Deutschland, den 23. April 2021 – Die Jagd nach Superlativen, ein Phänomen, welches in vielen Bereichen unserer Gesellschaft Einzug gehalten hat. So auch im Wandersport. Der höchste Gipfel, der längste Weitwanderweg, die härteste Extremwanderung, die urigste Jausenstation, der schönste Wanderweg. So führt alljährlich die renommierte Zeitschrift Wandermagazin einen Wettbewerb unter dem Signet “Deutschlands schönster Wanderweg” durch. Regionen haben dabei die Chance sich zu bewerben, über ein Wahlstudio kann abgestimmt werden und ein sachkundiges Gremium entscheidet final über die Spartengewinner. In 2020 wurde der 45 Kilometer lange Panoramaweg Baden Baden als Deutschlands schönster Wanderweg im Segment Mehrtagestouren prämiert. Grund genug dem Preisträger auf die Spur zu gehen und die Mehrtagestour in eine Tagestour umzuwidmen.
Das mondäne Baden Baden, in der Senke des Oostals gelegen, ist eingebettet in die stark bewaldeten Anhöhen des Nordschwarzwaldes und beeindruckt durch ein vielfältiges und reizvolles Landschaftsbild. Berücksichtigt man das Höhenprofil der Gesamtstrecke, dann ist der Waldparkplatz, der direkt an der cts-Klinik gelegen ist, ein idealer Startpunkt. Hier steigt man direkt in den Panoramaweg ein. Parallel zur Moltkestraße führt der gut gangbare Waldpfad zum Rosenneuheitengarten Beutig. Noch ist es jahreszeittechnisch zu früh für die Rosenblüte, jedoch bereits von hier kann man einen ersten Panoramablick auf das unten liegende Baden Baden erhaschen. Den Waldpfad über den Friesenberg folgend gelangt man zunächst in die obere Etage des Baden Badener Kurgartens, dort wo die mächtige Stourdza-Kapelle steht. Schade dass eine Besichtigung derzeit nicht möglich ist – das Innere der fürstlichen Grabkapelle muss im orientalisch anmutenden Stil ausgestaltet sein.
Von der Stourdzakapelle, führt der Panoramaweg abwärts zu den Kurhausanlagen, dort wo 1842 eine opulente Trinkhalle errichtet wurde und dort wo sich nebenan das Casino Baden-Baden nebst Weinbrennersaal und die Kurhauskolonnaden befinden. Bereits seit dem 18. Jahrhundert wird hier auf hohem Niveau gekurt und flaniert. Am langen Ende waren es aber die baukunstfertigen Römer, die bereits 75 nach Christus, die bis zu 68 Grad heißen Thermalquellen, die hier im Stadtgebiet entspringen, zu nutzen wussten, und somit den Grundstein der Kurstadt legten. Die Innenstadt querend geht es hinauf Richtung Marktplatz. Hier sollte man sich die Zeit nehmen für einen kurzen Rundgang rund um das Friedrichsbad, der Klosterkirche nebst Klosterschule und die sehenswerte und bedeutende Stiftskirche, die jedoch bis Ende 2022 aufgrund einer Innensanierung geschlossen ist.
