Taubertal – 18. Juli 2021 Das Liebliche Taubertal in Tauberfranken, ein Klassiker, zumindest für die radelnde Zunft, und das schon seit Jahrzehnten. So ist der Taubertalradweg von Rothenburg ob der Tauber bis nach Wertheim einer von nur zwei bundesdeutschen Radwegen, die vom ADFC mit fünf Sterne geadelt wurden. In der Wandercommunity führt der flussbegleitende Panoramaweg Taubertal eher noch ein Schattendasein. Jedoch, da der Weg auch zum Großteil integrativer Bestandteil des 500 Kilometer langen Weitwanderweges Romantische Straße die von Würzburg bis nach Füssen führt ist, erscheint es vielsprechend die Region unter die Wanderschuhsohle zu nehmen.
Offiziell startet der Panoramaweg in Freudenberg am Main und endet in der Fachwerkensemble-Vorzeigestadt Rothenburg ob der Tauber. Substantiell hat Freudenberg mit dem Taubertal nichts zu tun, einzig der Umstand, dass sich die zwanzig Kilometer von der Taubermündung entfernte Stadt sich der Touristikgemeinschaft Liebliches Taubertal angeschlossen hatte, alimentiert vermutlich die Wanderstreckenführung in die nördliche Mainzone. So ignoriere ich diesen Umstand und starte dort, wo die Tauber in den Main entwässert, nämlich in Wertheim am Main. Wer die nördlichste Stadt Baden Württembergs, über die in diesem Blog schon mehrfach berichtet wurde, noch nicht kennt, sollte auf jeden Fall Zeit für eine Stadtbesichtigung einplanen. Die Wegeführung des Panoramaweges führt entsprechend der Namensgebung von Anbeginn auf die Anhöhen der flussflankierenden Taubertalberge. Schon auf den ersten Kilometern macht man sich mit dem Landschaftsbild der kommenden 130 Kilometern vertraut. Schöne Wanderwege durch kleine Mischwaldgebiete die sich mit weiten offenen Hochplateau-Agrarflächen abwechseln, partielle Ausblicke auf das eingeschnittene Taubertal und vor allem Ruhe, Ruhe und nochmals Ruhe. Acht Kilometer nach Start erreicht man das Kloster Bronnbach. Offiziell führt der Panoramaweg oberhalb des Klosters vorbei, es lohnt jedoch einen Bypass über das Klostergelände zu nehmen.
Hinter Kloster Bronnbach geht es wieder aufwärts, wohlweislich nach dem bewährten Strickmuster: Wald, Wiese, Feld und Flur. Durch das an dieser Stelle enge Taubertal wandet man bei Kilometer vierzehn abwärts nach Gamburg. Oberhalb dieser Taubergemeinde erhebt sich die Gamburg, die mit den ältesten weltlichen Wandmalereien nördlich der Alpen bestückt ist, welche an Wochenenden zu vorgerückter Mittagsstunde besichtigt werden können. Hinter Gamburg erreicht man nach wenigen Kilometern den Apfelberg, das älteste Naturschutzgebiet des Taubertals. Hier sprießen jedoch keine Apfelbäume, sondern Wacholderheiden prägen das dortige Landschaftbild.
Zur besten Mittagszeit ist nach Wertheim die erste größere Stadt am Panoramaweg, Tauberbischofsheim erreicht. Tauberbischofsheim hat sportlich gesehen einen exzellenten Ruf. Olympiastützpunkt, Kaderschmieder für Fechter, Heimat des amtierenden IOC-Präsidenten und zugleich ein Meilenstein (zumindest werblich) entlang der Romatischen Straße. Allerdings, es gibt Städte, die man sofort in das Herz schließt. Tauberbischofsheim gehört, zumindest für mich, nicht dazu. Im Zentrum liegt das Kurmainzische Schloss und das neugotische Rathaus. Die Fachwerks- und Sandsteinbauten sind ordentlich herausgeputzt, die großzügigen Flächen am Marktplatz und entlang der Fußgängerzone jedoch lieb- und leblos gestaltet. Mehr oder minder wurde der Innenstadtbereich steril saniert und strahlt am langen Ende den Charme einer Pathologie aus. Schade, hier hat man gestalterisch viel verspielt.
