Füssen, den 07. Mai 2023 – Die Eckwerte sind schon beeindruckend. 1.202 Kilometer lang ist das Wegenetz der Allgäuer Wandertrilogie, die sich über 72 offizielle Etappen erstreckt. Das vor neun Jahren aus der Taufe gehobene Wanderkonzept ist einmalig. Drei Hauptrouten ermöglichen es auf drei unterschiedlichen Höhenlagen in eine der schönsten Wanderregionen Europas die Welt zu entdecken. Ob Wiesgänger-Route, Wasserläufer-Route, oder Himmelstürmerroute oder das hybride Wegenetz, wo sich darin inkludiert auf 290 Kilometer zwei Routenformen die Wege teilen – die Vielfalt ist gigantisch. Trilogierundgänge und Trilogieleitern vervollständigen dabei dieses außergewöhnliche Angebot.
Zum Einstieg bietet sich eine 108 Kilometer lange Runde mit übersichtlichen 1.700 Höhenmetern an, wobei zunächst, so der Plan, alle drei Routenformen auf der Rundstrecke von Füssen nach Füssen, integriert werden sollten. Jedoch, der Allgäu ist ein Regenloch – bundesweit liegt Oberstdorf dabei an der Spitze, und so muss man sich eben auch im Bedarfsfall auf Alternativen einstellen, was im dicht gesponnenen Trilogienetz jedoch kein Problem darstellen sollte.
Füssen-Lechbruck
Füssen ist ideal um einzusteigen in die Wanderwelt der Allgäuer Wandertrilogie. Die Alpen vor der Haustüre, allgäutypische Hänge in Sichtweite, gurgelnde Wildbäche und den dynamisch-sprudelnden Lech als Wegebegleiter sowie eine weitreichende Seenlandschaft im direkten Umfeld. Vom Stadtzentrum Füssens geht es abwärts zum Lech, um an der Spitalkirche Hl. Geist dem reißenden Strom, der hier einen mittleren Abfluß von 120 qm³ pro Sekunde verzeichnet, zu folgen. Am Wasserkraftwerk Horn wechseln wir die Flußseite um durch die stets hochwassergefährdeten Lechauen zu wandern. An der Seeöffnung zum Forggensee, just gegenüber dem Füssener Festspielhaus, kann man auf einem herrlichen Uferpfad hinüber nach Schongau zu wandern. Zwar ist man in diesem Abschnitt noch nicht auf einem Trilogieweg unterwegs, sondern auf einem lokalen Rundweg, jedoch die Ausblicke nehmen daran keinen Schaden.
Hinter Waltershofen, dem Ortssteil von Schongau, folgen wir zunächst der Fährte vom König-Ludwig-Weg, der von hier bis zum Starnberger See führt. Das Landschaftsbild wechselt. Blühende Almhänge übernehmen die Regie in der voralpinen Landschaft, und Ausläufer der östlich gelegenen Gebirgskette zwischen Ammergebirge und Hohen Trauchberg sorgen für eine lebendiges Stimmungsbild. Vorbei am Bannwaldsee führt die Passage hinüber nach Halblech um am Wasserläufer-Trilogieweg anzudocken, wobei man als Jausestation das Gasthaus Seerose am Kühmoossee durchaus einplanen kann und sollte, um dort nach zunächst 15 Kilometern ein angemessenes Weißwurstfrühstück zu genießen.
Von der Pausenstation am Kühmoossee wandern wir gen Halblech, dort eine gewaltige Staustufe der Lech auf einem drei Kilometer langen Staudamm aufgestaut wird. Mit 19 Megawatt wird hier eine nachhaltige Energiemenge gewonnen. Hinter dem Premer Lechsee schwenkt man ein in die Umlaufbahn von Lechbruck, dem Tagesziel. Historisch gesehen war der Ort schon zu römischen Zeiten ein Knotenpunkt. Bereits seit 20 n.C. führt hier die Via Claudia Augusta vorbei und mutige Flößer treidelten schon im Mittelalter lange Gebirgshölzer und Baumaterial sogar donauaufwärts bis nach Wien und Budapest. Bevor man jedoch schon dem Ruf des nächsten Bierhahnes in der Flößerstadt folgt, ist eine sechs Kilometer lange Umrundung des Oberen Lechsees hochgradig zu empfehlen. Wunderbar der Seerundweg, der ausgezeichnete Panoramasichten ermöglicht.
Lechbruck – Leuterschach
Das Allgäu ist ein Regenloch. Schönwetter war bestellt – geliefert wurde Dauerniesel, die Berge einfach verschwunden. Zunächst schade, da eine der schönsten Gebirgspanoramen auf der hybriden Wiesengänger- und Wasserläuferroute angesagt war. So geht es bei bester Luft im alpinen Raum von Lechbruck hinauf nach Gsteig dort wo ein 18-Loch-Feld-Golfplatz in exponierter Lage eingerichtet wurde. Golfen scheint bei diesem Wetter verboten zu sein, Wandern hingegen nicht. Weiter durch die ausladende Allgäuer Almlandschaft vorbei an zahlreichen Aussiedlerhöfen. Streckentechnisch bleibt es auf den ersten sechs Kilometern nicht aus, auf wenig befahreren kleinen Landstraßen zu laufen, jedoch Asphalt hat bei diesem Wetter auch einen Vorteil: es matscht nicht. Am Sennhof wird es interessant, denn wir wandern über den Jägersteig, einem knorrigen Wanderpfad, stetig aufwärts zum Auerberg, dort wo man von der Aussichtsterasse der 1.055 Meter hoch gelegenen St. Georg-Kirche einen grandiosen Panoramaausblick ernten könnte, wenn man könnte.
