Macra im Juli 2017 –
„Il buco nero del Europa“ . Valle Maira – das schwarze Loch Europas, gelegen in einem engen Talschlauch der Cottischen Alpen des Piemonts nahe der französischen Grenze. Dort wo pro Quadratkilometer weniger Menschen (2/qkm) als in Alaska (4/qkm) leben, dort wo das höchste Schmetterlingsaufkommen Europas zu verzeichnen ist, dort wo die okzitanische Küche auf piemontesische Weine trifft, dort wo feinstes Wasser scheinbar im Überfluss von den Bergen fließt und dort, wo seit nunmehr 25 Jahren ein außergewöhnlicher Wanderweg, der Percorsi Occitani, ein besonderes Wandererlebnis garantiert.
Der Percorsi Occitani, offiziell P.O. genannt, ist ein Rundkurs über insgesamt 177 Kilometer, der standardmäßig in 14 Etappen aufgeteilt ist. Insgesamt 22 Posta Tappas, urige Unterkünfte mit angeschlossenen Küche, stehen dem Wanderer zur Verfügung, wobei die Slow-Food Bewegung in diesem Landstrich eine besondere Rolle spielt. Ausgezeichnet auch die logistische Struktur im Maira-Tal. Mit dem in Acceglio ansässigen Unternehmen „Sherpabus“, besteht auch die Möglichkeit eines begleitenden Gepäcktransportes. Beste Voraussetzungen also für ein besonderes Wandererlebnis. Im Fokus dieser Wanderexkursion steht dabei der westliche Talabschnitt, inclusive einer talüberschreitenden Hochgebirgswanderung in das Valle Grana zum berühmten Kloster Castelmagno.
Gestartet wird in Macra, ein auf knapp 900 Höhenmeter gelegener Weiler. 1911 waren hier noch 1.058 Einwohner ansässig, heute sind es noch 59. Nach dem Krieg setzte eine regelrechte Landflucht in den Gebirgsdörfern ein. Die Bewohner verzogen sich Richtung Cuneo und Turin. Zurück blieben die Alten und Gebrechlichen. Mittlerweile kehrt der Trend jedoch um und die Täler hinter Cuneo werden langsam wieder als Wochenenddestination bevölkert.
Abenteuerlich die Suche nach der Unterkunft “La Rua” in Macra. Ein schmaler Wiesenstreifen führt vorbei an halbzerfallenen jahrhundertalten Gebäuden zu einem Rifugio. Zwar ist das La Rua kein klassisches Posta Tappa, jedoch bietet das um die Ecke liegende Restaurant Al Bial, mit dem das Haus kooperiert, eine excellente Feinschmeckerküche an, die man hier nicht erwartet hätte.
Dank früher Anreise wird die Gelegenheit zu einer kleinen Akklimatisierungsrunde genutzt. Hierfür bietet sich der Sentiero die Ciclamini an, ein acht Kilometer langer Rundweg. So geht es gemächlich ansteigend hinauf zum Ortsteil Camoglieres, dort wo die St. Pietro-Kirche über Macra trohnt. Auf naturbelassenen Pfaden, flankiert von weißem Sandstein, ist nach gut 45 Minuten eine kleine Oase, die Locanda del Silencio erreicht. Man merkt dass Sonntag ist. Rund um das 1.ooo Meter hoch gelegene Posta Tappa herrscht für Mairatalverhältnisse ein ungewöhnlich reger Betrieb auf der Wanderstrecke und im Außenbereich der sehr gepflegten Lokation. Tagesgäste aus Dronero, Cuneo und Umgebung genießen bei hochsommerlichen Temperaturen die herrliche Umgebung. Wir genießen bei einem kühlen Bierra Moretti aus der konsumfreundlichen 0,66 Liter Flasche das Umfeld, und haben bereits jetzt das beruhigende Gefühl angekommen zu sein. Auf naturbelassenen Pfaden geht es in westlicher Richtung immer noch leicht ansteigend über Macras zum Aussiedlerbereich Langhe, welches in einem Talabschnitt gelegen ist, und von dort abwärts einem Maira-Zufluß folgend zurück nach Macra.
