Thurmansbang 29, Juni 2014 “Die ganze Veranstaltung hatte eine komplizierte Vorgeschichte. 17 Bürgermeister in zwei Landkreisen unter einen Hut zu bringen, um solch eine Veranstaltung zu organisieren war nicht einfach. Aber – hier zeigt es sich einfach – wir Bayern können miteinander. I frei mi sakkrisch das Ihr gekommen seid” Ein sichtlich gelöster Bap Koller, Ziehvater und Cheforganisator der 24 Stunden von Bayern begrüsste 24 Stunden nach dem Start in der vollbesetzten Glashütte des Museumsdorfes die übernächtigte Wanderschar. Ein großes Lob und lang anhaltender Beifall für alle Unterstützer die wiederum mit Herzblut und erheblichsten Arbeitseinsatz zum Gelingen der wohlorganisierten Veranstaltung beitrugen. Mehr als 2.000 Schilder wurden auf der Wegstrecke angebracht um die 444 Teilnehmer aus dem gesamten Bundesgebiet sicher durch das Ilztal und Dreiburgenland zu führen.
Unter dem Leitthema “Entdecke das Unerwartete” lud der Touristikverband Bayern in das Ilztal ein. Namensgeber und eines der Highlights in der Region ist die Ilz, eine der letzten unberührten Flusslandschaften Ostbayerns. Noch bis ins frühe Mittelalter galt das Gebiet als undurchdringliche Wildnis. Der Wandermarktplatz wurde im Museumsdorf Bayerischer Wald in Tittling/Thurmansbang, wo die Tages- und Nachtstrecken starteten und endeten eingerichtet. In diesem sehenswerten Areal konnten die Wanderer 140 liebevoll und originalgetreu erbaute Häuser aus der Zeit zwischen 1580 und 1850 besichtigen, sofern man die Muse dafür hatte und nicht mit vor- und nachbereitenden Tätigkeiten rund um das Wanderevent beschäftigt war.
Die bayrische Kultveranstaltung wurde auch dieses Jahr wieder nach dem bewährten Grundkonzept durchgeführt. Insgesamt vier Strecken standen der Wanderschar zur Verfügung. Entlang der Tages- und der Nachtstrecke wurden insgesamt 39 Stationen mit einem umfangreichen Programm angeboten. Beste Gelegenheit die Region, das Brauchtum und die Kultur zu präsentieren. Grundsätzlich empfiehlt es sich, sich an dem Zeitrahmen des Programmangebotes zu orientieren und die Abfolge der persönlichen Streckenplanung darauf abzustellen. Letztendlich ist es jedoch dem Einzelnen überlassen, in welcher Reihenfolge und mit welchen Zusatzstrecken die 24 Stunden ausgefüllt werden. Manch ein Teilnehmer musste bereits nach oder während der Tagesrunde mit leichten Lädierungen das Handtuch werfen. Für solche Fälle stand an ausgewählten Punkten ein Busshuttle-Service zur Verfügung. Ein aufwändig gestaltetes Roadbook beinhaltete alle relevanten Informationen für die Teilnehmer.
Angesichts der ungünstigen Wettervorhersagen entschloss ich mich zunächst am Anreisetag als Akklimatisierungsrunde die Fitnessstrecke sowie die Mondscheinstrecke zu erwandern. Mit insgesamt 34 Kilometern und 969 Höhenmetern ergab sich hierbei eine gute Gelegenheit, sich mit der Region vertraut zu machen und den ein oder anderen Ausblick aufzunehmen, der im Rahmen der Nachtrunde nicht möglich gewesen wäre. Nach dieser ausgedehnten Runde bot sich ein Abschluss im Gasthof Mühlhiasl im Museumsdorf an, dort wo sich mittlerweile ein Großteil der Wanderschar eingefunden hatte, um die Starterpakete in Empfang zu nehmen und um erste Kontakte zu knüpfen. Dank des Losverfahrens hatten viele neue Teilnehmer die Chance erhalten sich erstmals einer solchen Herausforderung zu stellen, wie beispielsweise Michel und Thomas aus Amberg die mit einer gehörigen Portion Respekt, Ungewissheit und Neugier angereist waren. Michel mit einem lädierten Fuß geplagt sinierte bereits am Biertisch über Plan B-Variente (Teilausstieg, Bustransfer etc.) Allseits jedoch eine gute Stimmungslage an den Tischen bis zum Anbruch der Dunkelheit, wobei einige auf die sedierende Wirkung obergäriger hopfenhaltiger Getränke vertrauten.
