Süderjütland/Flensburg im September 2019 –
Ein Wandertrail der Superlative. 175 geballte Kilometer, ausgestattet mit einer deutsch-dänischen Natur- und Kulturvielfalt, belegt mit geschichtlichen Tiefgang, eingemantelt in die wunderbare Ostseeregion der Flensburger Förde und geadelt mit einem bemerkenswerten Prädikat. Der dänische Teil des Trails, der Gendarmenpfad, ist als „Leading Quality Trail – Best of Europa“ zertifiziert und zählt zu Europas besten Wanderwegen. Seit 2015 ergänzt zudem der Flensburger Fördesteig auf der deutschen Seite den gegenüberliegenden Pendant. So liegt es auf der Hand sich mit dem Gesamtpaket eingehend zu beschäftigen.
Gestartet wird mit der dänischen Passage, dem Gendarmstien, wie man offiziell im Nachbarland sagt. Just vor 99 Jahren entschieden sich die Anwohner des Grenzgebietes nach einem Volksentscheid für den heutigen Grenzverlauf. Nordschleswig wurde dänisch, Südschleswig wurde deutsches Gebiet. So hat man zudem bis heute hüben eine dänische und drüben eine deutsche Minderheit und lebt in partnerschaftlicher Koexistenz in einem wunderbaren Lebensraum. Nach dem Grenzentscheid sicherte die dänische Grenzgendarmerie die Grenze. Mit Wegfall der Grenzkontrolle nutzten die dänischen Nachbarn die historische Bedeutung des Gebietes und entwickelten den Grenzpfad als gangbaren Wanderweg. Als Wanderzeichen wird dabei ein blauer Gendarm abgebildet, der an die Originaluniform der einstigen Grenzgendarmerie erinnert.
Begonnen wird am offiziellen Startpunkt des Qualitätswanderweges im dänischen Grenzort Padborg mit Tagesziel Egernsund. Der erste Teilabschnitt führt zunächst in einem munteren auf und ab durch ein Tunneltal Richtung Krusau. Auf diesem Abschnitt kreuzt man den historischen Ochsenweg, der im Mittelalter von Trondheim bis nach Rom führte. Nach knapp sechs Kilometern hat man „Den krummen Vej“ – den „krummen Weg“ erreicht. Hier, am alten Grenzübergang bei Rönsdam, ist ein Erdtelefon installiert. So verständigte man sich im analogen Zeitalter fernab von Smartphones via Trichter und Metallrohr.
Von Krusau folgt man dem gleichnamigen Fluß Richtung Förde um Richtung Kollund in einen hügeligen Küstenwald einzuschwenken. Tiefe Schluchten und steile Abhänge als Ergebnis der letzten Eiszeiterosion. Immer wieder blitzt zwischen den Bäumen die Ostsee durch. Wanderspaß auf Höchstniveau. Richtung Kollund schwenkt der Gendarmenpfad in einen küstennahen Verlauf ein. Tendenziell hat man, wenn man sich umdreht, Flensburg an der Fördespitze als Orientierungsposten im Blick. Die Ostsee selbst, wetterlagenbedingt im Ruhezustand. Würde man sich Berge hinzudenken, dann könnte man meinen am Bodenseeufer entlang zu wandern.
Weiter führt die Passage nach Sonderhav. Just gegenüber liegt auf der deutschen Seite Schloß Glücksburg, welches auch für das dänische Königshaus ein bedeutungsvolles Anwesen war und bleiben wird. Zwischendrin liegen die beiden Ochseninseln, die einer Sage zufolge aus abfallenden Lehmklumpen vom Schuh eines Riesen entstanden sein sollen, als dieser versuchte die Flensburger Förde zu überspringen. Gegenüber den Inseln kann man im Kultimbiss „Annies Kiosk“ einkehren, ein beliebter Durchgangstreff für Biker, Radler und Grenzwanderer.