Bereits auf dieser Passage kann man aufnehmen, was man in den nächsten Exkursionstagen zu erwarten hat. Markante Aussichten – eine wasser-und damit blütenreiche Region, uralte Pfade die einst die einzigen Verbindungswege zu den Weilern waren, sakrale Stationen als historische Erinnerungsposten eines strenggläubigen Bergvolkes und zerfallene Steinhäuser mit imposanten Granitdächern, deren morbider Zustand einen besonderer Reiz ausüben.
Zum gelungenen Einstieg ein gelungener Tagesausklang. Zum Abendessen erwartet uns im Restaurant Al Bial eine außergewöhnliche und bemerkenswerte gastronomische Leistung mit einem ausgesprochen freundlichen kompetenten und zuvorkommenden Service. Manch ein Sternekoch könnte hier zu einer Lehrstunde einrücken. Kreativ die Inszenierung der insgesamt fünf Gänge, geschmacklich auf einem hohen Niveau und mit einer passenden Weinbegleitung eine perfekte Abrundung.Ergo beste Voraussetzungen um diese Exkursion als Genußwanderung zu klassifizieren.
Montag, 3. Juli 2017 7.30 Uhr
Am Dorfbrunnen füllen wir unsere Wasserflaschen mit besten Quellwasser – übrigens ein weiterer Pluspunkt auf dieser Passage. Insbesondere im nordwestlichen Abschnitt des P.O. findet man in Abständen von wenigen Kilometern unzählige Möglichkeiten seinen Wasserspeicher zu nachzufüllen. Zunächst folgen wir einem Mairazufluß hinauf zum Weiler Langhe, der auf 1.000 Höhenmeter gelegen ist. Ein Anwesen ist zur Hälfte restauriert, eine Satellitenschüsssel belegt, dass man auch hier im 21. Jahrhundert angekommen ist. Jedoch die umliegenden Häuser sind bereits lange eingefallen und die Natur holt sich das Areal sichtbar zurück.
Durch Lärchenwälder und dichtbewachsenen Hängen geht es permanent aufwärts. Immer wieder zieht der felsendurchsetzte Weg Schleifen und ermöglicht weitreichende Ausblicke gen Osten Süden und Westen. Mit jedem Kilometer eröffnen sich neue Sichtachsen in das mittlere Mairatal. Bald erblickt man vom weitem die markante Kirche von Sankt Martino Superiore. Kurz danach ist der Weiler Caudano erreicht, dort wo in der Ortsmitte ein 600 Jahre altes Lazarett, welches im Mittelalter auch als Pestasyl genutzt wurde das Erscheinungsbild der Kommune prägt. Das Bellen eines einsamen Hundes, eine alte Frau die in einem Gärtchen ihre Pflanzen gießt und das Plätschern des Brunnens bleiben die einzigen erlebbaren Spuren vorhandener Zivilisation.
So geht es weiter taleinwärts zur Kirche San Peyre, die an einem Felssporn gelegen einen idealer Rastpunkt darstellt. Von hier aus kann man hervorragend die Gebirgslandschaft des Mairatals studieren. Richtung Talboden schlängeln sich kleine Weiler an Weiler, punktuell verstreut die obenliegenden Häuseransammlungen, die meisten davon marode und verlassen, gegenüber liegend der sichtbare Taleinschnitt des Nachbartals Valle Grana bis hin zu den entfernt liegenden ligurischen Gebirgszügen – ein visueller Vorgeschmack auf die Ausblicke der nächsten Exkursionstage.
Naturbelassen die Pfade, in Höhensenken steht die bei hohen Temperaturen die Luft, Insektengeschwader begleiten uns permament als Preis für den noch vorhandenen Bergfrühling. Auf der anderen Seite bereichern immer wieder Schmetterlingsschwärme das Wandererlebnis. Bald ist San Martino Inferiore erreicht. Hier endet normalerweise nach 15 Kilometern die erste Etappe, jedoch nicht für uns. Mit der Zielsetzung eine tagesfüllende Wanderung zu absolvieren, geht es weiter Richtung Elva. Knapp drei Stunden Gehzeit und noch mehr als 600 Höhenmeter im Anstieg sind von hier aus einzuplanen.
