Schlüchtern, 8. März 2015
16 Grad, Sonne pur – allerbeste Voraussetzungen für Teil II des Jakobsweges von der Fulda zum Main. Gestartet wird in Schlüchtern mit Zielrichtung in das 40 Kilometer entfernte Gelnhausen. Flankiert von den Ausläufern des Vogelsberges auf der linken und dem Spessart auf der rechten Seite führt die Strecke ohne nennenswerte Steigungen durch das Kinzigtal. Durch die Kinzigauen geht es zunächst nach Niederzell und von dort aus nach Steinau an der Straße, eine in mehrfacher Hinsicht interessante Stadt. Der Namenszusatz “An der Straße” erinnert an die Via Regia, die Handelsstraße die von Frankfurt nach Leipzig führte. Weiterhin ist die Kommune auch als Gebrüder-Grimm-Stadt bekannt, da hier die Märchensammler einen Teil ihrer Jugend verbracht hatten.
Heute noch beeindruckt die historische Altstadt, die von deren Stadtbild vom markanten Steinauer Schloß geprägt wird. Die fünfeckige Kernburg, seinerseits von den Grafen zu Hanau errichtet, ist tadellos in Schuß. Der 35 Meter hohe Bergfried, der heute noch bestiegen werden kann (allerdings nicht zu frühmorgendlichen Zeiten) diente der Überwachung der Handelsstraße im Kinzigtal.Neben der Katharinenkirche und dem markanten Rathaus sind in der Altstadt eine Vielzahl historischer Bauten zu besichtigen, die sich harmonisch um das Schloßareal schmiegen. Wanderfrühstückstechnisch ist die Stadt am frühen Sonntagmorgen jedoch desaströs. Cafes – geschlossen, Bäckereien – geschlossen – Spuren menschlichen Lebens – nicht erkennbar. Die Rettung naht jedoch am Ortsausgang. An der dort ansässigen bft-Tankstelle sind wir scheinbar im Nuklus des Steinauer Geschäftslebens angekommen. Ein Rentnertrupp hat sich zu einem Frühstückstreff eingefunden, permament schwingt die Eingangstüre durch die mit Backwaren beladene Kunden marschieren – und einige hundert Meter hinter uns verödet die herrliche Altstadt.
Frisch gestärkt geht es weiter zum Ahler Stausee. Immerhin 125 ha und 7 Millionen Kubikmeter Wasser kann der Kinzig-Stausee aufnehmen. Jogger und Radfahrer frequentieren gerne den 6,5 Kilometer langen Rundweg, während die fischfangende Fraktion rund um das Gewässer ihre Köder auslegen. Vorbei an einem Meilenstein , der darauf hinweist, dass es nur noch 6 Meilen (respektive 45 Kilometer) bis nach Hanau sind führt der Weg durch den Weiler Ahl nach Bad Soden der alten Bäder- und Heilquellenstadt.
Unterirdische Ströme transportieren das salzhaltige Wasser vom Fuldaer Becken in das Kinzigtal. Klüfte zwischen den Basaltschichten lassen heiße Quellen bis an die Erdoberfläche steigen. Bereits um 900 n.C. nutzte das Kloster Fulda die hier auftretenden Salzquellen. Vorbei am Brunnen des Pacificus-Sprudels kann man die Gründungsgeschichte der Quellbohrungen, initiiert von Pfarrer Pacificus Schulz nachlesen. Acht Rehakliniken und die Spessart-Therme haben sich in diesem Gesundheitsparadies angesammelt. Der Jakobsweg führt durch den Alten Friedhof mit der markanten Kreuzigungsgruppe. Oberhalb der markanten Huttenschen Talburg lohnt ein Besuch in der St. Laurentiuskirche.
Entlang des Heilquellenweges im Kurbezirk geht es weiter entlang der Salz nach Salmünster, eine bausubstantiell bemerkenswerte Stadt. Entlang der historischen Stadtmauer geht es es vorbei an historischen Fachwerkbauten zum Gasthof zum Hirschen, dort wo ein tadelloser Wandermittagstisch bei einem sehr zu empfehlenden Dunkelbier (Schwarzer Hahn aus der Rhön) zu zivilen Preisen kredenzt wird. Allemal lohnenswert eine Besichtigung der opulent ausgestalteten Barokkirche St. Peter und Paul. Ein Kurzanstieg in ein Waldstück führt uns über Neudorf nach Wächtersbach. Die wandertechnische Erschließbarkeit der sich schlauchartig ziehenden Kommune hält sich in Grenzen. Gefühlte fünf Kilometer Ortsdurchquerung bis man das an der Altstadt liegende Schloß erreicht. Marode – als Zustandsbeschreibung noch leicht untertrieben. In 2013 erwarb die Handelskette Globus das Areal mit Bruchbudencharakter mit der Zielsetzung großflächig zu sanieren. Bautätigkeiten jedweder Art sind bis heute nicht zu erkennen. Die übersichtliche Altstadt läßt durchaus erahnen, dass hier ehemals bessere Zeiten herrschten.
Durch das weitreichende Industriegebiet geht es entlang der A66 nach Wirtheim. Hier zwischen Wächtersbach und Gelnhausen befindet sich die engste Stelle des Kinzigtals. Unüberhörbar der Lärmeintrag bedingt durch die hochfrequentierte Eisenbahntrasse der ICE-Linie Frankfurt-Fulda und dem regen Autobahnverkehr. Nicht verwunderlich, dass viele Wohnungsobjekte hier zum Verkauf stehen. Lediglich das Wirtheimer Schloß legt Zeugnis ab, von der reichen Geschichte der einstigen Kinzigstadt. Die restlichen Kilometer führen entlang der Alten LeipzigerStraße nach Haitz und von dort aus in das schmucke Gelnhausen. mehr als imposant die markante gotisch geprägte Marienkirche. Imposant der selten zu sehende Lettner im Innenbereich, der seinerseits die Trennung von Weltkirche und klösterliche Kirche symbolisierte. Im Konzil von Trient wurden Mitte des 16. Jahrhunderts Lettner grundsätzlich verboten und in den Kirchen weitgehend entfernt. Nicht so in Gelnhausen.
Weltlicher geht es im Außenbereich von Gelnhausen zu. Am Ober- und am Untermarkt tobt regelrecht der Bär. Bei frühlingshaften Temperaturen bewegt sich alles was Beine hat auf dem Barbarossamarkt. Wegen Überfüllung geschlossen – könnte man durchaus sagen. Ein zweckgebundener Aufenthalt an einem Weißbierstand bietet Gelegenheit zu einem würdigen Abschluß auf einer sehenswerten und geschichsträchtigen Etappe. Fortsetzung folgt alsbald Richtung Frankfurt.
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