Hattenheim, den 03. Oktober 2017 –
3. Oktober – Tag der Deutschen Einheit. Beste Gelegenheit diesen denkwürdigen Tag in angemessener Art und Weise durch eine außergewöhnliche Wanderung in einer der schönsten Regionen unseres Landes zu würdigen. Der Rheingau – Sinnbild für den Begriff “Heimat”. Während im Tagesverlauf die Politprominenz im 23 Kilometer entfernten Mainz, den Ort der diesjährigen Zentralfeier, angestrengt über die Begrifflichkeit “Heimat debattiert, startet in Hattenheim just nach einem kräftigen Regenguß und einem sich öffnenden Schönwetterfenster eine Heimat-Entdeckertour.
Hattenheim, nach eigener Einschätzung die heimliche Haupstadt des Rheingaus, ist gesegnet mit den besten Weinlagen des Rheingaus und das schon seit dem 13. Jahrhundert, dank dem benachbarten Kloster Eberbach. Bemerkenswert sind die im Ortszentrum befindlichen Fachwerksbauten, deren Gefache mit Jugendstilelementen aus den 20er Jahren angereichert wurden. Wenige Minuten nach Sonnenaufgang rücken die ersten Winzer in die Weinberge aus, um die Trauben zu lesen. Angesichts der drohenden Niederschläge in den nächsten Tagen ist durchaus Eile geboten. Viele Winzer haben dieses Jahr schon außergewöhnlich früh die Weinlese abgeschlossen. Die Prognose für dieses Jahr: Sehr gute Qualität bei einem rückläufigen Ertrag von 20%.
Wie eine Dunstglocke stülpt sich ein aromatischer Mostgeruch über die sanfthügelige Weinbergslandschaft, die in diesem Rheinabschnitt vorzufinden ist. So geht es durch die Weinberge, Oestrich-Winkel vor Augen, Ingelheim auf der gegenüberliegenden Rheinseite im Blickwinkel und als Zielmarke Schloß Vollrads in nordwestlicher Richtung auf dem Radarschirm. Die Reste des Tiefausläufers schuben sich über das hessische Rheingaugebirge auf die Rheinland-Pfälzer Seite hinüber und von Westen kommend drückt ein Hochdruckgebiet sichtbar durch – auch für das Auge ein spektakuläres Szenario.
Tendentiell kann man auf Sicht laufen, da die Hotspots des Rheingaus bereits von weitem sichtbar sind. Bald ist Schloß Vollrads erreicht, welches auf einer gemäßigten Höhe von 160 Metern thront. Passend zum Tag die Erkenntnis, dass hier das älteste deutsche Weingut vorzufinden ist. Seit 1211 wird hier die Weinbautradition gepflegt. Nach einer kurzen Stippvisite im Innenhof geht es weiter zum nächsten Highlight der Region, dem Schloß Johannisberg.
Im gleisenden Licht der Morgensonne entfaltet sich die herbsttypisch bunte Blätterpracht. Per se ist die Zeit um die Weinlese die schönste Wanderzeit in dieser herrlichen Region. Den Ansbach querend geht es leicht aufwärts nach Johannisberg, vorbei am zweitgrößten Weinerzeuger des Rheingaus, dem Wein- und Sekthaus Mumm zum ersten Rieslingweingut der Welt, dem Schloß Johannisberg, welches exakt auf dem 50. Breitengrad liegt. Der Legende nach ist die Anlage des Weinbergs auf Karl den Großen zurückzuführen, der von seiner Pfalz in Ingelheim aus beobachtete, dass der Schnee auf dem Johannisberg als erstes schmolz. So wurde vor 900 Jahren der Weinanbau auf Johannisberg begründet und seit 1720 wird hier die Edelste aller Weißweinsorten, der Riesling, angebaut. Und schon Heinrich Heine wußte zu berichten: “Mon Dieu, wenn ich doch so viel Glauben in mir hätte, dass ich Berge versetzen könnte, der Johannisberg wäre just derjenige Berg, den ich mir überall nachkommen ließe.” Empfehlenswert ist ein Schlenker in östlicher Richtung um direkt unterhalb der Schloßmauer die Liegenschaft zu umrunden. Unterhalb des Wintergartens, dort wo sich ein ausgezeichnetes Restaurant befindet, kann man bereits das nächste Etappenziel das Kloster St. Hildegard von Bingen ausmachen.
So geht es zunächst weiter um abzusteigen zum Weiler Grund, jedoch empfiehlt sich just vor dem Abstieg ein Blick hinüber zur Kommune Johannisberg, dort wo sich einerseits das mächtige Kloster Johannisberg im Vordergrund und der Gourmettempel Burg Schwarzenstein im Hintergrund erhebt. Diese Region, für Epikureer das Paradies auf Erden. Die Abtei St. Hildegard immer im Fokus habend geht es mittlerweile auf Premiumwanderwegen durch die Geisenheimer Weinberge. Premiumwanderwege – das heißt Rheinsteig, das heißt Klostersteig. Dazwischenliegend zahlreiche thematische Rundwege, Stoff genug um locker in einer Woche zu Fuß die Region in abwechslungsreichen Facetten kennenzulernen.