Durch den Colle Bettone führen immer wieder steile Abschnitt aufwärts zum Colle San Giovanni. Neue Perspektiven eröffnen sich von hier oben. Linker Hand blickt man hinab auf die spektakuläre Elvaschlucht, auf zwölf Uhr gelegen blitzen die ersten Felswände der französischen Alpenkette durch, nordwestlich streckt sich die über 3.000 Meter hohe markante Spitze des Monte Chersogno in den Wolkenverbund und nördlich begrenzt ein über 2.400 Meter hoher grünbewachsener Gebirgszug das Mairatal, auf dessen Grat man in das Valle Varaita hinabblicken könnte.
Vom Colle San Giovanni geht es hinab nach Elva, ein berühmt-berüchtiger Gebirsort. Elva hatte einst Weltruf. Armutsbedingt zogen Barbiere durch die Landstriche, schnitten den hier lebenden Frauen gegen Geld die dichten Haare ab, die zu kunstvollen Echthaarperücken verarbeitet wurden. So schmückten sich amerikanische und englische Richter mit Perücken aus Elva. Die Haare, die die Haarsammler einkauften wurden fiskalisch nicht als steuerpflichtige Ware angesehen. So wurde in Elva per se keine Steuer entrichtet. Elva in Italien bald den Ruf, die ärmste Gemeinde des Landes zu sein, da nach den kommunalen Gepflogenheiten keine Steuer entrichtet wurde. Heute kann man die Geschichte rund um das Haar in einem kleinen Dorfmuseum besichtigen. Legendär auch die Geschichten die sich um das gemeindliche Leben ranken. Zwischenmenschliche Probleme wurden grundsätzlich selbst gelöst, Polizeieinsatz war weder erwünscht noch erforderlich.
Nach guten 26 Kilometern und 1.715 Höhenmetern ist die erste Etappe absolviert. Zwei Kilometer außerhalb von Clari erwartet man uns in der Posta Tappa L,Artisan. Mit einer kreuzehrlichen okzitanische Küche beenden wir einen ereignisreichen aber auch anstrengenden Wandertag.
Dienstag, 4. Juli 2017 08.15 Uhr
Es kostet schon Überzeugungskraft den Betreiber des Posta Tappas davon zu begeistern, bereits vor 08.00 Uhr mit dem Frühstück zu starten. Wunsch war 07.00 Uhr, man einigt sich auf 7.30 Uhr. Ursprünglich geplant war eine Schleife außerhalb des offiziellen P.O. und Aufstieg zum 3.000 Meter hoch gelegen Monte Chersogno. Jedoch die Einsicht, dass angesichts eines dichten Wolkenverbundes oberhalb von 2.400 Meter Höhe eine Besteigung des markanten Gipfels nicht zweckmäßig ist und alternativ der klassische Gang auf dem Percorsi Occitani Richtung San Michele als Entspannungswanderung nach einem anstrengenden Wandertag eine durchaus sinnvolle Alternative ist, starten wir am zweiten Tag auf dem ausgeschilderten P.O. Weg mit Hauptrichtung Ussolo.
Vom Weiler Clari führt die Passage auf einer Teerstraße zunächst nach Chiosso Superiore. Hier am Talende hat man zwei Möglichkeiten. Entweder hinauf zum Monte Chersogno, oder dem klassischen P.O. Richtung Colle San Michele folgend und zwar steil – sehr steil hinauf. Dank dichtem Lärchenbewuchs ist man am Nordhang abgeschirmt vom Sonnenbeschuss, jedoch der Anstieg auf 2.000 Höhenmeter ist schweißtreibend, zudem an diesem Tag auf dieser Höhe des Thermometer über 21 Grad klettert. Am Colle San Michele wählen wir eine Variante. Einer Empfehlung der Wanderexpertin Bruna Sardi aus Macra folgend, haben wir im Ortsteil Allimandi im Agritourismo Chersogno eingebucht – im Nachgang eine folgerichtige Entscheidung.