Sicherlich könnte man viel Zeit für eine ausgedehnte Stadtbesichtung investieren, jedoch auf dieser Tour steht der Panoramaweg im Vordergrund. So geht es aufwärts zum Neuen Schloß einst Sitz der Markgrafen von Baden Baden. Jedoch der Name Neues Schloß ist trügerisch. Das Gelände ist abgeriegelt, die Fassade heruntergekommen und die Pläne hier ein Luxushotel zu errichten sind bis heute noch nicht realisiert worden. Über den Türkenweg und dem Eberbrunnenwegele geht es weiter aufwärts hinauf zum Alten Schloß der Stadt, welches, obschon im Ruinenstand, einen ansehnlicheren Eindruck macht als das marode Stadtschloß. Das Alte Schloß, besser bekannt als Schloß Hohenbaden ist der Einstiegspunkt in die Battertfelsen. Kurzwanderer können das spektakuläre Areal über einen Rundweg der ober- und unterhalb der markanten Felsformationen führt erschließen. Der Panoramaweg führt über den schönsten Streckenabschnitt, dem oberen Felsenweg. Markante Aussichtspunkte, wie die Ritterplatte oder das Bergwachthäuschen garnieren dabei diese eindrucksvolle Passage. Einzig die markante Felsenbrücke ist aktuell geschlossen, da hier ansässige Wanderfalken brüten. Eindeutig sind die Battertsfelsen eine von zwei absoluten Highlights auf der gesamten Passage. So bestätigt sich die Wahl des heutigen Startortes, da einerseits die größte Tagessteigung frühmorgens absolviert wurde und zudem der morgendliche Sonnenstand optimale Lichtverhältnisse für ausladende Rundumblicke über die Kurstadt ermöglicht.
Vom Battertfelsen führt der Furtwäglerweg unterhalb von Ebersteinburg zunächst abwärts zur Engelskanzel und dann hinüber zum Pendant, der Teufelskanzel, beides aussichtsreiche Plätze, die sich für eine erste Frühstücksrast eignen. Unterhalb des 669 Meter hohen Merkurs führt der Panoramaweg zur Talstation der Merkurbergbahn. Hier wäre nach offizieller Leseart auch die erste von insgesamt vier Tagesetappen des gesamten Panoramaweges zu Ende, damit nach zehn Kilometern, gerechnet ab Startpunkt Kurhaus, noch genügend Zeit bleibt um die malträtierten Füße mit Thermal- und Heilwasser zu pflegen und einen Dom Perignon Vintage zum Flaschenpreis von 328 Euro im Restaurant Merkurstüble zu köpfen. Für Langstreckenwanderer hingegen bleibt diese Station lediglich ein durchlaufender Posten auf dem Weg zu Eckhöfe, vorbei an einem ausgedehnten Wildtierpark, dort wo Rotwild und Mufflons angesiedelt wurden.
Hinter Eckhöfe umrundet man den Mastbergle. Oberhalb des idyllisch gelegenen Altenpflegeheims Schafberg eröffnet sich ein neues Panorama über die drei Täler Sauersbosch, Pfrimmersbach und Märzenbach. Hier im Hinterhof von Baden Baden, dort wo sich die Stadtteile Lichtental, Oberbeuern und Geraldsau in die Talausläufer regelrecht ausgebreitet haben eröffnet sich eine andere Welt. Blickt man auf die Karte, so sind diese Weiler die nahtlose städtebauliche Anbindung von Baden Baden. jedoch der Landschaftstextur geschuldet, und um den Hügel geschaut glaubt man sich in einer anderen Welt zu befinden. Ländliche Idylle versus kurstädtische Weltmetropole – krasser könnte der Unterschied nicht sein. So entwickelt sich diese Wanderung zu einer idyllischen Landtour mit hervorragenden Panoramablicken auf die weitreichende Schwarzwaldlandschaft, das ganze eingemantelt in die Dunstglocke einer weltbekannten Kurstadt. Markante Talhänge, eingestreute Weinlagen und allerbeste Wanderwege krönen dabei den weiteren Streckenverlauf. Wandergenuss auf Höchstniveau!
Oberhalb des östlichen Endes von Oberbeuern liegt ein exzellenter Rastplatz für eine zweite Frühstücksrast. Mit phantastischen Ausblickmöglichkeiten über die Lichtental hat ein hier beheimatetes Holzbauunternehmen regelrechte hölzerne Thronsessel geschaffen. Weiter geht es, den Oosbach querend, vorbei an einem großen Forellenhof, der mit einem Hotel, Restaurant und Schlemmerlädele opulent bestückt ist, durch eine abwechslunsgsreiche Waldpassage in einem steten auf und ab oberhalb von Geroldsau zum zweiten absoluten Hightlight der gesamten Passage, zum Geroldsauer Wasserfall.