Zu empfehlen ist durchaus eine Einkehr im nebenanliegenden Panarama-Gasthof auf dem Auerberg, obschon mit einer Zubereitungszeit von fünfundzwanzig Minuten für ein Paar Weißwürste (Auskunft der Servicekraft: die brauchen so lange) die bayrische Standardzubereitungszeit (10 Minuten) schon deutlich überzogen wird. Runter vom Auerberg geht es entlang des Römerweges stetig abwärts. Bei Stötten am Auerberg ist mit 780 Meter das Höhenniveau für das Wanderrestprogramm des Tages bis nach Leuterschach erreicht. Harmonisch die Landschaft, die geprägt ist von den allgäutypischen Almhügeln. So wundert es auch nicht, wenn beispielsweise bei Kohlhunden ein Weiher mit dem Namen Kuhstallweiher belegt ist.
Leuterschach – Nesselwang
Wiesen-Wasser-Löwenzahn – so der thematische Spannungsbogen dieser eindrucksvollen Passage. Gestartet wird in Leuterschach, dort wo die wichtigste Firma des Ostallgäus beheimatet ist. Schon auf den ersten Metern entfaltet sich das bewährte Landschaftspanorama. Grüngelb strahlen die Allgäuhügel in der Sonne. Für viele Gärtner ist der Löwenzahn unnützes Unkraut, jedoch zur Löwenzahnblüte im April und Mai setzt die Allgäuer Symbolblume die passenden Akzente. Vorbei an Wald tauchen wir abwärts ein in den Wertachsteig, einem bemerkenswerten Flußtal entlang der Wertach. Hier ist Natur pur angesagt.
Vom Wertachtal geht es aufwärts nach Bergers. Hier entfaltet sich auf einer Länge von fünf Kilometern eine außergewöhnliche Almenlandschaft, die bis zum Hängesteg zur malerischen Wasserfallkaskade der Wertach führt. Ein Abschnitt, der einmal mehr die hohe Qualität der Allgäuer Wandertrilogiewege bestätigt.
Hinter dem Hängesteg geht es aufwärts, vorbei an einem malerisch gelegenen Wasserfall wieder hinauf in die Welt der Wiesen und Almen. Offiziell verschwenkt hier der kombinierte Wiesgänger- und Wasserläuferweg zunächst nördlich nach Görisried um weiterführend gen südwesten nach Oy zu führen. Da wir uns logistisch für Nesselwang als Tagesziel entschieden hatten, nutzen wir den bestehenden Rundweg gen Wildberg um über einen gangbaren Bypass direkt dorthin einzuschwenken.
Nesselwang – Füssen
Planmäßig sollte die Füssen-Füssen-Runde am letzten Tag mit einem großen Finale abgeschlossen werden. Von Nesselwang hinauf zur 1.575 Meter hohen Alpspitz und via Pfronten über den Grat der Falkensteingruppe abwärts gen Füssen. Jedoch – das Allgäu ist ein Regenloch. Kein Wetterfenster in Sicht – 48 Stunden Dauerregen, so die diesmal zutreffenden Prognosen des Offenbacher Wetterdienstes. Jedoch im Allgäu findet man immer eine Lösung. So setzten wir eine Etage tiefer ein und wanderten von Nesselwang aus über den Kappeler Höhenweg zunächst nach Kappel und weiterführend nach Pfronten, mehr oder minder auf einem Höhenniveau. Wasserreich der Tag nicht nur von oben, auch vom Berg sprudelten Wildbäche kräftig von den Steilhängen herab in das Tal.
Hinter Pfronten wandern wir auf dem Erdgeschoß des Allgäus auf Augenhöhe durch Almwiesen hinab zum Weißensee. Hier ist ein schöner Ufernweg eingerichtet, teils fels- und wurzeldurchsetzt, teils mit schmalen überhängenden Stegen versehen. Vom Weißensee geht es hinüber zum Alatsee um zum finalen Abschluß entlang des Faulbachs unter den massiven Felswände, die sich bis auf eine Höhe von 1.100 Metern hochstrecken, nach Füssen zurück zu wandern.
Füssen – Füssen – ein idealer Einstieg in die Allgäuer Wandertrilogie die in jeglicher Hinsicht Lust auf “mehr” vermittelt. Ansatz- und Verknüpfungspunkte gibt es unzählige. Und bei passendem Wetterfenster stehen allemal die oberen Trilogieetagen ganz oben auf der Wanderliste.
Hinterlasse jetzt einen Kommentar