Angesichts der kurzen Strecke erreichen wir schon zu früher Mittagsstunde Allimandi. Die beste Gelegenheit um abzusteigen nach St.Michele, dort wo man allerbestens in der regional bekannten Locanda La Tano di Griech einkehren kann. Der Abstieg nach S. Michele – ein Brutalabstieg wenn man den Spuren des Trampelpfades folgt. Die Locanda selbst ist in einem reich geschmückten historischen Haus untergebracht und ein sehenswerter Pendant zur schräg gegenüber befindlichen Kirche, die ebenso über ein farbenfrohes Hauptportal verfügt. Zur Mittagszeit wird das Restaurant von Einheimischen und Handwerkern aus der Region frequentiert – ein gutes Zeichen dafür, dass man hier richtig aufgehoben ist. Nach einer ausgedehnten Mittagsrast entscheiden wir uns auf der etwas längeren Asphaltschleife in das 150 Meter höher gelegene Allimandi zurückzukehren, um den Tag im Agriturismo Chersogno ausklingen zu lassen.
Das Anwesen ist sehr gepflegt und mit viel Liebe zum Detail instand gesetzt. Stolz – und das zurecht- zeigt uns der Seniorchef in einer Bilderserie die zehnjährige! Restaurations- und Erweiterungsarbeiten. Abends erwartet uns ein hervorragendes fünfgängiges Menü, wobei man angesichts der Portionen vermuten könnte, dass am Folgetag eine Marathonwanderung ansteht. Zum Finale ein Brand aus der Region, ein Genepy – ein Destillat aus einer Edelraute die auf 1.600 Meter Höhe wächst, mit dem Anmut einer reinigenden Kräutermedizin. Mit geruhsamen 15 Kilometern und überschaubaren 758 Höhenmetern, unterlegt mit einer genußreichen Verpflegung, endet dieser abwechslungsreiche Wandertag.
Mittwoch, 5. Juli 2017 08.00 Uhr
Nach dem Müßiggang des Vortages ist heute wieder Arbeit am Berg angesagt. Lagebedingt wird ein Wegevariantenwechsel eingeplant. Statt wie ursprünglich vorgesehen in das 1.000 Meter tief gelegene Stroppo hinabzusteigen, um anschließend wieder auf den 2.050 Meter hohen Pass Punta Culour zu steigen, heißt es zunächst zurück nach Castiglione, um von hier aus permanent aufwärts steigend den Pass zu erklimmen. Traumhaft die Pfade, ringsherum explodiert die Pflanzenwelt, jedoch eine Hitzeglocke legt sich über den Piemont mit der Konsequenz, dass oberhalb von 2.000 Höhenmetern mehr als 22 Grad gemessen werden.
Nach vier Stunden ist der höchste Punkt der Tour geschafft. Auf den Weg Richtung Saretto eröffnen sich weitreichende Sichtachsen über weite Agrarflächen, bevölkert von zahlreichen wohlgenährten weißen piemontesischen Rindern. Beeindruckend auch die Panoramablicke in das tief unten gelegene Acceglio im Herzen des Mairatals. Bald ist die Höhenkirche San Maurizio erreicht. Einer nachfolgende Geröllpassage am Hang, die eine kostenlose Fußzonenreflexmassage ermöglicht, ist nach einer Stunde das knapp 1.600 Meter hoch gelegene Saretto erreicht.
Direkt am Weg stößt man auf die bekannte Locanda die Diego. Das Restaurant wird auch gerne von der heimischen Bevölkerung frequentiert – gut besetzt daher auch das urgemütliche in einem Felskeller eingearbeitete Restaurant. 23 Kilometer und 1.321 Höhenmeter auf aussichtsreichen Pfaden machen hungrig. Eine schmackhafte bodenständige okzitanische Küche schließt diesen ereignisreichen Wandertag ab.
Donnerstag, 6. Juli 2017 08.00 Uhr
Wenn man wollte könnte man über Chiappera zum Talende, dem Campo Base, und auf der anderen Talseite weiter Richtung Viviere wandern – wollen wir aber nicht. Campo Base, Sammelpunkt für Camper, Radfahrer Mopedfahrer und Grenzgänger, ein abschreckender Rummelplatz und besonders störend wenn man die Stille des Valle Maira genießen möchte. So fiel bereits bei Tourenplanung die Entscheidung leicht, von Saretto direkt in die Hochebene Gardetta einzutauchen mit Endziel La Meja.