Pünktlich um 08.00 Uhr erfolgte am Samstag der Startschuss zu den 24 Stunden von Bayern durch die Hundsrucker Böllerschützen nach vorhergehendem Coundown durch die bayrische Milchkönigin. Beeindruckend der Auftritt einer fränkischen Abordnung die mit Jumbofingern aus Schaumstoff eindrucksvoll ihre Herkunft zelebrierten. Angeführt von der Blaskapelle Thurmannsbang setzte sich der Wandertross in Bewegung um die 40 Kilometer lange Tagesstrecke zu absolvieren. “Jeder Meter Teer ist zu viel” so Bap Koller in seiner sonntäglichen Abschlußrede. Jedoch lassen sich nicht immer alle Wünsche erfüllen. Premiumausblicke einerseits, sichere Pfade andererseits und nach Möglichkeit das ganze auf sanftweichem Waldboden – so die Idealvorstellung. Sicherlich- der Asphaltanteil war relativ hoch – jedoch entschädigten weitreichende Panoramablicke in den Bayrischen Wald bei sommerlichen Temperaturen und weißblauem Himmel diesen Umstand. Ein absolutes Highlight – der Streckenverlauf an der Ilz. Auf teilweise naturbelassenen Pfaden konnte man dem Verlauf des scheinbar ungezähmten Flusses geniessen. Felsformationen und eine weitreichende mit Mischwälder durchsetzte und mit vielen Gefäßpflanzen annektierte Region verdeutlicheten die Wildheit dieser Region.
Mit viel Hingabe und Engagement und einem hohen Maß an organisatorischen Aufwand präsentierten sich Vereine, Verbände, Firmen und Organisationen. Ob Mittagessen im fürstlichen Ambiente auf Schloß Fürsteneck, das aufgebaute Säumerlager durch den Graineter Säumerverein, der Kuchentafel in Ellersdorf, Wadlmassagen im Wald, Kneippkur und Sandtrand an der Ilz, Steinhauer-Livearbeit am Trail, Auftritt von Trachten- und Musikantengruppen oder der eindrucksvolle und stamperllastige Auftritt der Hexen aus dem Frankenwald, um nur einiges zu nennen, für Kurzweile am Wegstreckenverlauf war mehr als genug gesorgt. Mit etwas über 1.000 Höhenmetern und mehr als 40 Kilometern war der Streckenführung abwechslungsreich aber auch anspruchsvoll. Manch ein Teilnehmer musste bereits nach Absolvierung der Tagesstrecke das Handtuch werfen, jedoch allemal eine respektable Leistung bei sommerlichen Temperaturen von 25 Grad. Nach einer Rastpause zum Abendessen wo auch für ermattete Wanderer Massagegelegenheiten angeboten wurden, ging es weiter in die Nachtrunde um die illuminierten Wahrzeichen des Dreiburgenlandes, die Englburg, die Saldenburg und das Schloß Fürstenstein zu bestaunen.
Vorhersagewidrig war bis in den Abendstunden die Wetterlage ausgesprochen gut, für manch einen Teilnehmer zu warm. Gegen 19.00 Uhr bauten sich dunkle Wolken in südwestlicher Richtung auf und ballten sich bedrohlich zu einer Gewitterfront auf. Kurzfristige Aufböungen waren Anlass für manch einen Teilnehmer die Nachtstrecke abzubrechen mit der Befürchtung einer aufkommenden Windbruchgefahr in der waldlastigen Nachtstreckenführung. Glücklicherweise verabschiedete sich die Front mit einem halbstündigen Niederschlagsintermezzo ohne Blitzeinschläge. Auch die Nachstrecke war mit einem erlebnisreichen Programm bestückt. Der Mittelaltermarkt am Schloß Fürstenstein, das Räuberlager am Burgstall mit Stamperleinkehr, das Keltenlager Gabreta, die sehenswerte Damentanzcombo an der Einzeldoblmühle, die Vitalstation im Garten der Sinne oder die Kurzstationen zwischendurch – herzerfrischende Gespräche mit den Standbetreuern und Akteuren rundeten die tolle Wegstrecke ab. Ein Wermutstropfen aus meiner Sicht sei genannt. Seitens des Veranstalters wurde als Station für den Mitternachtsimbiss die Westernstadt Pullmann City einbezogen. Sicherlich – ein gut gemeinter Ansatz und eine geeignete Lokation um entsprechendes Catering zur Verfügung zu stellen. Freunde des Wilden Westens die die Lebendigkeit einer Westernstadt suchen, mögen sich gerne nach Ihrem Gustus dort entfalten, Für Freunde der Ausdauer- und Langstreckenwanderungen die im Rahmen einer 24-Stunden-Wanderung, dort wo man bewusst eintaucht in die Natur und eher die Stille der Nacht sucht, eine Überfrachtung für der Sinne. Umso erholsamer das Eintauchen in die Nachtstrecke nach einem kurzen Aufenthalt im Epizentrum des bajuwarischen Wilden Westens. In einem anderen Umfeld sicherlich eine interessante und abwechslungsreiche Möglichkeit der Freizeitgestaltung.