Immer der Küste folgend geht es nach Sandager. Steinesammler sei empfohlen einen großen Rucksack mitzunehmen. Hier findet man unter anderem Lochsteine, die man gerne auf einer Schur aufreiht und aufhängt um mit magischen Kräften Haus, Hof und Mensch zu schützen. Nach weiteren sechs Kilometern ist das Tagesziel Egernsund erreicht. Abenteuerlich gestaltet sich Rückfahrt per Bus. In dieser Region verkehrt der dänische Busbetreiber Sydtrafik zwar bis Flensburg, jedoch benötigt es schon einer sorgsamen Vorbereitung um an den Zielort zu gelangen. Grundsätzlich sind die Haltestellen namentlich nicht bezeichnet und verfügen i.d.R. über keinen Aushang. Haltestellenanzeigen im Bus selbst, oder automatisierte Ansagen: Fehlanzeige, Nicht alle Linien fahren bis in die späten Nachmittagsstunden und an Wochenenden ist der Fahrplan ausgedünnt. So ist es anzuraten die Streckenplanung auf die Busfrequenz abzustellen. Dank der sehr freundlichen Busfahrer ist es auch nicht schwierig die passende Bushaltestelle wieder zu finden.
Bushaltestellengerecht starte ich am zweiten Tag in Egernsund um traditionell dem alten Gendarmenpfad, der entlang der Küste verläuft, zu folgen. Vorbei an Rendbjerg geht es Richtung Brunsnäs. Hier befindet man sich im Zentrum der ehemaligen Ziegelsteinindustrie. Dank den lehmreichen Böden etablierte sich bereits Mitte des 18. Jahrhunderts ein mächtiger Industriezweig mit bis zu siebzig Ziegeleien in der Spitze. Vorteilhaft auch die Lage an der Ostse. Man war in der Lage die Ziegelsteine in alle Herren Länder, bis in die Karibik, zu exportieren. Begleitend zum Gendarmenpfad wurde ein Ziegelweg mit sehr umfangreichen Informationstafeln angelegt. Zudem bietet das hier eingerichtete Ziegeleimuseum Cathrinesminde die Möglichkeit sich aus erster Hand über die Produktionsabläufe der Ziegelsteinindustrie zu informieren.
Broaser, die Stadt mit den mächtigen Doppeltürmen der dortigen Kirche wird nur am Rande gestreift. Abwechslungsreich gestaltet sich die weitere Wegeführung. Bis nach Brunsnäs ist Küstenwanderung angesagt, anschließend verzieht sich die Streckenführung partiell in das Landesinnere um via Kragesand wiederum auf die Küste zu treffen.
Hinter Kragesand wird es spannend. Die Großstadt Sonderborg auf der gegenüberliegenden Seite schon im Auge haben verschwenkt zunächst eine Bucht in westlicher Richtung. Über spektakuläre Steilufer führt die Passage bei Stensigmose, für ein Ostseeufer in ungewohnte Höhen ein. Aus taktischen Gründen wurde als Tagesziel der kleine Ferienort Vemmingbund gewählt. Von hier aus erreicht man nämlich innerhalb von zehn Minuten die Verbindungsstraße die Sonderborg mit dem Rest der Welt verbindet, einschließlich Bushaltestelle. Nach 40 Minuten und einmaligen Umsteigen ist der Ausgangsort in Egernsund wieder erreicht.
Die letzte Passage des Gendarmenstegs führt zunächst von Vemmingbund nach Sondernborg vorbei am geschichsträchtigsten Ort auf der Passage der Anhöhe Dybböl Bänke, dort wo es 1864 zu einer furchtbaren Schlacht zwischen Döänen und Preußen kam, die katastrophal für das dänische Volk endete.
Nach weiteren drei Kilometern ist Sonderborg erreicht, eine Stadt mit rund 28.ooo Einwohnern. Sehenswert ist der Stadthafen und historisch bedeutsam das hier befindliche Schloß Sonderburg. Mal dänisch, mal deutsch, analog der regionalen Entwicklung wechselvoll die Geschichte des Schlosses. Heute ist im Schloß ein Museum untergebracht und man kann sich hier aus erster Hand über die bewegte Geschichte des Landstrichs informieren.
Vorbei am Sonderborger Hafen geht essentiale der Küste entlang eines Boulevards in das Naturgebiet Trillen. Trillen ist ein herrliches naturbelassenes Areal, bepflanzt mit alten Schwarzkiefern ein Highlight auf der Strecke.
Vor einigen Jahren endete der Gendarmenpfad im Weiler Horuphav. Im Rahmen einer Erweiterung hat man den Pfad bis nach Skovby um zehn Kilometer erweitert. So hat man auf dem letzten Streckenabschnitt Gelegenheit die 1756 errichtete Wassermühle von Vibaek Vandmolle zu besichtigen. Busverbindungsgerecht kann man auf die letzten vier Kilometer nach Skovby getrost verzichten um an der Verkehrsstraße bei Viböge Toft nach zeitlicher Vordisposition die Rückfahrt mit Umstieg in Sonderborg anzugehen. Achtsamkeit ist an Wochenenden angesagt, denn dann verkehren die Busse teilweise im zwei- bis dreistündigen Turnus.