Am nördlichen Ortsrand von Geroldsau führt der Panoramaweg dem Flußverlauf des felsdurchsetzten Grobbachs folgend, der sanft gurgelnd den nächsten Kilometer bis zu den Geroldsauer Wasserfällen begleitet. Hier gilt einmal mehr, der Weg ist das Ziel. Nicht der sechs Meter hohe Wasserfal,l sondern das idyllisch felsbeplankte Flusstal des Grobbachs ist das wahre Highlight. Strategisch günstig ist am Talende der bewirtschaftete Bütthof gelegen. Was gebe man jetzt für ein eisgekühltes Weißbier wenn die Hütte offen wäre… Am Bütthof ist auch der Wendepunkt erreicht und man wechselt die Flußseite um nun oberhalb des Grobbachtals zunächst zum Weiler Malschbach zu wandern, um dann aufwärts zum Laisenberg zu wandern. Laisenberg, Leisberg, Wurzgartenkopf, Pfeiferskopf. Die Namen der Anhöhen wechseln, jedoch man bleibt mehr oder minder auf der Anhöhe. An der Gelbeichshütte lohnt noch einmal ein Gang hinauf zur Aussichtsplattform. Hier öffnet sich eine neue Blickachse gen Baden Baden. Alternativ zum offiziellen Weg, der über das Waldhaus Batschari führt, der nochmals einen analogen Blick auf die Kurstadt ermöglicht, wähle ich die Passage über die Wernerhütte, die eine neue noch unbekannte Sicht auf die gegenüberliegende Yburg ermöglicht, um nach drei weiteren Kilometern zum morgendlichen Startpunkt zurückzukehren.
Deutschlands schönster Wanderweg 2020 – ein absoluter Volltreffer. Das Meinungsbild der Experten des Wandermagazins, die diesen mehr als beeindruckenden Wanderweg mir ihrer Prämierung auch zu Recht herausgehoben haben, kann man vollumfänglich bestätigen. Der Baden Badener Panoramaweg ist eine hochgradige Empfehlung, ob als anspruchsvolle Tagesrunde oder als genüssliche Viertagestour, so wie es der Touristenverband natürlich am liebsten hätte. Umso erstaunlicher und letztendlich unverständlich ist es, dass die Zertifizierungsexperten des Deutschen Wanderinstitutes diesen Premiumwanderweg mit lediglich 59 von 100 möglichen Punkten bedacht haben. Fast könnte man vermuten, dass die Wegespezialisten, die die zu zertifizierende Wege mit sogenannten Erlebnispunkten nach einem klassifizierten Verfahren bewerten, ausschließlich zwischen Trinkhalle und Spielcasino gependelt sind. Nach der Philosophie des Deutschen Wanderinstitutes sind Premium-Wanderwege Strecken- und Rundwanderwege, die hervorragend markiert sind und einen besonders hohen Erlebniswert aufweisen. “Auf Premium-Wanderwegen ist ein ausgewogenes, schönes Wandererlebnis garantiert. Angenehme Wegbeläge und Pfade, eine ausgesuchte Dramaturgie mit tollen Aussichten, schönen Waldbildern, Gewässern, Felsstrukturen, gepflegten Rast- und Ruheplätzen, kulturhistorischen Kleinoden und vielen anderen Abwechslungen machen die Wanderung auf Premium-Wanderwegen zu einem besonderen Vergnügen.”, so der offizielle Kodex des Wanderinstitutes. Allsamt Punkte, die für den Baden Badener Panoramaweg mehr als zutreffend sind. Es mag natürlich sein, dass, wenn man detailversessen ist, Kernkriterien wie beispielsweise “Weg mühsam begehbar (max. 500m am Stück, max. 5% der Gesamtstrecke) zu systemrelevanten Punktabzügen führen könnten. So sollte man nicht ausschließlich den Zertifizierungsfetischisten folgen sondern sich selbst ein Urteil bilden. Powerwalker Blog vergibt 100 Punkte und 5 Sterne, belegt und ablesbar nach atemberaubenden 48 Kilometern und fulminanten 1.500 Höhenmetern.
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