Der Wanderweg führt in südlicher Richtung aus der Kreisstadt des Main-Tauber-Kreises heraus und hinauf zum Hohberg. Von hier aus hat man weitreichende Aussichtsmöglichkeiten Richtung Distelhausen, einer über die Region hinaus bekannte Bierstadt, und weiterführend gen Lauda-Königshofen. Nach insgesamt 44 Kilometern und 1.110 Höhenmetern ist das erste Etappenziel, der Weinort Beckstein. erreicht.
Zu früher Stunde starte ich im 350-Seelen zählenden Weinort Beckstein, der ringsherum durch Weinberge eingemantelt ist und daher noch zu den weißen Flecken in der Mobilfunkwelt des 21. Jahrhunderts zählt. Bereits am frühen Morgen merkt man, dass man sich hier in eine der wärmsten Regionen Deutschlands bewegt. So liegt die durchschnittliche Regenmenge in Beckstein gerade einmal bei 550mm pro Jahr. Dank Muschelkalk und der leicht gewellten Hochflächen ist die Region zudem prädestiniert für den Ackerbau. Über ein schönes Kopfweidenareal führt der Wanderweg hinauf zu den sonnigen Hängen von Sachsenflur. Auch Napoleon soll hier einst vorbeigezogen sein. Heutzutage genießt man auf dem Panoramapfad weitreichende Blicke in die kultivierte Taubertallandschaft. So bestätigt sich einmal mehr die Namensgebung des Wanderweges – man sammelt entlang der Strecke ganz einfach Panoramen.
Zwölf Kilometer hinter Beckstein ist Bad Mergetheim erreicht. Im Gegensatz zur benachbarten Kreisstadt strahlt Bad Mergetheim einen besonderen Flair aus. Der wohlgefällige historische Marktplatz und der angeschlossene Kur- und Schlosspark nebst Deutschordenschloss prägen eindrucksvoll das Stadtbild der Kurstadt. Die Tauber querend geht es weiter zum benachbarten Städtchen Igersheim um in Anschluss wieder in die sich weiter fortsetzende wunderbare Taubertallandschaft einzutauchen. Während sich am Taubertalradweg im Hochfrequenztakt E-Bikes, Tourenräder, Mountainbikes und sonstige Zweiradgefährte tummeln, genießt man oberhalb der Tauber die Abgeschiedenheit. So begegnete ich im gesamten Streckenverlauf an drei Tagen maximal sechs Wanderer entlang der Wanderstrecke außerhalb geschlossener Ortschaften.
Heute geht es Schlag auf Schlag. Von Bad Mergetheim wandert man über die Hochebene des Tauberbergs zum nächsten Highlight des Tages, nach Weikersheim. Auch hier dupliziert sich das morgendliche Bild. Die Strahlkraft von Weikersheim ist immens. Der historisch geprägte Stadtkern und das omnipräsente Renaissanceschloss nebst dem imposanten Schlossgarten sind das Schmuckkästchen der Stadt. Blöde nur, wenn man montags aufschlägt, denn dann ist Schloss nebst Parkanlage abgeriegelt. So bleibt eben ein Merkposten für eine separate Exkursion. Weiter führt der Panoramaweg, vorbei am historischen Areal des Karlsberges und weiterführend entlang des Bürgerwaldes zu einem weiteren Vorzeigestück der Gesamtpassage, der Stadt Creglingen. Auch hier gilt der Montagsfluch, denn die weltbekannte Herrgottskirche mit dem Riemenschneideraltar hat just auch an diesem Tag geschlossen. Aber das historische Ensemble von Creglingen entschädigt durchaus, und dieser Ort ist eine vortreffliche Wahl für eine Übernachtungsstation.
