Rad- und Fußwege, ein urwüchsiger felddurchsetzter Küstenabschnitt, hohe Brandungswellen. Tagsüber tummeln sich hier Jogger, Radfahrer, Hundebesitzer, E-Rollerfahrer und Fußgänger. Der Name „Es Carnatge“ (Aasseite) bezieht sich übrigens auf eine Ende des 19. Jahrhunderts hier ausgeübte Tätigkei. Tierkadaver wurden ausgeweidet, um die Haut für verschiedene Zwecke und die Knochen für die Herstellung von Seife zu nutzen.
Es schließt sich der in den letzten Jahren deutlich aufgewertete Ortsteil Coll d,en Rabassa an. Großzügig der hier angelegte Strandboulevard. Vorbei am Club Nautic de Cala Gamba erreicht man La Ciutat Jardi. Der dort angesiedelte Strandabschnitt ist insbesondere bei den Einheimischen sehr beliebt. In der verlängerten Sichtachse des Boardwalks baut sich zudem in beeindruckender Weise die mächtige Kathedrale von Palma im Hintergrund auf.
Nach insgesamt elf Kilometern ab Start ist das Wahrzeichen der Stadt Palma, La Seu, die mächtige Kathedrale der Hauptstadt erreicht. Das imposante Sandsteingebäude, dessen Grundstein bereits 1230 gelegt wurde, entfaltet insbesondere im Lichte der gegenüberliegend aufgehenden Morgensonne eine besondere magische Wirkung. Einziges Manko des Frühstarts – vor 10.00 Uhr bleiben die Pforten der sehr sehenswerten Kirche verschlossen.
Zu früher Stunde geht es noch geruhsam in der Inselhauptstadt zu. Hinter der Kathedrale gelangt zum Jardin del Bisbe, den ehemalige Garten des Bischofs, ein Ort der Stille in der ansonsten durchaus hektischen Großstadt. Einige Straßenzüge weiter könnte man wenn man zu gesitteten Zeiten unterwegs ist, die Reste der maurischen Inselkultur, die Banys arabs, die arabischen Bäder, besichtigen.
Den östlichen Teil der Innenstadt querend geht es weiter zu der Mercat de l,Olivar – der zentralen Markthalle in Palma, seit 1951 eine Institution in der Stadt. Pflichtbesuchsstation für Touristen und erste Anlaufstation für Palmas Einwohner, die sich hier mit bester und frischer Ware versorgen.
Von der Markthalle ist rasch der Placa d,Espanya erreicht, der zentrale Verkehrsknotenplatz von Palma. Von hier aus rumpelt seit 1912 mehrmals täglich die historische Bahn von Palma nach Soller und zurück. Weiter geht es in nördlicher Richtung, der Fußgängerzone Carrer de Blancquerna Richtung Placa Paris folgend. Hier verirrt sich im Regelfall kein Tourist mehr.
Bei Kilometer 15 dieser Tour ist der Cementeri del Son Tril-lo, der Friedhof der Inselhauptstadt erreicht, ein Ziel außerhalb des Radarschirms einschlägiger Reiseführer. Der Friedhof selbst ist ein wunderschöner Skulpturenpark. Besonders beeindrucken die mächtigen Mauseleen traditionsreicher Familien als Zeugnis einer bedeutenden kulturellen Strömung auf dieser wundervollen Insel.
Von den Toten zu den Lebenden. Vis a vis des Friedhofs geht es durch den Parc de Sa Riera. Hier tummeln sich am frühen Morgen jungen Menschen der nahegelegenen Universität um ihren sportlichen Aktivitäten nachzugehen. Von hier es geht wiederum hinein in die Innenstadt.
Mittlerweile herrscht hier Jubel und Trubel. Kein Wunder – die Black-Friday-Week führt in Palma seit einigen Jahren zum Ausnahmezustand. Die Schaufenster vollgepflastert mit Rabattzahlen. 30% – 40% 50% – die Welt ist eine einzige Rabattschlacht. So geht es über den Plaza Mayor durch die Paseo del Borne dort wo sich Rolex, Vuitton und Co aneinanderreihen hinüber zum Sa Llotja, ein Meisterwerk der gotischen Architektur Palmas. Hier war im 15. Jahrhundert die Seehandelsbörse untergebracht.
Allemal lohnenswert ist von hier aus der Gang hinauf zum Museum Es Baluard. Von den dortigen Terassen hat man einen wunderschön Ausblick auf das Hafenareal und der gegenüberliegenden Altstadt nebst Kathedrale. Durch den sich anschließenden Stadtpark wandernd führt die Passage hinüber zum Viertel Es Jonquet. Hier findet man noch Palma „unplugged“ vor. Historische weißgetünchte einfache Häuser, alte Mühlen, ein Mühlenmuseum, kleine Bars und stilgerechte Restaurants prägen das Umfeld. Fernab von Pradaschuhen, Rolextempeln und sonstigen unnützen Kulturgütern ist es schlichtweg eine Erholung in diese Welt einzutauchen.
