Bockenheim an der Weinstraße, den 09. September 2018 –
Man erzählt sich, dass bereits im Mittelalter italienische Handwerker in die rheinhessische Region gezogen seien. Durch den heimwehbedingt hohen Alkoholkonsum und den damit verbundenen großen Zechen langte das Geld hinten und vorne nicht mehr um große Häuser zu bauen. So entstanden in den Weinbergen die apulisch-typischen Trulli als Unterkunft für die italienischen Freunde. Diese und andere Schoten ranken sich um die Entstehungsgeschichte der Trulli, die, einzigartig in Deutschland, hier seit mehr als 200 Jahren vorzufinden sind.
Der Trullo, die Trulli. Vorzufinden vor allem in Apulien, aber auch in Irland, in der Schweiz, in Skandinavien, Frankreich und in Nordafrika. Die Wahrheit liegt scheinbar woanders. Mitte des 18. Jahrhunderts herrschte in der waldarmen Region Brennholzmangel. So plünderten Anwohner die Weinberge, stahlen Trauben und Pfähle die zur Sicherung der Weinstöcke dienten. Im Zuge einer 1747 erlassenen Flurbewachung wurden einfache Bauten mit einem Kraggewölbe und eingelassenen Gucklöchern errichtet. So konnte man die Weinberge überwachen, und hatte zugleich einen Schutzraum und einen Unterstellraum für Gerätschaften.
Heute sind die Trulli ein Wahrzeichen, speziell im äußersten Süden Rheinhessens, dem sogenannten Wonnegau. So sind zwischen Bockenheim, dem nördlichsten Zipfel der Deutschen Weinstraße und Flörsheim-Dalsheim mehr als 20 dieser historischen Weinberghäuschen vorzufinden. Mittlerweile stehen die meisten dieser Bauten unter Denkmalschutz.
Gestartet wird in Bockenheim am Haus der Deutschen Weinstraße. Leider gibt es kein explizites Lageverzeichnis der Trulli. Einzig eine Übersichtskarte der jährlich um Juni stattfindenden Trullo- Radwanderung kann als Orientierungshilfe herangezogen werden. In Ergänzung mit einer OSM-Karte, auf der die Standorte der Trulli zum größten Teil hinterlegt sind, lässt sich eine schöne Wanderung mit hin- und ausreichenden Einkehrmöglichkeiten zusammenstellen.
Just vor Sonnenaufgang geht es, Bockenheim in östlicher Richtung querend, hinaus in die weitläufige Weinbergslandschaft. Im Gegensatz zur benachbarten Rheinhessichen Toskana, die oberhalb von Alzey vorzufinden ist, ist die geologische Struktur des Wonnegaus deutlich flacher ausgeprägt. Weitläufige Blicke, südwärts Richtung Neckarregion Mannheim/Ludwigshafen, ostwärts Richtung Odenwald/Kraichgau sind jedoch allemal garantiert.
Alleine zwischen Bockenheim und Hohensülzen passiert man drei Trulli, bevor in nördlicher Richtung, die B47 querend die Weinstädte Kriegsheim und Monsheim trullilagebedingt von hinten erschlossen werden.
Der Monat September eignet sich aus vielfältiger Hinsicht besonders für solch eine Exkursion. Mosthaltig die Luft in den Weinbergen. Bei mittlerweile 100 regenlosen Sommertagen bersten die Weinstocke förmlich unter der Last der Reben. Auch wenn die Lese bereits im August einsetzte, offensichtlich reizt man jeden Sonnentag aus, in der Hoffnung dass ein gelinder Regenguss ohne Kälteeinbruch den letzten Oechslegrad herausholt. Da man darüber hinaus überwiegend mit Vollernter arbeitet, anders ließe sich in Deutschlands größten zusammenhängendem Weinanbaugebiet die Masse nicht mehr bewältigen, ist eine rasche Einholung der Trauben im Regelfall sichergestellt.
Durchwandert man die Ortschaften Kriegsheim und Monsheim hat man das Gefühl, das nahezu jedes zweite Haus mit Weinbau beschäftigt ist. Ab September wird hier zudem kräftig gefeiert. Es ist die Zeit vieler Kirchweihfeste und Weinveranstaltungen. Und die Pfalz ist auch dafür bekannt, dass hier gewöhnlicherweise Wein aus größeren Gefäßen wie sonst üblich getrunken wird. Kein Wunder –die hier produzierte Menge muss schließlich an Mann bzw. Frau gebracht werden. Vorbei am Schloß Monsheim, welches sich heute im Privatbesitz befindet führt die Passage weiter in nördlicher Richtung nach Flörsheim-Dalsheim, welches als eines der größten Weinbaugemeinden in Rheinhessen gilt.
Besonders hervorzuheben ist die ein Kilometer lange, teilweise begehbare Fleckenmauer, die den historischen Ortskern des Ortsteils Dalsheim umschließt. Auch in Dalsheim ist an diesem Tag Kirchweih, was eine willkommene Gelegenheit ist, sich zu einer Rast niederzulassen, um den ausgezeichneten rheinhessischen Riesling zu verköstigen.
und der nächste WeinbergstempelAcht auf einen Streich, so Devise nach Pausenende in Flörsheim-Dalsheim. Vorbei geht es an insgesamt acht Trulli, die zwischen Flörsheim-Dalsheim, Gundheim und Mölsheim vorzufinden sind. Am Ortsende von Mölsheim wartet ein absolutes Highlight, die „Weinrast mit Weitblick“. Ab Mai wird hier jeden Sonntag bis Ende Oktober kräftig ausgeschenkt und kräftig eingeschwenkt. Am beschatteten Südhang des Zellertals kann man mit weitreichenden Blicken bis tief in den Rheingraben hinein ein Schöppchen nach dem anderen genießen. Gut gefüllt die Bänke und noch besser gefüllt die Gläser bei exzellenten Wetterkonditionen.
Jedoch keine Zeit für eine längere Weinpause – der Wanderauftrag ist noch nicht zu Ende. Sage und schreibe fünf weitere Trulli liegen auf der Passage zwischen Mölsheim und Bockenheim. Nach insgesamt 39 Kilometern und nicht nennenswerten 590 Höhenmetern ist der Ausgangsort, das Haus der Deutschen Weinstraße in Bockenheim, erreicht und eine abwechslungsreiche Wanderung zu Ende. Mittlerweile haben zahlreiche Winzerbetriebe Tür und Tor geöffnet und laden ein den heimischen Rebensaft zu verköstigen bzw. flaschenweise zu erwerben. Beruhigend auch, dass der Wanderstoff für künftige Weinexkursionen nicht ausgeht. Ab Bockenheim kann man in den 172 Kilometer langen Pfälzer Weinsteig bis nach Wissembourg einsteigen. Eine spannende Perspektive für künftige Exkursionen.
Superschöner Blogbericht!!!