Szenenwechsel. Nach der beeindruckenden dänische Seite der Flensburger Förde steht der nördliche Pendant an. Offizieller gestartet wird in Wassersleben unweit der dänischen Grenze. Selbstverständlich gehört es sich, nach dem das Auto unweit einer taktisch gut gelegenen Bushaltestelle abgestellt wurde, zum idyllisch gelegenen deutsch-dänischen Grenzübergang Schusterkate zurückzugehen. Hier mündet die Krusau in die Ostsee und hier war der Grenzübergang bis zum dänischen Beitritts Dänemarks zum Schengener Abkommen die Grenze nur saisonal geöffnet.
Entlang der Förde geht es zunächst der Küste entlang, vorbei an der Flensburger Werft durch das üblich dröge Industrieggebiet zum Flensburger Hafen. Zu gesitteten Zeiten ist hier auf Fälle ein Besuch des historischen Museumshafen anzuraten. Rund um die Hafenspitze geht es auf der andereren Seite hinauf zum Volkspark. Hier wird erst- und einmalig der “Fördesteig” seinen Namen gerecht – ansonsten ist ein Marsch auf der flachen Ebene angesagt. 1925 wurde der Volkspark angelegt, jedoch oberflächlich betrachtet macht der Park einen ungepflegten Eindruck.
Auffällig ist, dass grundlegend die Beschilderung des Fördesteigs zu wünschen übrig läßt und teilweise gänzlich fehlt. Hier sollte man sich von den dänischen Nachbarn eine Scheibe abschneiden, denn auf dem Gendarmensteig ist die Wegekennzeichung exzellent – verlaufen ist schier unmöglich. Vorbei am modern gestalteten Areal der Sonwik-Marina umrundet man Richtung Fahrensodde das weitläufige Gebiet der Marineschule Mürwik. Schade daß man keine Gelegenheit hat, das imposante Marinegebäude zu besichtigen.
Zwischen Fahrensodde und Glücksburg eröffnet sich ein wunderbar wanderbarer Küstenweg entlang der ruhigen Ostsee. Gegenüber von Kollund und den Ochseninseln kann man teilweise kilometerweit entlang der Strände flanieren. Augenfällig ist, daß trotz sommerlicher Wetteranlage Anfang September der Badebetrieb fast eingestellt ist. Auch darf man sich keine Chance auf eine strandnahe Kaffeerast ausrechnen, zumindest nicht vor 14 Uhr, wie es den Anschein hat.
So geht es dem Küstenverlauf folgend zum Leuchtturm Holnis, der Eingangspforte zum gleichnamigen Naturschutzgebiet. Abkürzungsgfetichisten könnten vor Schausende einen Bypass Richtung Bockholm wählen, jedoch ist der Spaziergang rund um das Naturschutzgebiet hochgradig zu empfehlen. Wie auf der gegenüberliegenden dänischen Seite gab es auch hier einige Ziegeleibetriebe.
Einmalig ist der Blick vom 23 Meter hohen Holnis Kliff, vielleicht der beste Aussichtspunkt über die gesamte Flensburger Förde. Abweichend vom regulären Fördesteigweg empfiehlt es sich den verlängerten Bypass entlang des äußersten Strandes zu wandern, um am ehemaligen Fährhaus, wo bis 1875 eine Fährlinie nach Brunsnäs unterhalten wurde wieder auf den Fördesteig zu stoßen.
Auf ruhigen Küstenwegen geht es nach Bockkolm. Da infrastrukturell der Fördesteig nicht mit passablen Busverbindungen erschlossen werden kann ist eine bedarfsbezogene Streckenplanungen mit Einbeziehungen entsprechender Zu- und Abwege einzuplanen, da die Hauptbuslinie auf der im Süden gelegenen Nordstraße, der B199 zwischen Kappeln und Flensburg verkehrt. Demgemäß bietet es sich an die 41 Kilometer lange Tagestour via Bockholmwik, von dort aus durch ein Waldstück Richtung Langballig/Unewatt abzuschließen.