Der dritte Taubertalpanoramawegstag. Streckentechnisch gesehen wäre nach 23 Kilometer, ergo nach einem gemütlichen Vormittagswalk, das Ende des Panoramaweges in Rothenburg ob der Tauber erreicht. Jedoch, schon logistisch gesehen ist ein Nachschlag durchaus anzuraten. Wenn man vom Bahnhof der mittelalterlichen Stadt zurück nach Wertheim fahren möchte ist man länger als drei Stunden unterwegs, ergo eher ein Fall für Eisenbahnfetischisten. Alternativ, und so auch die Empfehlung des Wanderflyers, ist es von Rothenburg über den Jakobsweg in das 19 Kilometer entfernte Schrozberg zu wandern, was hochgradig bestätigt werden kann. Zunächst geht es jedoch wieder auf die Piste mit Start in Creglingen (Dank an die fürsorgliche Herbergsmutter, die sich davon überzeugen ließ, dass 6.30 Uhr die beste Frühstückszeit ist) Von Creglingen geht es einmal mehr hinauf in die luftige Höhen des Taubertals. Wie Perlen reihen sich die kleinen Weiler an der Tauber aneinander. Craintal, Archshofen, Tauberzell, Tauberschreckenbach, Bettwar. Herzerfrischend der Kommentar einer betagten Bewohnerin in Taubenschreckenbach nach der Frage ob es im Ort einen Bäcker oder einen kleinen Laden gibt “Hier gibt es schon lang nix mehr”. So lieblich das Taubertal, so ausgedünnt die Infrastruktur zwischen den ansehnlichen größeren Ortschaften. Hier genießen die professionellen E-Biker natürlich die Vorteile der Geschwindigkeit, während outdoorerprobte Langstreckenwanderinnen und -wanderer auf die Inhalte ihrer Rucksäcke bauen müssen.
Rothenburg ob der Tauber – der Inbegriff einer einzigartig erhaltenen mittelalterlichen Stadt – weltbekannt, jährlich geflutet von zwei Millionen Touristen, kopiert in Disneyland, geklont in asiatischen Freizeitarealen und Sinnbild deutscher Romantik, die es bei Lichte betrachtet schon lange nicht mehr gibt. Zweifelsohne Rothenburg ist und bleibt das Schmuckkästchen der Republik. So gesehen ist Rothenburg ob der Tauber ein mehr als würdiger Abschluss dieser Panaromawanderung. Quert man die auf dem Plateau gelegen Stadt von Nord nach Süd hat man mehr oder minder alle touristischen Hot-Spots eingefangen. Verlässst man die Stadt an der Südflanke der Spitalbastei so steigt man abwärts zur Doppelbrücke, dort wo man einen der schönsten Blicke auf das gesamte Stadtbild einfangen kann.
Der Rest – streckentechnisch wie anfänglich beschrieben folgt man sinnvollerweise dem Jakobsweg. Oberhalb der Fuchssteige kann man nochmals einen Premiumblick auf die historische Stadt einfangen, bevor man steigungslos über Feld, Flur und Wald nach Schrozberg wandert, um nach 43 vergnüglichen Wanderkilometern und knapp 900 Höhenmetern direkt per Bahn nach Wertheim zurückzufahren.
Einhundertdreißig Kilometer auf dem Panoramaweg Taubertal. Eine eindrucksvolle aber auch außergewöhnliche Tour. Als flussbegleitender Radfahrer hat man nicht zwingend die Möglichkeit das Gesamtbild der facettenreichen Tauberregion in Gänze aufzunehmen. Wanderer hingegen haben die Chance auf einem durchschnittlichen Höhenniveau von 300 Metern naturbelassene Rückzugsflächen zu entdecken und fernab der touristischen Betriebsamkeit der unten liegenden Haupttrasse sich auf eine beschauliche Region einzulassen, gespickt mit feinen Aussichten und bemerkenswerten historischen Ortschaften. Die Fortsetzung liegt natürlich auf der Hand , bereits fertig geplant und in der Wanderpipeline liegend. Die Rede ist von der Romantischen Straße mit Startpunkt Rothenburg ob der Tauber bis nach Landsberg am Lech – wunderbar wanderbare 270 Kilometer in sechs Wandertagen. Man darf gespannt sein.
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