Man quert Saretto um auf der anderen Talseite an einem schön angelegten Campingplatz einzusteigen um den Höhenzug Colle Ciarbonet auf 2.206 Höhenmeter gelegen zu erklimmen. Prädikat der Wegesführung: „Spektakulär“ Felsdurchsetzte Pfade, kleine Erdhügel die mit Langgräser bewachsen sind, naturbelassene Wege mit abwechslungsreichen Passagen – die Textur des Weges lenkt fast davon ab darüber nachzudenken, dass man sich permanent aufwärts bewegt. Nach eineinhalb Stunden ist der Colle erreicht. Von hier aus gilt: Perspektivenwechsel.
Auf alten Militärstraßen geht es von an in Schleifen zunächst abwärts auf 1.800 Meter Höhe. Auf den gegenüberliegenden Flanken kann man die Höhenzüge der Nachbartäler Valle Grana und Valle Stura erblicken. Oberhalb von Pratorotondo und Viviere bietet sich eine kleine Stallung als idealer Rastpunkt an, bevor es in brütender Hitze zum Tagesschlußanstieg zum 2.416 Meter hoch gelegenen Passo delle Gardetta geht.
Auf dem Weg nach oben passiert man alte Bunkeranlagen, die damals zu Verteidigungszwecken errichtet wurden. Nach eineinhalb Stunden ist die Hochebene Gardetta erreicht und es eröffnet sich ein neues Sichtfeld mit dem markanten Solitär Rocca la Meja im Mittelpunkt. In zehn Minuten ist von hier aus die Posta Tappa Gardetta erreicht. Das Gebäude ist in einem ehemaligen Kasernentrakt untergebracht, welches 1991 restauriert wurde. Das Areal liegt in exponierter Lage und ist ein beliebter Treffpunkt für Wanderfreunde und Mountenbiker, die hier einen idealen Rast- bzw. Tagesendpunkt vorfinden.
Wir genießen bei einem guten italienischen Wanderbier die Aussichten bevor wir zum Tagesziel, der Posta Tappa Las Meja, am Fuße des Rocca la Meja aufbrechen. Hier bewirtschaftet die Familie Colombero seit 1991 das Agrartourismo. Weit über die Grenzen des Tals hinaus bekannt sind die Kochkünste von Mama Giovanna – aus diesem Grunde ist auf Fälle La Meja dem ein Stunden entfernten Rifugio Gardetta vorzuziehen. Bei einem Gläschen Genepy komme ich abends ins das Gespräch mit einem Sohn von Giovanna. Er berichtet, dass Politiker darüber nachdenken, die hier befindlichen Wirtschaftswege an Wochenenden für den Autoverkehr zu öffnen. Wir sind uns darüber einig, dass solch eine Entwicklung verheerend wäre für die grundsätzliche infrastrukturelle Entwicklung unter dem Signet eines sanften Tourismus.
Freitag 7.Juli 2018 08.00 Uhr
Nach einem für italienische Verhältnisse ungewohnt variantenreichen Frühstück starten wir wie üblich am frühen Morgen mit einem moderaten Anstieg hinauf zum 2.420 Meter hoch gelegenen Colle Margherina. Hier verlassen wir den Percorsi Occitana um dem GTA Richtung Castelmagno im Valle Grana zu folgen. Wir stoßen hinter dem Grat auf die Kasernenruinen von Bandia und begegnen Gedenkstätten für Kriegsopfer. Auf einem drei Kilometer langen Abschnitt ist nun alternativlos Asphalteinsatz angesagt, kein Vergnügen bei Temperaturen oberhalb von 21 Grad auf 2.400 Meter Höhe. Am Colle dei Morti tummeln sich Rad- und Mopedfahrer. Auf der Passhöhe befindet sich eine Steinskulptur für den italienischen Radrennfahrer Marco Pantani. Am etwas unterhalb gelegenen Colle del Vallonetto steigen wir auf einen Alpenhöhenweg ein und genießen ein spektakuläres Alpenpanorama. Nordwestlich dominiert der mächtige Monte Viso, der höchste Berg der Cottischen Alpen.
