
Windischeschenbach, den 09. Mai 2025 – Dort, wo sich die Waldnaab durch die canyonartige Granitschlucht fräst, dort wo der längste zertifizierte Premiumwanderweg Deutschlands einsetzt, dort wo das Land der tausendTeiche liegt, dort wo vom östlich gelegen Böhmerwald frische Windbrisen durch die ewigen Wälder streifen, genau dort kann man sich auf Spurensuche begeben, um die “flüssige Seele” der Oberpfalz zu entdecken.
Denn bereits seit sechshundert Jahren wird hier die alte Tradition der bürgerlichen Zoiglherstellung gepflegt, und nicht umsonst pilgern internationale Gäste, Journalisten und Biersommeliers in die östlichen Gefilde des Freistaates, und nicht umsonst richtet die heimische Bevölkerung die Wochenplanung nach dem jährlich veröffentlichen Zoiglkalender, und eben nicht nach der Tagesschau, aus. Und wenn man zudem Wandergenuß mit Kulturgenuß verbinden möchte, denn steht man bereits in der Vorbereitung vor großen logistischen Anforderungen – denn der eine Zoiglwirt sperrt sein Tor alle zwölf Wochen von Mittwoch bis Samstag auf, ein anderer ist von Freitag bis Montag präsent, der Eine lädt ab 11 Uhr zum Frühschoppen ein, ein Anderer entriegelt den Zapfhahn erst ab 16:00 Uhr, und wieder ein Anderer lässt sich jeden Tag etwas anderes einfallen.

Offiziell wird ein inoffizieller aber nicht ausgeschilderter Zoiglwanderweg vom Tourismusverband Oberpfalz empfohlen, vorgestellt wird in diesem Beitrag eine aufgepimpte und optimierte Streckenführung über insgesamt 90 Kilometern, angereichert mit der Einkehr in insgesamt acht Zoiglstubn.
Doch zunächst gilt es zu klären, was ein Zoigl ist. Ein Zoigl ist ein untergäriges Bier, und tragende Säule der Oberpfälzer Braukultur sind dabei nicht kommerzielle Brauhäuser sondern örtliche Hausbrauer. So gibt es heute in fünf Gemeinden noch 101 aktive Hausbrauer von insgesamt 226 brauberechtigten Anwesen, denn historisch ist das private Braurecht am Gebäude gebunden und zudem grundbuchrechtlich gesichert. Dabei startet der Brauprozeß in einer der fünf Kommunbrauereien. Dort wird die Maische angesetzt, der Sud kommt in den Läuterbottich , der Hopfen wird eingebracht und der angereicherte Sud bleibt eine Nacht im Brauhaus. Der weitere Werdegang des Biers liegt in der Hand der Bierrechtlers, der den Sud am nächsten Tag im Tankwagen abholt, zu Hause individuell vergärt und veredelt. Nach acht Wochen Reife ist der Zoigl (man beachte: DER Zoigl) fertig und wird anschließend direkt aus dem Ruhetank ausgeschenkt. So schmeckt jeder Zoigl anders und man kann in ein einzigartiges Bierlebnis eintauchen, denn der Zoigl wird nicht umgepumpt und abgefüllt, sondern direkt aus dem Tank in das Glas verbracht, was regelrecht zelebriert wird.

Zoiglwanderung von Wiesau nach Windischeschenbach
Gestartet wird in Wiesau im “Land der tausend Teiche“. Im Landkreis Tirschenreuth selbst gibt es sogar mehr als viertausendsiebenhundert Teiche, einige davon bilden dabei die Waldnaabauen, und die meisten Teiche werden zur Karpfenzucht verwendet. Ein Blick auf die Karte verdeutlicht wie teichreich die Landschaft in der Tirscherreuther Teichpfanne ist. Auf schön angelegten Wanderwegen kann man dabei die wasser.- und fischreiche Landschaft erschließen, sowohl für Radfahrer als auch für Wanderer ein wunderbares Naherholungsgebiet. Speziell im Erlebnisraum der Wiesauer Waldseen entwickelte sich die Seenlandschaft aus einem ehemaligen Kaolinabbaugebiet. Kaolin, besser bekannt als Porzellanerde, war dabei der notwendige Rohstoff für die allseits bekannte Oberpfälzer Porzellanproduktion.