Zahlreiche Wegkreuze belegen, dass in dieser Region eine Vielzahl sakraler Stätten vorzufinden sind. Kloster Nothgottes, Kloster Marienthal, Kloster Eberbach und nun auf direktem Weg zum Kloster Sankt Hildegard von Bingen. Die Benediktinerinnenabtei ist ein vorbildlicher Wirtschaftsbetrieb. Die Ordensfrauen bauen einen hervorragenden Wein an und betreiben zusätzlich eine Goldschmiede und eine Restaurierungswerkstatt. Darüberhinaus wird in Zusammenarbeit mit den Rheingauwerkstätten Rüdesheim ein integratives Cafe unterhalten.
Nach einer Kaffepause liegt auf der Sichtachse bereits das nächste Ziel, das Niederwalddenkmal vor Augen. Mittlerweile treibt die noch kräftige Oktobersonne die Temperaturen nach oben. und in den Wingerten herrscht emsiges Treiben. Während die Winzer die Ernte einbringen bevölkern Tagestouristen die Weinberge. Fußkranke bevorzugen dabei die bequeme Variante und lassen sich mit der Seilbahn von Rüdesheim nach oben hieven. Erlebnisreicher ist allemal der Gang durch die Weinberge.
Just zur Mittagsstunde empfiehlt sich unterhalb des Denkmals und abseits des Touristenrummels ein Einkehr im Rebenhaus um bei einem hervorragenden Glas Riesling die Aussicht zu genießen, bevor man zum berühmten Denkmal aufsteigt. Passend zum Tag der Deutschen Einheit die Historie des Denkmals. Das 1883 fertiggestellte Denkmal mit Germania als Wacht am Rhein sollte an die Einigung Deutschlands 1871 erinnern. Heute ist dieses Denkmal eines der touristischen Hotspots für Besucher aus nah und fern.
Mit Blick auf das gegenüberliegende Bingen geht es abwärts nach Rüdesheim zur berühmtesten Gasse Deutschlands, der Drosselgasse. Fast immer ist das 140 Meter lange Gässchen vollgestopft mit rheinromantisch angeheiterten Schnapsdrosseln aus allen Herren Ländern. Gefühlt drei von vier Besuchern sind dabei aus dem Fernen Osten angereist. London, Paris, Drosselgasse, Loreley, Hofbräuhaus, Venedig, Rom – so die europäische Rennstrecke für internationale Gäste. Drosselgasse als Methapher eben für deutsche Gemütlich- und Geselligkeit.
Nach einem Federweißen-Kurzstop geht es durch das lebhafte Rüdesheim zurück Richtung Geisenheim. Unterhalb der Weinbergtrassen erreicht man bald die University of Geisenheim, die mit einer Reihe sinnvoller Studiengänge aufwartet. Getränketechnologie, Oenologie und Internationale Weinwirtschaft lassen sich hier unter anderem studieren. Rheinaufwärts führt die weitere Passage unterhalb des Kloster Johannisberg nach Oestrich Winkel und von dort weiter zum ursprünglichen Startort Hattenheim. Lohnenswert ist an diesem Tag ein kleiner Umweg über die Hattenheimer Weinberge, denn just an diesem Tag präsentieren sich die hier ansässigen Winzer mit entsprechenden Ständen in den Weinbergen unter dem Motto “Natur pur”. Hier merkt man sofort, dort wo Wein angebaut wird herrscht Geselligkeit. Dementsprechend ausgelassen ist die Stimmung an diesem Feiertag. Passabel das Wetter, hervorragend die kredenzten Weine, spektakulär das Umfeld – ein würdiger Rahmen für einen besonderen Tag – eben ein Stück Heimat im deutschen Wanderparadies.
Aufgrund dieser fantastischen Fotos und dem tollen Beitrag sind wir knapp 2 Wochen später diesen Rundkurs von Rüdesheim bis Hattenheim bei genauso traumhaften Wetterbedingungen gewandert. Es ist wirklich so genial wie beschrieben. Der Rheingau ist immer eine Wanderung wert und die beschriebene Tour hat soviele Highlights, daß man sie jedem Wanderer empfehlen kann. Vielen Dank für diese unbeschreiblich tolle Wander-Idee!
Das freut mich aber – Sinn und Zweck des Blogs ist es ja letztendlich eine Portion Begeisterung weiterzugeben, welche tollen Wandermöglichkeiten es bei uns gibt.