Am Westerndorf gesellte sich Stefan, ein akkreditierter Journalist aus Mannheim dazu, der erstmals an einer 24-Stunden-Wanderveranstaltung teilnahm und ebenso des Westerntreibens müde den Weiterzug in den bayrischen Wäldern bevorzugte. Mit einem sehr passablen Marschtempo ging es steil hinauf zum Dreiburgenblick und auf herrlichen Waldpfaden weiter zur Englburg, dort wo bereits vom Weitem hörbar die Perkusionsgruppe Caboom mit eindrucksvollen rhytmischen Trommeleinlagen die Walderkundung zu einem Erlebnis machten. Für uns als Frühankommer gab es sogar ein außerplanmäßiges Gipfelbier als Belohnung um der drohenden Unterhopfung Vorschub zu leisten – herzlichsten Dank hierfür. 15 Minuten vor dem Wandermarktplatz setzte erneut der Regen ein. Nach 18 Stunden und 30 Minuten war um 02.30 Uhr das Ziel ereicht – per se viel zu früh jedoch im Einklang mit den Wetterverhältnissen. In der Rückbetrachtung wäre locker die Absolvierung der zusätzlichen Mondscheintour, die bereits am Vortag im Hellen erkundet wurde, möglich gewesen. So kamen wir nicht in den Genuß des Begrüßungstrunkes der als Station frühestens ab 5.30 Uhr vorgesehen war. Wer zu früh kommt… Nicht immer sollte man daher auf die Vorsagezuverlässigkeit des Offenbacher Wetterdienstes bauen. Mitwanderer Stefan war hochbegeistert von seiner ersten Langstreckentour und selbst überrascht, wie gut und zügig er über die Runden gekommen ist. Die Wiederholungsgefahr ist nach eigenen Worten sehr groß. Fünf Stunden später trudelten die beiden Amberger Novizen Michel und Thomas ein, übernächtigt, die Spuren der Strapazen in das Gesicht geschrieben jedoch überglücklich es geschafft zu haben, den inneren Schweinehund überwunden zu haben und Teil einer tollen Veranstaltung gewesen zu sein.
In der Nachbetrachtung ein großes Kompliment an Bap Koller nebst Team, den Ilztaler Organisationsverantwortlichen und allen Unterstützern der Veranstaltung. Besonders hervorzuheben der Einblick in eine tolle Wanderregion mit vielfältigsten Erkundungsmöglichkeiten. Ob Goldsteig, Baierweg, Böhmweg, Pandurensteig, Via Nova, Donausteig, Gläserner Steig – um nur Einige zu nennen, traumhafte Wanderwege in einer grenzenlosen Natur wollen noch entdeckt werden. Wer alle Strecken gewandert ist, konnte im Gesamten 95 Kilometer mit knapp 2.800 Höhenmetern absolvieren.
Frühzeitig wie noch nie wurde bereits nach dem Frühstück bei der Verabschiedung der Wanderschar der Veranstaltungsort des Kultevents 2015 bekannt gegeben: Mespelbrunn im Spessart – ergo Heimspiel im kommenden Jahr.
Nachfolgend noch einige Impressionen der eventfreien Zusatzstrecken, die am Vortag begangen wurden:
WoW! Das sind wunderschöne Fotos und fangen genau die facettenreiche Stimmung ein, die ich auch erleben durfte. Die Nachtstrecke konnte ich leider nicht antreten 🙂 Und dennoch ein super Erlebnis!
Vielen Dank für die Blumen – letztendlich gilt: dabei sein ist alles!
Hallo Martin,
sicher bist du im kommenden Jahr wieder bei den 24 Stunden dabei, oder?
Wir, die Ausrichterregion 2014, das Ilztal & Dreiburgenland, erstellen gerade eine Fotobuch zu den 24 Stunden 2014 als kleine Erinnerung. Dürfen wir dazu deine Fotos aus dem Blogbeitrag verwenden? Sie sind einfach genial!
Viele Grüße
Susanne
Hallo Susanne,
danke für das Kompliment. Selbstverständlich kannst Du die Bilder verwenden – ich zahle gerne zurück (Danke für die großartige Veranstaltung!!). Mespelbrunn ist eine Quasi-Pflichtveranstaltung – da um die Ecke liegend 🙂
Viele Grüße in das Ilztal
Martin