Nach zwölf Kilometern ist Markt Falkenberg erreicht. Markant erhebt sich die Felsburg über der Waldnaab, eine Burganlage die spektukalür auf der Falkenberger Granitaufschichtung errichtet wurde. Hier wurde 1869 erstmals der Begriff “Wollsackverwittererung” geprägt, der eine wollsackähnliche Aufeinanderhäufung von Granitblöcken beschreibt, wie sie beispielsweise auch im Odenwald zu finden ist. Just fünfzehn Minuten nachdem der Kramer-Wirt um 11:00 Uhr seine Zoiglstube aufgesperrt hat, ist der erste Ausschankbetrieb erreicht. Auch wenn draußen die Sonne scheint und der Biergarten lockt, so empfiehlt es sich in der Zoiglstube selbst Platz zu nehmen, dort wo die Honoratioren und Experten sitzen, dort wo der Lokalkolorit gepflegt wird. Allerdings sind einige Regeln beim Besuch einer Zoiglstube tunlichst zu beachten. Es heißt immer DER Zoigl! Die richtige Anrede am Tisch lautet immer “Du” oder “Ihr”. Standesunterscheide werden beim ersten Schuck weggespült. Reserviert wird grundsätzlich nicht, man hockt sich und und dazu vorzugsweise nicht an einen leeren Tisch. Frage nicht ob Industriebier, Weizenbier oder Pils ausgeschenkt wird – man riskiert sonst einen Rauswurf. Bestelle zu Leberkäs, Tellersulz, Pressack oder Gselchten niemals Ketschup, das wäre eine Entweihung der Oberpfälzer Wirtshauskultur. Beachte, das im Kommunbräu keine künstlichen Stoffe sind. Wenn man zum Zoigl geht hat man die moralische Verpflichtung dem Wirt beim Vernichten seine Gebräus zu unterstützen, bevor es einen Stich bekommt. Es wird dir niemand verübeln, wenn du mehr trinkst als du eigentlich verträgt – und ein warnender Hinweis: Frage vor dem Besuch niemals einen Arzt oder Apotheker, denn Beide würden dir mit Sicherheit abraten, weil sie selbst Angst haben keinen Platz mehr zu bekommen.
Bereits um 11:15 Uhr ist die Zoiglstube gut gefüllt und der Lärmpegel ist beträchtlich. Am Stammtisch wird schwer gegrantelt. Der bereits pensionierte Dorfarzt mokiert sich über einen Zoiglwirt im benachbarten Ort der unverschämterweise bereits 3,20 Euro für eine Halbe verlangt – was aus einer Sicht eine Frechheit und Ungebührlichkeit ist, so sind die hier auf den Tisch zu legende 2,80 Euro im Prinzip schon eine Zumutung. Der zarte Hinweis, dass im Odenwald schon 4,50 bis 5,00 Euro für eine Halbe mit deutlich minderer Qualität auf den Tisch zu legen sind, interessiert den Lokalmatador herzlich wenig. “Und im übrigen” so die erweiterte Tirade “meine Schwiegertochter taugt auch nix – die mag ja nicht einmal ein Zoigl” So wird gegrantelt und gefrotzelt, es wird viel gelacht und immer wieder klirren die Gläser beim gegenseitigen zuprosten, denn die Schlagzahl ist durchaus beachtlich. Kein Wunder der hier angebotene Zoigl – ein Weltklassebier- etwas trüb, da unfiltriert im Glase stehend, mit einem vollmundigen runden Geschmack, perfekt im Antrank mit einer sanftigen Anmutung im Abgang. Kein Wunder, dass hier niemand Anstalten macht aufzustehen.







Die Gefahr ist groß in der Zoiglstube hocken zu bleiben, denn früher so erklärt mein Banknachbar hat man beim ersten Zoiglwirt das Bier leergetrunken, um dann in die nächste Stube zu wechseln – denn der Zoigl muß strategisch entsorgt werden….. – es wär ja schad drum….
Eindrucksvoll berauschend der erste Einstieg in die Zoiglwelt – jedoch nicht minder eindrucksvoll die kommenden zehn Kilometer entlang der wilden Waldnaab, die bis nach Windischeschenbach den Weg weisen wird. Die Waldnaab sägt sich hier seit fünf Millionen Jahre in die Granitfelsen und formt die Felsgebilde Stück für Stück. Das Gefälle der Waldnaab ist beachtlich, was auch die starke Strömungsgeschwindigkeit belegt. Es gurgelt und sprudelt an allen Ecken und hie und da bremsen Steinsequenzen den Flußverlauf zunächst aus, um einige Meter weiter wieder mächtig Fahrt aufzunehmen. Kurzum nicht nur der Zoigl hat begeistert sondern auch die außergewöhnliche Exkursion entlang der Waldnaab.








