Gulpen, 10. November 2022 – “Eine Warnung vorneweg: Nehmen Sie diese Wanderung nicht auf die leichte Schulter! Der Trail wurde sorgfältig geplant und ist auch für geübte Wanderer eine Herausforderung. Die Gipfel erreicht man oft nur über richtige “Wadenbeißer. Mal meilenweit leicht ansteigend über ein Plateau, dem Wind ausgesetzt, dann wieder steil bergab schlitternd durch dunkle Wälder oder einem gefährlichen Abgrund entlang. Vergewissern Sie sich, dass Sie in guter Verfassung sind, und bleiben Sie zu Hause, wenn Sie Höhenangst haben oder nicht trittsicher sind.” Beeindruckend die markanten Hinweise im Wanderführer des Dutch Mountain Trails, der härtesten Wanderung, die man in den Niederlanden absolvieren kann. Seven Summits in Zued-Limburg dazu der höchste Gipfel der Niederlande, so das Tourenprogramm von Eygelshoven bei Kerkrade bis nach Maastricht, auf einer Strecke, “dort wo die Höhenluft nie ausgeht und Alpweiden, reißende Bäche, schroffe Felswände und natürlich spektakuläre Aussichten” nur darauf warten entdeckt zu werden.
Eygelshoven – Vaals
Startpunkt dieser alpinen Exkursion ist der Bahnhof Eygelshoven Markt, welcher in fünfzehn Minuten Fahrzeit vom Aachener Hauptbahnhof erreicht werden kann. Jahrzehntelang lang prägte die Suche nach dem “Schwarzen Gold” die Region und am langen Ende natürlich auch die ein oder andere Hügelbildung in der südlichsten Region der Niederlande. Vom Bahnhof geht es zunächst in westlicher Richtung zum ersten der offiziellen Seven Summits, dem 225 Meter hohen Wilhelminaberg. Der offizielle Weg führt durch einen Waldabschnitt oberhalb des Kasteels Strijthagen. Schöner ist es jedoch direkt am Seeufer des Kastells entlangzuwandern, um zudem den Wilhelminaberg nicht von der bewaldeten Bergseite zu erschließen, sondern über die längste Treppe der Niederlande, dort wo bereits zu früher Morgenstunde sportlich Ambitionierte ihre Wadenmuskeln stählen.
Vorbei an der längsten Indoor-Skihalle der Welt, die auf der ehemaligen Kohlenhalde eingebracht wurde, schlängelt man sich über enge Pfade abwärts, weiterführend vorbei am Ortsrand von Kerkrade dort wo eine der neuesten Zoos in Europa, der 2005 eröffnete GaiaZoo, liegt. Hier merkt man, dass viel investiert wurde, um die ehemalige Bergbauregion zu rekultivieren. Hinter dem Zoo erschließt sich ein schöner Naturabschnitt mit dem sehenswerten Kasteel Ehrenstein. Entlang des Amstelbachs wandert man auf einem herrlichen bewaldeten Bachareal vorbei an der idyllisch gelegenen Wasserburg Haus Heyden entlang der deutsch-niederländischen Grenze. Als Gebietsfremder ist man sich nicht immer sicher auf welcher Seite man sich aktuell befindet, was jedoch unerheblich ist, dann was man hier spürt – in dieser Region wird Europa in Reinkultur gelebt.
Hinter Orsbach, einer nordrheinwestfälischen Grenzzipfelgemeinde, wandert man auf einem schönen Panoramaweg hinauf zum zweiten Summit, dem 256 Meter hohen Schneeberg. Nach Auswertung des aktuellen Kartenmaterials liegt der zweite Hügel des Dutch Mountain Trails eindeutig auf bundesdeutschem Gebiet, jedoch kann man unter dem Aspekt “Seven Summits – one Europa” geflissentlich über diesen territorialen Aspekt hinwegsehen. Vom Schneeberg wandert man abwärts, quert den Aachener Golfplatz und schwenkt ein, hinab nach Vaals, dem Tagesziel der ersten Etappe.