Nach der ausgedehnten Höhenwegspassage geht es steil abwärts, immer dem GTA folgend. Nun befinden wir uns im Valle Grana. Schon vom weiten kann man das berühmte Kloster San Magno erblicken. Doch zunächst führen sehr steile Serpentinen durch die gras- und steindurchsetzten Flanken hinab Richtung Castelmagno. Abstiege sind oftmals beschwerlicher als Aufstiege – in diesem Fall trifft es allemal zu. Das Kloster Castelmagno ist mehr als 1.000 Jahre alt und ein berühmter Wallfahrtsort und entstand auf den Resten eines antiken römischen Tempels. Besonders sehenswert ist die alte Kapelle, die sich hinter dem Altar befindet mit den instand gesetzten Fresken.
Aber nicht nur durch das Kloster sondern auch durch den berühmten Castelmagnokäse ist die Ortschaft weit über die Landesgrenzen bekannt. Der Käse wird aus Kuhmilch mit Beigabe von etwas Schafs- oder Ziegenmilch hergestellt, deren Fett abgeschöpft wird. Auf Empfehlung von Bruna Sardi aus Macra (mille mille gracie Bruna!) haben wir uns für das seit drei Jahren eröffnete Rifugio Le Meiro in Castelmagno entschieden. Hier wird übrigens auch der Castelmagnokäse produziert, der als erster italienischer Käse das Gütesiegel D.O.P. erhalten hat.
Wir erhalten eine exklusive Führung in die Reifekeller, dort wo der Castelmagnokäse gehegt, gedreht und gewaschen wird. Innerhalb des ersten Jahres verliert ein Sieben-Kilokäselaib 15% seines Gewichtes, was unter anderem auch den hohen Preis für den Delikatesskäse alimentiert. Die Krönung des Tages ist das Abendessen. Sechs fulminante Gänge, erlesene Speisen mit Kräuter und Zutaten die in der Region wachsen (so ließ es sich der Küchenchef nicht nehmen aufgrund einer Nachfrage welche Zutaten er für ein Kräuteromlett verwendete in den Garten zu steigen um fünf Minuten später die eingesetzten wohlriechenden Kräuter am Tisch im Original zu präsentieren), dazu eine passende Weinempfehlung (ein fünf Jahre alter piemontesischer Langhe Nebbiolo). Kurzum ein perfekter Ausklang für eine gelungene Genußwanderung.
Samstag 8. Juli 08.00 Uhr
Auch zum Frühstück überrascht uns der Küchenmeister mit einer regionaluntypischen Variante – Rührei mit Speck, optimale Grundlage für eine nochmals anstregende Tour zurück nach Macra. Am heutigen Tag steht ein knackiger Anstieg und der längste Abstieg mit knapp 1.527 Höhenmetern auf der Agenda, das Ganze unterlegt mit Temperaturen von bis zu 32 Grad in der Spitze. Bereits am Vorabend wurde uns angeboten das wir mit dem Auto zum 150 Meter höher gelegenen Kloster San Magno gefahren werden, was wir aus moralischen Gründen jedoch ablehnen.
So starten wir bestens präpariert um dem GTA folgend hinauf zum Kloster zu steigen, wo wir uns am dortigen Brunnen mit Klosterwasser versorgen. Bereits um 8. Uhr zeigt das Termometer auf 1.900 Meter Höhe 21 Grad an – Tendenz steigend. So geht es auf steilen Pfaden in praller Sonne aufwärts zum Monte Grosetta. Trotz hohen Temperaturen erreichen wir zügig die Anhöhe um von hier aus die gegenüberliegende Flanke zum Grand Serra in Angriff zu nehmen. Die Wildblumen sind hier regelrecht explodiert, entsprechend begleiten uns Geschwader von Insekten auf den nächsten Kilometern.
Man merkt dem Streckenverlauf an, dass diese Passage seltener begangen wird. Am Monte Bastia ist der Scheidepunkt erreicht – von nun an geht es bergab. Die Höhenzüge der Cottischen Alpen, allen voran die des Valle Maira und Valle Varaita bauen sich auf der gegenüberliegenden Seite mächtig auf. Extrem steil die tief absteigenden Flanken die sich unmittelbar am von uns begangenen Grat befinden. Jedoch die Streckenführung ist in toto gut gangbar.