Nach dreißig Kilometern ist Windischeschenbach erreicht. “Eschawo” wie der Oberpfälzer sagt. Hier nutzen seit 1455 Bürger das Bierrecht. Hier hat man besonders großen Durst. Und hier waren es insbesondere Bäcker, die ein teuflisches gutes Zoigl herzustellten. Kein Wunder den immer wieder verirrten sich aus der Backstube Hefepilzsporen im Bierbottich – und so erlebte die Hefe ihre Geburtsstunde in der Bierproduktion, lange bevor das Reinheitsgebot aufkam. Just, und glücklicherweise hat an diesem diesem Wochenende die Wolframstub,n aufgesperrt – ein absoluter Glücksfall. Zur rechten Zeit ergattere ich noch einen Platz in der Zoiglstube, zwei Stunden später ist die Hütte krachend voll. In illusterer Runde werde ich mit der hiesigen Kultur vertraut gemacht. Zuvor hatte ich noch eine Stippvisite im Wirtshaus Weißer Schwan eingelegt, der wie ich am Biertisch in den Wolframstub,n erfahre kein echter Zoigl ist, da er ständig geöffnet hat. Das sind halt die kulturellen Feinheiten in der Oberpfalz.









Zoiglwanderung von Marktredwitz nach Mittereich
Mitterteich ist das erklärte Tagesziel der nächsten Zoiglwanderung, wobei an diesem Tag die traditionsreichste und nördlichste “echte Kommunbraustube” als einzige Zoigldestination im Fokus steht, denn im dortigen “Zeisenlearnerhaus” schenkt mit Unterbrechungen bereits seit dem 16. Jahrhundert Zoigl aus, wobei viele Gäste auch insbesondere wegen der deftigen Hausmacherbrotzeiten anrücken. Da die Stubn erst um 16:00 Uhr die Pforten öffnet, hat es sich angeboten am frühen Morgen bereits in Marktredwitz zu starten um die erste Etappe des Goldfsteigs anzugehen, bevor man am spektakulärsten und höchsten Punkt der ersten Premiumwanderwegsetappe auf entsprechenden Zuwegen gen Wiesau und weiterführend gen Mitterteich einschwenkt.
Die ersten fünf Kilometer auf der Goldsteigetappe sind nicht wirklich spektakulär. Hinter dem urbanen Einzugsbereich von Marktredwitz, dort wo man von Naturpark Fichtelgebirge in den Naturpark Steinwald gelangt, wird es interesssanter, da auch hügeliger. Langsam aber stetig schraubt sich der Goldsteig aufwärts bis zur auf der auf 864 Meter hoch gelegenen und beeindruckenden Burgruine Weißenstein.








Während der Goldsteig weiter südlich von Burg Weißenstein gen Falkenberg verschwenkt, geht es auf dem Weg gen Mitterteich über einen Goldsteigzuweg östlich hinüber via Wiesau und via Schönfeld. Technisch bedingt gestaltet sich dabei die Strecke zwischen Wiesau und Mitterteich dröge. Einzig ein Radweg gibt Orientierung jedoch ist die Ortschaft Mitterteich, in der es in früheren Zeiten bis zu siebzig Zoiglwirtschaften gab, mittlerweile von der Zivilisation mehr oder minder abgekoppelt Die Bahnstrecke ist seit 25 Jahren stillgelegt, die Ortschaft nur über einen extrem ausgedünnten Busbetrieb an den Rest der Oberpfalz angebunden. Der Plan ausgiebig diesen Wandertag mit einer Zoiglstubneinkehr zu krönen beschränkt sich auf einen zweistündigen Kurzaufenthalt, da der letzte Bus bereits um 17:35 zurück nach Marktredwitz fährt. “Am besten kommt,s mit dem Camper her” berichtet man mir am Biertisch – so die ernüchternde Botschaft eines Mitterteichers.
Die hochgehypte Zoiglstub,n Oppl im Mitterteich, die an diesem Wochenende den Ausschank übernommen hat erweist sich eher unprätentiös. Was fehlt ist ein gewisser Flair, jedoch das interssiert hier niemanden, denn was zählt, ist was auf den Tisch kommt. Der hier gebraute Zoigl mäandert geschmacklich zwischen einer angedeuteten malzigen Unternote mit dem Hauch einer bitteren Abgangsnote, die jedoch rasch verhallt. “Weder Fisch noch Fleisch” so mein Kommentar zu diesem Brauwerk – allemal ein sehr gutes Bier, jedoch, wie am Biertisch einmal mehr ergründet wird, “Gott sei Dank sind die Geschmäcker verschieden, denn dann würde jeder Odenwälder unser Bier wegtrinken”.