Vaals – Gulpen
Ein Seven-Summit-Gipfel steht auf der zweiten Etappe offiziell an, in Wirklichkeit sind es jedoch zwei Gipfel, die absolviert werden. Klingt seltsam – ist aber so und offenbart einen augenscheinlichen Webfehler in der Streckenplanung. Vaals, die niederländische Grenzgemeinde ist der Einstiegspunkt dieser Tour und Eingangspforte zum Dreiländereck, hinauf zur höchsten Erhebung der Niederlande, dem Vaalser Berg. Nicht nachvollziehbar ist es zunächst wieso der Vaalser Berg aus den Seven Summits des Dutch Mountain Trails ausgeklammert wurde. Gab es ein Kompensationsgeschäft mit den Deutschen (tausche Schneeberg gegen Vaalser Berg)? Liegt der Vaalser Berg über der Sauerstoffgrenze? Wird der Vaalser Berg, da kein ausschließlich niederländischer Solitär, nicht als vollwertiger Berg angesehen? Fragen über Fragen, die erst nach dieser Tour aufgelöst werden konnten. Der touristisch geprägte Hügel ist von Vaals aus leicht zu erschließen. Komfortabele Wege führen hoch zum höchsten Berg der Niederlande. Oben am “Drielandenpunt” haben alle drei Länder ihre Spuren hinterlassen. Die Belgier haben sich mit einer Pommesbude und einem Aussichtsturm verewigt, die Niederlande haben ein Labyrinth nebst Taverne errichtet und Deutschland… Deutschland hat den Wald gestiftet. Tagsüber herrscht hier formvollendeter Trubel. Zahlreiche Parkplätze ermöglichen es ohne Aufstiegstortur diesen markanten Punkt zu erreichen. Auf einem wunderschönen belgisch-niederländischen Grenzpfad wandert man im Anschluß abwärts vom Vaalser Berg um nach weiteren sechs Kilometern das “Beste Biercafe van Nederland” (Eigenwerbung), welches idyllisch in einem Waldabschnitt eingebettet ist, zu erreichen. Hier wandert man übrigens auch durch Vijlnerbos, den längsten zusammenhängenden Waldabschnitt der Niederlande (Länge insgesamt acht Kilometer)
Hinter dem Wald öffnet sich die Landschaft und man erntet Panoramablicke über die Südlimburger Landschaft. Waldlos und aussichtsreich gestalten sich die nächsten Kilometer gen Wahlwiller. In diesem Abschnitt verläuft zudem ein Weinwanderweg, die Route de Vins, denn die sonnenverwöhnte Region ist zusätzlich mit einem löß- und mergelhaltige Boden gesegnet, ergo ideal um kraftvollen weißen Rebensaft zu ziehen. Fast könnte man geneigt sein hinter Wahlwiller die Etappe gen Gulpen über den Cartilserfelsweg abzukürzen, was jedoch nicht empfehlenswert ist. Andernfalls würde man einerseits den dritten Summit dieser Expedition, den Eyerbos, verpassen und zudem den schönsten Aussichtspunkt über die niederländische Toskana, wie man hier auch diesen Landstrich bezeichnet.
Grundsätzlich sollte man immer den Empfehlungen des Wanderführers folgen – jedoch es gibt auch gute Gründe von dieser Regel abzuweichen. In diesem Falle heißt der gute Grund: Gulpener Bierbrouwerij, dort wo seit 1825 Bier gebraut wird und dort wo aktuell 17 Sorten verprobt werden können. So wandert man vom 191 Meter hohen Eyserbos abwärts gen Gulpen und schwenkt über den Burggravenvoetpad dem Flußverlauf der Gulp folgend direkt hinein in das Brauhaus von Gulpen. Eine ausgezeichnete Lokation für einen würdigen Tagesabschluss bereichert durch den Umstand, dass vor der Brauhaustüre die Buslinie 350 Aachen mit Maastricht im Halbstunden-Takt verbindet.
Gulpen – Mheer
“Es geht einige Male gehörig bergauf und bergab” – Eindeutig die Botschaft des Wanderführers, denn es stehen drei gewaltige Anstiege an diesem Tag an. Raus aus dem Bus, rauf auf den Berg. Von der zentralen Busstation geht es direkt aufwärts hinauf zum Gulperberg. Radfahrer haben mörderische 19 Prozent Anstieg zu absolvieren und von Belgien kommend stehen immerhin 10% an. Panoramen ohne Ende sind auf den nächsten Kilometern, die man abwärts vom Gulpenberg gen belgische Grenze wandert, angesagt. Sanfthügelig die Landschaft, durchzogen mit kleinen Ortschaften, angereichert mit eingestreuten Baumreihen, die ein regelrechtes Toskanafeeling vermitteln. Zweifelsohne ist dieser Abschnitt eines der schönsten Passagen des gesamten Trails.
Unspektakulär gestaltet sich der Anstieg hinauf zum fünften Summit den Hakkenberg. Durch das Waldgebiet Bovenste Bosch aufwärts wandernd quert man die grüne Grenze, die durch den Grenzpfahl No 14 markiert ist. Der Gipfel ist jedoch visuell nicht zu verorten. Studiert man die Karte so drängt sich die Vermutung auf, dass der “Gipfel” eher auf der belgischen Seite liegt. Die nächsten Kilometer wandert man durch die Wallonie hinab nach Sint-Martens-Voeren, bevor man nach einem Gegenanstieg hinauf zum sechsten Gipfel der Seven-Summit-Tour aufsteigt. Hier oben am Kattenrothberg, bildet der Kamm die Grenze. So bleibt es letztendlich den Landvermessern überlassen zu beurteilen, ob der Gipfel hüben oder drüben der Grenze zuzuordnen ist. Allemal lohnt der Anstieg – der Ausblick vom Höhenzug ist wunderbar.
