
Bernkastel-Kues, den 26. April 2025 – Keine Frage. Man muß schon seine persönliche Komfortzone verlassen, wenn man sich aufmacht um eine 24 Stunden Wanderung zu absolvieren. Jedoch ist der Motivationsfaktor per se gegeben wenn drei Dinge, die eine gelungene 24-Stunden-Tour ausmachen gegeben sind: Erstens eine herrliche Landschaft, zweitens eine attraktive Streckenführung und drittens eine gute Organisation. Wenn zudem der ausrichtende Veranstalter bereits zum zehnten Mal zu solch einem Wanderhalali einlädt, und dieses unter der Maxime “Betreutes Wandern” ausrichtet, dann ist der Erfolg vorprogrammiert.
So wundert es auch nicht, dass die 250 Startplätze rasch nach Öffnung der Plattform vergeben waren, wobei die Nachfrage weitaus höher war als das Angebot. Am langen Ende gingen offiziell 238 Langstreckenwanderinnen – und wanderer an den Start, wobei mit 37% der Anteil der Extremwanderinnen gut vertreten war. Dass zudem Essen und Trinken essentieller Bestandteil der regionalen Lebenskultur ist, dokumentiert alleine schon der Umstand, dass zwei Stunden vor dem offiziellen Startbeginn um 10.00 Uhr zunächst einmal zum Frühstück eingeladen wurde.







Sehr poetisch ist im zweiundzwanzigseitigen Roadbook die Streckenbeschreibung hinterlegt: Vom Basislager geht es über die Moselbrücke in die Bernkasteler Altstadt. Wir passieren den mittelalterlichen Marktplatz mit seinen vielen Fachwerkhäusern und flanieren auf der Römersträße bis zum Märchenhotel. Jedoch vom flanieren kann keine Rede sein. Mit einer ordentlichen Schlagzahl fräßt die Wanderschar durch Bernkastel und lassen manch verwunderten Blick der Passanten zurück, die staunen wer hier im Eiltempo durch die sehenswerte und beschauliche Altstadt zieht. Von Anbeginn kristallisiert sich heraus, dass nicht nur Kilometer sondern auch ordentliche Höhenmeter eingepreist sind. So geht es auf dem hochattraktiven Moselsteig strack aufwärts zum Aussichtsspunkt “Maria Zill”, dort wo bereits nach fünf Kilometern die erste Verpflegungsstation eingerichtet ist und als kostenfreie Dreingabe eine tolle Aussicht auf dem höchsten Punkt der offiziellen elften Etappe des Moselsteigs genossen werden kann.














Von der Schutzhütte Maria Zill geht es, die B50 querend, steil abwärts. Der Weg mändert abwärts zur viereinhalb Kilometer entfernten Moseltherme in Traben-Trabach, dort wo bereits erneut eine Verpflegungsstation eingerichtet ist. Der Seitensprungweg Moselschanzen, der als Premiumwanderweg zertifiziert ist, wird mit dem Zusatz “Wer am Ende müde Füße hat, kann sich in der Moseltherme, der einzigen Therme an der Mosel, erholen” in einschlägigen Wanderbroschüren vermarktet. Jedoch wurde noch inoffizieller Verlautbarung kein Teilnehmer ausgemacht, die hier eine Aktivpause eingelegt hätte. Allemal ist dieser Seitensprungweg ein wunderbarer Seitenpfad des Moselsteigs mit einer hochattraktiven Streckenführung.






Ab der Moseltherme spreizt sich die Dichte der Versorgungsstationen, wobei mit insgesamt sieben Haltestellen die 44 Kilometer langen Tagesstrecke großzügig konfektioniert ist. Optimale Verhältnisse für Speedhiker, die außer eine Getränkeflasche keinen weiteren Ballast benötigen. In Traben-Trabach werden die Zähler wieder auf Null gestellt, denn es geht ab nun wieder aufwärts -moderat aber dafür auf den nächsten fünfzehn Kilometern schleichend aufwärts bis nach Thalkleinich. Auf sehr schönen Pfaden, wandert man vorbei an markanten Schieferfelsgebilden mit schönen Hunsrückaussichten über das Wildbachtal zur Bischofsmütze. Schutzhütte Fronhofen und das Gemeindehaus Pilmroth sind dabei die beiden Stationen, die im Abstand von acht Kilometern eingerichtet wurden. Variantenreich ist dabei auch die Verpflegung ausgestaltet. Dort Snacktüten, auf der Folgestation ein warmes Süppchen und Obst, ausgewogen und wohlfeil abgestimmt das Verpflegungskonzept, was man hier auf die Beine gestellt hat.



























Zwischen Longkamp und Monzelfeld wird es etwas dröge, denn die Passage führt über den sogenannten asphaltierten Freundschaftsweg der die beiden Hunsrückgemeinden miteinander verbindet. Die Vorfreude auf die nächste Station, das Feuerwehrhaus Monzelfeld auf die im Roadbook avisierte Kaffee und Kuchenstation wird etwas eingetrübt, nachdem hier schon zwei Drittel der Starter diese Station passiert hatten. Kein Kaffee, kein Kuchen mehr. Alles weggefuttert, wie zwei Mitwanderinnen mit der blanken Feststellungen “Männer eben”…. das geschlechtliche Pendant als Übertäter verorten. Jedoch Kaltgetränke und Obst sind noch reichlich vorhanden.