Zoiglwanderung von Weiden nach Windischeschenbach
Regulär war diese Wanderung in umgekehrter Richtung angedacht, jedoch die unterschiedlichen Öffnungszeiten der anavisierten Zoiglstubn in Neustadt an der Waldnaab und Neuhaus oberhalb von Windischeschenbach hatten eine taktische Umplanung erfordert. So zeigt sich einmal mehr dass man bei einer Zoiglwanderung zusätzlichen Erschwernisse berücksichtigen muß. So geht es von Weiden auf schönen Zuwegen des Goldsteigs stetig aufwärts zunächst noch moderat nach Edeldorf und weiterführend steil aufwärts gen Wilchenreuth. Gegenüber erhebt sich die tschechische Mittelgebirgslandschaft und strategisch könnte man den Goldsteig bis hinüber nach Pilsen fortsetzen, wo bekanntermaßen ebenso hervorragende Biere gebraut werden.






Pünktlich um 11:00 Uhr erreiche ich den Waldhauser in Neustadt, die vielleicht Schönste der auf diesem Trail besuchten Zoiglstubn. Das Haus selbst ist ein wahres Museum. Eingebracht wurden Kirchenbänke, Aussteuerstücke, Sanierungsfundstücke, alte Geschirrschränke und Mobiliar mit Vergangenheit. So bekam das hergerichtete Gebäude sogar einen Denkmalpreis. Urgemütlich die Stubn, die sich auf zwei Etagen verteilen. Einziges Manko – im Gegensatz zu anderen Zoiglstubn werden hier Reservierungen angenommen und die Hütte ist innen rappelvoll ausgebucht. Glücklicherweise habe ich dank früher Einkehr die Chance alle Räume in Ruhe zu besichtigen, bevor eine dreiviertel Stunde später das Haus bis auf den letzten Platz besetzt ist.









Auch in Neustadt fällt es nicht wirklich leicht sich von der Bierbank zu schälen – jedoch, der Weg ist das Ziel, oder war nicht das Ziel das Ziel oder war das Ziel nicht noch eine andere Zoiglwirtschaft??? Behaftet mit diesen Gedanken geht es einmal mehr auf eine offzielle Etappe des Goldsteigs, diesmal dem eher ruhigeren Abschnitt entlang der Waldnaab bis nach Neuhaus/Windischeschenbach, der wahren Haupstadt des Zoigls. Einst waren Neuhaus und Windischeschenbach zwei eigenständigee Gemeiden, die jedoch im Zuge der Gebietsreform zusammengelegt wurden. Historisch gesehen war dies ein Sakrileg, denn zoigltechnisch stand man immer in Feindschaft. Denn die Neuhauser Biertradition ist deutlich älter als die der unten an der Waldnaab gelegenen Windischeschenbacher, was diese wiederum schon immer gewaltig gewurmt hat. Oben in Neuhaus wird, so der allgemeine Volkstenor, das Bier grundsätzlich etwas bitterer gebraut, unten in Windischeschenbach eher etwas süffiger. Wie auch immer – allemal ist für jeden Geschmack immer etwas dabei und an diesem Wochenende versorgt der Zoiglwirt Käck,n die einkehrenden Gäste mit einem wohlbekömmlichen Zoigl, welcher im Antrunk erfrischend ist, und im Abgang eine leichte Bitternote unaufdringlich nachhallen lässt. Und wenn man vom Braumeister selbst begrüßt wird und dieser wiederum Anerkennung und Respekt zollt, dass ein Südhesse im Oberpfälzer Gefilde unterwegs ist um feinste Zoiglkultur zu inhalieren, dass fühlt man sich gleich geadelt…..








Von der letzten Zoiglstation geht es abwärts nach Windischeschenbach, dort wo im Stundentakt der logstisch gut geeignete Übernachtungsort Weiden in der Oberpfalz per Bahn erreicht werden kann. Interessanterweise spielt die historisch Zoiglproduktion in der größten Stadt der Oberpfalz keine Rolle mehr. So gibt es noch zwei Schankstätten die Zoigl kredenzen, jedoch muss man die landläufige Meinung anerkennen, das wahre Zoigl kommt aus der Kommunbrauerei und den dort angedockten Hausbrauereien.


Sicherlich – Bier sollte man schon mögen, wenn man auf eine Zoigl-Entdeckungssreise geht. Wer ein Faible dafür hat, der kann eintauchen in eine bodenständige und urige Wirtshausatmosphäre, angereichert mit dem Besten was man im Brauhandwerk produzieren kann. Urige Stubn, nette Menschen und eine traditionelle Gastlichkeit kennzeichnen diese nicht alltägliche Entdeckungsreise. Jedoch, es gibt noch weitere spannende Zoiglstubn, die eben just an diesem Wochenende nicht geöffnet hatten – am langen Ende Potential für eine neue Entdeckungsreise unter anderen Vorzeichen…..
Zoiglbier mit Herz gebraut,
das Herz nicht von Kommerz versaut,
mit Herzblut und mit Muskelschmalz,
das ist das Herz der Oberpfalz
Norbert Neugierg 2011

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