Der Rest der Tour – ein schöner Auslauf zum Tagesziel in die niederländische Gemeinde Mheer. Von hier aus kann per Bus zur ÖVP-Drehscheibe nach Gulpen zurückfahren.
Mheer – Maastricht
Die quirlige Universitätsstadt Maastricht ist das Ziel der Schlußetappe, die mit einigen Überraschungen aufwartet. Von Mheer aus führt die Passage durch schöne Hohlwege im Waldgebiet Hoogbas, welches bereits wieder in Belgien liegt. Die Wanderwegskennzeichnung ist nur sporadisch angebracht und ohne Karte und/oder GPS-Unterstützung steht man am langen Ende auf verlorenem Posten. So verwundert es im Nachgang auch nicht, dass der Wanderführer akribisch jeden Busch und Baumstamm beschrieben hat, wo ein Richtungswechsel entlang der Strecke angesagt ist. Nach erneuter Grenzquerung kann man von April bis Ende Oktober die Maas bei Eijsden hinüber zum belgischen Lanaye queren, was auch ein aktueller Check auf der Betreiberseite bestätigte: “Nee vaarseizoen is nu voorbij. 1 april 2023 gaan wij weer in de vaart.”. Die Alternative sind acht zusätzliche Kilometer um den Fluß südlich an der Pont Barrage de Lixhe zu queren.
Auf der belgischen Seite der Fährstation setzt ein schönes Naturschutzgebiet ein. Auf der Höhe einer Staustufe quert man einen Seitenarm der Maas um den offiziell letzten Gipfel der Tour zu erklimmen den Observant – keine natürliche Erhebung, sondern ein Abraumberg, der in den 50er Jahren bepflanzt wurde. Hier haben die Streckenplaner mächtig eingegriffen, denn der vorgezeichnete Pfad entpuppt sich als Brutalanstieg, der umgekehrt als Steilabfahrt von Mountainbikern genutzt wird und mehr als stramm aufwärts führt. Der Ausblick von oben ist nicht wirklich spannend, da die hier angepflanzten Bäume bereits mächtig nach oben geschossen sind. Vom Oberservant wandert man auf gut ausgebauten Wanderwegen abwärts zum stillgelegten Steinbruch des ehemaligen ENCI Geländes. Das in 2018 stillgelegte Areal wird sichtlich als Freizeitareal revitalisiert. Kaum ein Besucher kommt jedoch vom Observant – man bevorzugt eher den sanften Zugang vom Plateau Zuid, dort wo der Sint Pietersberg abgetragen wurde
Vom Bergwerksgelände wandert man abwärts nach Maas um in die Umlaufbahn der sehenswerten Stadt Maastricht einzuschwenken. Maastricht selbst, ein kulturelles Zentrum von überregionaler Bedeutung, Studentenstadt und in der Regel gut bestückt mit einer hoffnungslos dauerbesetzten Außenbestuhlung einschlägiger Bars, Restaurants und Cafes. So ist es sehr zu empfehlen außerhalb dieses Trails Maastricht intensiver zu erkunden.
Der Dutch Mountain Trail. Mag sein, dass die Idee zu diesem Trail zunächst als Running Gag im Rahmen des 10. Dutch Mountain Filmvestivals entstanden ist – die Idee genial und die Umsetzung hervorragend. Offiziell eingepreist ist die Strecke durch die niederländischen Alpen mit 101 Kilometern. Dank des gut ausgebauten ÖVP-Netzes kann man für die Durchführung der Wanderung Aachen durchaus als fixen Standort wählen. Einschließlich entsprechender Transfergänge und fährausfallsbedingter Zusatzstrecke waren am langen Ende 119 Kilometer und für niederländische Verhältnisse unglaubliche 2.282 Höhenmeter zu absolvieren.
Die offene Frage, wieso ausgerechnet die höchste Erhebung der Niederlande, der Vaalser Berg, keine hin- und ausreichende Würdigung durch Aufnahme in die Seven-Summit-Liste erfuhr konnte im Nachgang durch den Tourismusverband Zued-Limburg aufgelöst werden:
Wer abseits des Mainstreams bereit ist auf Entdeckungsreise zu gehen, dem sei der Dutch Mountain Trail hochgradig empfohlen. Man entdeckt Zued-Limburg als eine ausgezeichnete Wanderdestinationen, fernab des allgemein bestehenden Klischeebildes der Niederlande welches im Allgemeinen zwischen Deiche, Grachten und Klompen mäandert. Um in der holländischen Sprache zu bleiben: Wat een prachtige Wandeling!
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