Unewatt ist strategisch exzellent gelegen, da am dortig gelegenen Landschaftsmuseum sich ein idealer Einstieg mit einer lohnenswerten Zusatztour anbietet. So startet die zweite Fördesteigpassage im sehenswerten Dörfchen. Real betrachtet ist dabei das ganze Dorf ein Museum. Empfehelswert ist hier ein Gang durch das bewaldete Langballigautal – ein Genuß zu früher Morgenstunde. Hinter Westerholz wird die Fahrte zum Fördesteig wieder aufgenommen.
Auffallend sind die vielen Dorfnamen, die hier auf -holz enden. Ein Beleg für die relativ dichte Bewaldung an der hiesigen Ostseeküste. Via Dollerupholz zieht der Fördesteig über Kalleby Richtung Philipstal. Zweifelsohne ist dieser Abschnitt der unattraktivste der gesamten Fördesteigstrecke, jedoch scheinbaar mehr oder minder alternativlos, es sei denn man hatte bei der Streckenplanung bewußt die sich anschließende Passage durch das Habernisser Moor als Belohnung für diesen tristen Abschnitt ausgewählt.
Die Habernisser Au, das größte zusammenhängende, naaturnah erhaltene Auegebiet an der Flensburger Förde. Gut gangbare Bohlenwege führen durch die sumpfige Landschaft. Allemal – hier macht Wandern richtig Spaß. So schließt sich eine tolle Strandwanderung an. Dank normalen Wasserstand kann man bis nach Steinberghaff den Strandweg entlang wandern, auch wenn ab und an das ein oder andere Geäst als natürliches Hindernis im Wege steht.
Durch einen kurzen bewaldeten Abschnitt führt die Passage zur Gelting Mole. Bis 199 war hier reger Fährbetrieb in Sachen Butterfahrten zu verzeichnen. Die EU zog die Reißleine, der Fährverkehr zwischen Deutschland und Dänemark wurde eingestellt. Entlang der Geltinger Bucht kann man das nächste Ziel, die imposante Mühle Charlotte bereits anavisieren.
Ursprünglich war eingeplant hier die Tagestour zu beenden, einen Bypass zur nächsten Busstation nach Gelting zu nehmen und von hier aus am Folgetag den restlichen Abschnitt bis nach Kappeln an der Schlei zu wandern. Nach intensivem Studium der Wegestruktur hat sich jedoch eine interessante Alternative angeboten.
Fortgesetzt wird die Passage mit einer kompletten Umrundung der Geltinger Birk, einem außergewöhnlichen Naturschutzgebiet. Vorbei an der holländischen Mühle aus dem Jahre 1824 lohnt es sich regelrecht einzutauchen in das älteste Naturschutzgebiet in dieser Region. Verlandete Schilfsümpfe, Salzwiesen, Tümpel, Strandwälle und Wälder als Lebensraum für Tiere und Pflanzen. Vogelfreunde beobachten hier mehr als 170 verschiedene Vogelarten. Inmittten des Gebietes ist eine große NABU-Schutzhüttte eingerichtet, die auch regelmäßig besetzt ist. So geht es einmal die Halbinsel umrundend nach Falshöft und via Nieby die Halbinsel querend zum Herrenhaus Grahlenstein nordwärts nach Gelting.
Zweifelsohne war die Geltinger Birk-Umrundung ein würdiger Abschluß der Felnsburger Fördesteigtour. Der Rest Richtung Kappeln: geschenkt. Geologisch gesehen läuft die Förde am Geltinger Birk aus. Auch wenn der Steig offiziell bis nach kappeln geht, wechselt die Bezeichnung bei Falshöft in Ostseesteig. Hinter Massholm verzieht sich die Strecke in das Landesinnere um anschließend parrallel zur B199 zu verschwenken, was die Atrraktivität der Streckenführung nicht wirklich erhöht.
Rückblickend bleiben sehr spannende 175 Kilometer rund um die Flensburger Förde in bleibender Erinnerung. Der Gendarmenpfad ein außergewöhnlicher dänischer Part und ein abrundender Fördesteig von Flensburg bis zur Geltinger Birk, gangbar zu jeder Jahreszeit. So muß man als bekennender Mittelgebirgswanderer dem Norden Deutschlands und dem Süden Dänemarks Respekt zollen für diese außergewöhnliche Infrastruktur. Wanderparadies Schleswig Holstein und Süderjütland? Aber sicher!
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