Von dort aus wird das nächste Ziel, das Poble Espanyol angesteuert. Bei dem spanischen Dorf handelt es sich um ein Projekt des Architekten Goitia, der hier ein Architekturmuseum mit originalgetreuen Nachbauten, im Maßstab 1:2, bedeutender Gebäude aus verschiedenen Regionen in Spanien realisiert hat. Diese Nachbauten sind Paläste, Kirchen, Festungen oder Häuser, die nicht nur aus verschiedenen Regionen, sondern auch aus verschiedenen Zeitepochen stammen. Trotz proklamierter Öffnungszeiten – das Areal ist an diesem Tag leider geschlossen.
So geht es unverrichteter Dinge weiter zum nächsten Topziel dieser Tour – dem Castell de Bellver. Der Hektik der Stadtbetriebes entfleucht man durch den Gang hinauf zum Kastell. 365 Treppenstufen sind zu bewältigen, bis man den vielleicht schönsten Aussichtspunkt von Palma erreicht hat. Das Bollwerk wurde 1309 fertiggestellt. Die kostenpflichtige Besichtigung der Burganlage ist nicht zwingend nötig. Vielmehr lohnt es sich die Blicke unterhalb der Burg über die zu Füße liegenden Stadt Palma schweifen zu lassen.
Zurück geht es über eine Passage die zunächst hinab in den Stadtteil El Terreno führt. Von dort aus wird das Hafengelände umrundet um im Anschluß die bewährte Fährte zur Playa de Palma wiederum aufzunehmen. Was noch zur Abrundung des Stadtrundganges fehlt sind die Meilensteine der Partyzone. In den 60er Jahren fanden findige Mallorquiner rasch heraus, was deutschen Touristen besonders gefällt: deutsches Bier und deutsches Essen. So entwickelte sich eine Deutsche Enklave mit all ihren Schattenseiten. Inoffiziell wurde die Bier- und Schinkenstraße aus der Taufe gehoben, und am Balneario 6 wurde immer mehr und lauter gefeiert. Sangria aus Eimern, brandbeschleunigend mit Riesenstrohhalmen aufgesogen, so dass deutschen Kampftrinker kaum noch in der Lage waren das Wort “Balneario” flüssig zu artikulieren. So wurde aus Balneario aus Vereinfachungsgründen der Ballermann. Aktuell sind die Strandbuden aufgepeppt worden um zumindest optisch das Niveau anzuheben. Neben „Megapark“und klangvollen Einrichtung wie „Oberbayern“ sticht in diesem Areal insbesondere die Kulttränke Bierkönig hervor, die seit 1988 als deutscher Kulturexport die Playa de Palma bereichert und 365 Tage geöffnet hat.
Was bleibt sind 48 spannende und erlebnisreiche Kilometer im Umfeld der Inselhauptstadt. Auch bleibt Mallorca weiterhin auf dem Radarschirm dieses Blogs. So hat just am 25. November 2019 der Inselrat bekanntgegeben eine neue Wanderroute entlang der Leuchttürme im Süden der Insel einzuplanen. Die „Ruta dels Fars“ wird zwischen Cap Salines und Andratx verlaufen um sich dann ab Andratx mit der „Ruta de Pedre en Sec“ die sich durch das Tramuntanagebirge zieht, zu vereinigen. So wird man in zwei bis drei Jahren komplett die Insel zu Fuß umrunden können. Wiedervorlagedatum: Frühjahr 2023! Bleibt noch ein Nachtrag für die Rezeptionisten: Ein Wandermarathon macht durchaus Sinn und funktioniert auch in Spanien! „Una caminata de maraton por Palma“. Und daß auch deutsche Veranstalter den Wanderhype auf die Insel verlagern, verdeutlicht der Aspekt, daß die Megamarschcompany erstmals in 2020 einen 50 Kilometer-Marsch auf der Insel anbieten wird. Reif für die Insel? Reif für die Insel!
Ein toller Bericht mit erstklassigen Fotos. Du hast es mit diesem Wander-Bericht wieder einmal geschafft, mich zu begeistern. Der Kurz-Urlaub auf Mallorca mit Teilnahme am Megamarsch für 2020 ist gebucht. Ich bin reif für die Insel!
Megastark Julia! Euch ein erlebnisreiches Wanderjahr 2020 – es gibt noch viel zu entdecken. Allerbeste Grüße -Martin-