Offenbach, den 30.November 2014.
Offenbach – vielgescholten, insbesondere von der großstädtischen Nachbarkommune, gehört zumindest in der erweiterten geostrukturellen Randlage zum Vorderen Odenwald. Geologen vertreten mittlerweile die Meinung, dass wohlweislich geologische und tektonische Schmauchspuren erkennbar sind, sodass die Rodgauer Region letztendlich dem Odenwald zuzuordnen ist. Zumindest hat der Odenwaldklub einen seiner Hauptwanderwege (No. 19) in der Hauptstadt des Leders eingesetzt. 150 Kilometer führen auf wohlmarkierten Wegen (Blaues Quadrat auf weißen Spiegel) vom Vorderen Odenwald in den Kleinen Odenwald nach Eppingen.
Im Rahmen eines neuen Wanderprojektes ist es Ziel, in fünf Etappen den Hauptwanderweg nebst sehenswerten Kultur- und Landschaftsgütern tiefer zu ergründen, wohlweislich unter Einbeziehung des öffentlichen Nahverkehrs, was auch eine Herausforderung sein kann.
Die erste Etappe startet in Offenbach am Main. Frühmorgens erfolgt die Anreise per S-Bahn zur Haltestelle OF-Marktplatz, dort wo noch von den Spuren der Nacht gezeichnete Nachtschwärmer in einem nicht mehr taufrischen Zustand vor sich hindämmern. Immerhin knapp vier Kilometer entlang der Offenbacher Waldstraße sind bis zum eigentlichen Startpunkt des Wanderweges zu absolvieren. Analog der Berliner Friedrichsstraße ist die Waldstraße ein Spiegelbild der divergierenden Offenbacher städtebaulichen Kultur. Moderne Bauten im Zentrum versus baulicher Altlasten kennzeichnen den Wegeverlauf. Aufgeräumte Straßenzüge versus Schmutzecken, moderne Geschäfte versus multinationaler Lädchen, die einen eigenen Charme ausstrahlen.
Der Hauptwanderweg No.19 setzt im Areal Tempelsee ein, dort wo auch die Offenbacher Waldroute kreuzt. Auf einem unspektakulären geradeaus verlaufenden ebenen Waldpfad geht es, die A3 unterquerend, zum 3,5 Kilometer entfernten Heusenstamm, bei erfrischenden novembertypischen 3 Grad. Die Bäume haben die bunten Blätter abgelegt, Zeit nun, die Baumskelette zu studieren. Rasch ist das Heusenstammer Schloß erreicht, welches 1663 errichtet wurde und nunmehr neben einer Restauration das Rathaus beherbergt. Vorbei geht es an der markanten Barockkirche St. Cäcilie, die ein gewisser Balthasar Neumann 1739 errichtete.
Weiter führt der Trail über die Bieber durch den Klosterwald nach Patershausen, Das Hofgut Patershausen ist eine regelrechte Sandsteintrutzburg und war ursprünglich ein Benediktinerkloster, 1252 umgewandelt in ein Zisterzienserkloster, aufgehoben in der Reformationszeit und gewandelt in Wirtschaftsgebäude Mitte des 18. Jahrhunderts. Der Eingang wird von einer Grabplatte einer gewissen Elisabeth Brendel von Homburg, Mutter des Sebastian von Heusenstamm verziert. Der heute bewirtschaftete Demeter-Landbau führt als Spezialität das Fleich vom Angusrind. Im Sommermonaten öffnet das Hofgut seinen Biergarten- eine hervorragende Adresse, die man sich merken sollte.
Scheinbar ist dieses Areal beliebt bei Hundebesitzern, Walkern und Nordic-Walking-Gehern wie die erhöhteb Frequenz am Sonntagmorgen belegt. Weiter geht auf ruhigen Waldwegen vorbei an Dietzenbach, Richtung Waldacker zum 50.Breitengrad. Für knapp 100.000!! Euro wurde eine Anlage installiert, die auch Teil der Regionalparkroute ist. Wie an einer Perlenschnur sind Städte und Gegenden u.a. das Altai-Gebirge, Kiew, Lands End, Vancouver aber auch Aschaffenburg und Mainz beschrieben, an einem Edelstahlband aufgereiht und mit Stelen verbunden. Das Band endet an einem Verschluss, dessen Mittelpunkt der Breitengrad ist. Anreiz um über eine 50. Breitengradwanderung von Aschaffenburg nach Mainz nachzudenken.
Weiter geht es nach Ober-Roden, welches im Zuge der Gebietsreform 1976 gemeinsam mit Urberach zur Retortenstadt Rödermark umfirmiert wurde. Selbst auf dem Wanderfahrplan des OWK zum markierten Hauptwanderweg sind keine nennenswerten Sehenswürdigkeiten und Informationen hinterlegt, so dass lediglich die Einkehr in das sehr zu empfehlende Traditionslokal “Zum Löwen” mit bodenständiger Hausmannskost besonders zu erwähnen ist. Auf angenehmen Waldpfaden geht es auf heimischen Gelände zur Eppertshäuser Thomashütte, eine sehr zu empfehlende Ausflugslokation im Wald, beliebt sowohl in der Offenbacher als auch in der Dieburger Region.
Abweichend von der markierten Strecke wählen wir einen Bypass um im Naturschutzgebiet Rallenteich die alte mittlerweile mit Wasser gefüllte Tongrube zu besichtigen. Die Tonverarbeitung geht bis in das 17. Jahrhundert zurück. Die Abgabe erfolgte durch die Bürgermeisterei mit einem Tonabgabeschein für ein- und zweispännige Fuhren oder waggonweise gegen Entgelt. Die Arbeit der Tonhäfners vom Stechen bis zum Brennen war sehr mühsam. Der Verkauf der Waren als Erdenes Geschirr erfolgte nicht nur auf der rankfurter Dibbemess sondern bis nach Holland und den Bodensee. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts arbeiteten im Dorf in der Spitze 34 Töpfer und drei Ziegeleien. Mit der Einführung der keramischen Massenfertigung war das Ende der heimischen Tonindustrie jedoch besiegelt.
Nachdenklich ziehen wir weiter zur letzten Jausestation im Münsterer Freizeitzentrum. Bei mehr als zivilen Preisen ist diese am Wanderweg liegende Einkehrmöglichkeit glattweg eine Empfehlung. In der Gesamtbetrachtung ist bezüglich der Wegebeschaffenheit die Strecke unspektakulär. 32 Kilometer, 240 Höhenmeter ein angenehmer Einstieg in den Odenwälder Hauptwanderweg. Ziel der nächsten Exkursion auf dieser Strecke ist das im Vorderen Odenwald gelegene Brensbach, einschließlich einer Querung des Otzberger Vulkankegels.
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