“Von nun an geht es bergab” so die Losung, die hinter Monzelfeld ausgerufen wird. Fünf Kilometer noch, dann ist das Hauptquartier, die Cusanus Grundschule in Kues wieder erreicht. Nach 45 spannenden Kilometern ist die Tagesschleife absolviert. Hinzu kommen immerhin 1.400 Höhenmeter, die jedoch in Gänze sich moderat verteilt haben, auch wenn der ein oder andere knackige Abstieg in toto schon auf die Gelenke drückt. So nimmt von Station zu Station auch die Blasendichte der Mitwanderer zu, wie der verstärkte Einsatz von Blasenpflastern im Allgemeinen belegt. Um 19.15 Uhr komme ich zum Abendessen an, ursprünglich mit der Absicht behaftet, gemütlich gegen 23:00 Uhr in die Abendrunde zu starten. Der Plan dabei: bei Kilometer 23 auf der 35 Kilometer langen Nachtstrecke just zum bürgerlichen Sonnenaufgang gegen 05:45 Uhr in der Verpflegungsstation im Römerkeller Veldenz einzutrudeln, um zur schönsten Tageszeit, dann wenn sich das Licht der langsam aufgehenden Sonne durch den nächtlichen Himmel schubt, dann wenn die Stille des Waldes abrupt unterbrochen wird von einem raumgreifenden Vogelzwitscherkonzert, zur spannensten Zeit des Tages durch die Weinbergslandschaft oberhalb von Mühlheim an der Mosel zurück zu wandern, frei nach dem Motto: Genuß vor Geschwindigkeit. Gut der Plan, schlecht die Rahmenbedingungen, denn einerseits ist der Haupttross schon wieder unterwegs und andererseits ist die Versorgungsstation in Veldenz nur bis maximal 05:30 Uhr geöffnet. So starte ich gegen 21.15 Uhr in die Nachtrunde, noch nicht ahnend, dass just eineinhalb Stunden später, nach 12 Stunden und 45 Minuten der erste Highspeed-Hiker von der Nachtrunde bereits zurückkehrt.






Die Nachtpassage ist bei derartigen Veranstaltungen immer wieder ein Highlight. Sicherlich – sehen tut man wenig bis nichts, zumindest wenn es durch die bewaldeten Passagen geht. Jedoch die angebotene Nachtstrecke wurde sorgsam und attraktiv ausgewählt. So wandert man zunächst von Kues oberhalb der Weinberge mit Blick auf die Mosel und den beleuchteten Städtchen entlang des Flusses nach Mülheim, um von dort aus den Fronbach begleitend via Burgen den Anstieg hinauf zum Schieferfelsen Barbelley zu bewältigen. Breite Wirtschafts- und Forstwege gewährleisten dabei ein sicheres Vorankommen, was insbesondere auf der Nachtstrecke ein wichtiger Faktor ist. Zudem hat man im Abstand von sechs Kilometern insgesamt fünf Versorgungsstationen eingerichtet, wobei die Grundversorgung variantenreich und zweckdienlich ausgestaltet ist. Kaffee, Cola, Tee, Müsliriegel, Gulaschsuppe, Gemüsesuppe, Obst, Laugengebäck und frische Waffeln. Im Bürgerhaus Hirzlei hat man sogar den Grill angeworfen – scheinbar legt der Veranstalter Wert darauf, dass mehr Kalorien aufgenommen als auf der Strecke gelassen werden. So geht es bei sehr angenehmen Nachttemperaturen und einem mäßigen Windeintrag durch die Gefilde der ehemaligen Grafschaft Veldenz.













Am langen Ende standen 82 Kilometer auf dem Wandertacho, unterlegt mit 2.400 Höhenmetern, was nach offzieller Umrechnung 114 Leistungskilometer als Äquivalent für eine auf der Ebene zurückgelegte Strecke entspricht. Einzig verwirrend aber erklärbar die Differenz zur offiziellen Höhenangaben die mit knapp 2.000 Metern im An- und Abstieg ausgewiesen wurde. Komoot, die Plattform auf der die Strecke publiziert wurde, arbeitet mit einem 90 auf 90 Meter Raster, mit der Konsequenz, dass die dortigen Höhenmeterangaben unpräzise sind. Je granularer die GPS-Geräte eingestellt sind, desto höher fällt die daher Abweichung aus. Jedoch man muss es sportlich sehen – ein bisschen mehr geht immer.
Nach offiziellen Angaben absolvierten von 238 gestarteten Teilnehmern 225 erfolgreich die Tagesstrecke und 173 Wanderer starteten in die Nacht hinein. Am langen Ende konnten 144 Teilnehmer die 24-Stunden-Wanderung in Gänze absolvieren, wobei im Gesamten die durchschnittliche Wanderzeit bei 18:36 Stunden auslief. Außergewöhnlich die sportliche Leistung des schnellsten Wanderers der nach 12:46 Stunden das Ziel erreichte und die hurtigsten Frau, die mit 14:27 Stunden finishte, während die letzten Teilnehmer nach 21:34 Stunden eintrudelten und damit im ökonomischen Zeitverständnis eine Zielerreichungsquote von 89% erreichten und der eigentlichen Zielvorgabe, nämlich 24 Stunden auf Achse zu sein, am nähesten dran waren. Aber so unterschiedlich die persönlichen Prämissen – am langen Ende sind alle Protagonisten Gewinner, denn auch wer “nur” 40, 50 oder 60 Kilometer absolvieren konnte oder wollte verdient Respekt und Anerkennung.
Keine Frage die 24-Stunden von Bernkastel-Kues zählt in diesem Metier in vielfacher Hinsicht zu den absoluten Topveranstaltungen im Bundesgebiet und so sollten und können sich Interessierte bereits heute den angedachten Termin, den 18. April 2026 vormerken, denn dann ist vorgesehen zum elften Mal die 24-Stunden-Wanderung inklusive Vollzeitüberwachung auf die Beine zu stellen.
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