Nach einem steileren Abschnitt am Grand Fumei geht es auf moderaten Wegen abwärts Richtung Castellaro. Die Zahl der Brunnen nimmt zu, gute Gelegenheit Frischwasser aufzunehmen. Gegen 14 Uhr erreichen wir Celle di Macra und nutzen die Gelegenheit vor dem Schlußanstieg einzukehren, um ein erfrischendes Wanderbier aufzunehmen. Der Rest der Passage – eine 90minütige Kür. Auf naturbelassenen Passagen stoßen wir hinter Celle di Macra wieder auf den Percorsi Occitani um dann parallel mit dem Bedale di Celle, der in der Maira entwässert, abzusteigen nach Macra.
Nach sechs spannenden Wandertagen mit 128 abwechslungsreichen Kilometern und 7.142, mitunter schweißtreibenden. Höhenmetern, haben wir unseren Ausgangsort Macra wieder erreicht. Herrliche Wegestrukturen, fulminante Ein- und Aussichten auf jeder Passage, eine naturbelassene Region – gangbar gemacht auf historischen Pfaden, wunderbare Herbergen, gastfreundliche und zuvorkommende Menschen, eine ausgezeichnete okzitanische Küche, eine reiche und bewegende Geschichte in einer dünn besiedelten Region, ein schmackhaft weiches Gebirgswasser – das alles zeichnet das Mairatal aus. Bleibt zu hoffen, dass hier und in den angrenzenden Nachbartälern die moderate touristische Entwicklung in Form des “sanften Tourismus” bewahrt werden kann. Valle Maira – eine besondere Empfehlung für alle Wanderfreunde mit Genußambitionen, die sich abseits des Mainstreams bewegen wollen. Fortsetzung in dieser Region – nicht ausgeschlossen. Möglichkeiten neue “alte Wege” zu beschreiten gibt es hier zur Genüge.
Super Bilder, spannender Bericht.
Danke, Martin, ich platze vor Neid 😉
Danke Wilhard, die Tour hätte Dir auch Spaß gemacht. Viele Grüße nach Soest – Martin
. . la val Maira nasconde migliaia di particolari , a dir poco poetici . Non basta una vita per scoprirli tutti . .
Tante gracie!! Nel vero senso della parola.
Toller Bericht und ganz ausgezeichnete Bilder!
Super Bericht, der mich unsere Wanderung letzten Monat in weiten Zügen genussvoll nachvollziehen lässt. Und wir sind Wiederholungstäter ;o)
Und absolut überragende Bilder! Darf ich fragen, mit welcher Kamera…?
Danke für die Blumen. Ich nutze eine Canon Vollformat mit 70-200 mm und additiv eine Sony RX 100III 24-70 um den Objektivwechsel zu reduzieren
Danke für diesen schönen Bericht.
Eine Frage dazu: Ich möchte im Juni dort hin und möglichst die 13 Etappen wahrscheinlich alleine gehen. Bekommt man immer Unterkunft oder muss man reservieren?
Hallo Evelyn, die Posta Tappas sind im Regelfall nicht für „Überraschungsgäste“ eingerichtet. Eine auch wetterlagenbedingte kurzfristige Reservierung ist jedoch im Allgemeinen unproblematisch. Viel Spaß im vielleicht schönsten Tal der Region wünscht Martin
Hallo,auch ich plane im Juli 2020 2 Wochen Wandern im Mairatal.
Meine Frage ,habt ihr alles selbst organisiert???
Vielen Dank für die tollen Bilder
Mfg Hildegard
Hallo Hildegard, die talüberschreitende Tour in dieser Konstellation ist selbst geplant. Logistisch hat mich Bruna Sardi aus Macra unterstützt. Bruna kann alle Reservierungen inclusive Sherpatransport arrangieren und auch kürzere/ individuelle Passagen zusammenstellen. (http://www.infovallemaira.eu/vallemaira_wanderntour.html) Viel Spaß in dieser wunderbaren Region -Martin-